„Aufgeräumt sieht es ja nicht in der Wohnung aus, seit meine Auguste
verreist ist. Aber dafür bin ich selber so aufgeräumt wie lange nicht."
Das Aquarium oder Was kostet ein Goldfisch?
„Seit drei Jahren," antwortete Pauline, „seitdem du ihn eines Tages heim-
brachtest, und ich hinterher die ganze Stube aufwischen konnte."
Jetzt genoß Paul seine Aeberraschung.
„Lier irrt Pauline!" sagte er. „Erstens kennst du ihn nicht drei Jahre, du
kennst ihn erst seit gestern. Zweitens ist das nicht Belami, denn Belami ist seit
drei Jahren tot — "
Pauline schüttelt den Kopf:
„Aber ich sehe ihn doch jeden Morgen!"
„Du siehst, was du siehst! Aber was ich sehe, ist, daß jede Woche ein toter
Goldfisch im Aquarium herumschwimmt, und daß ich ihn seit drei Jahren heimlich
heraushole und ebenso heimlich einen neuen Fisch hineingebe! Last du eine
Ahnung, wie schwierig es ist, immer wieder einen Goldfisch in der gleichen Größe
auszutreiben? Machst du dir einen Begriff, wie schwer es ist, zur Tür herein-
zukommen und heimlich ein Goldfischglas unter der Jacke zu tragen, während du
mich umarmst?"
Pauline kam aus dem Staunen nicht heraus.
„Und ich habe es nicht gemerkt!" stieß sie aus.
„Nein. Aber ich habe es gemerkt. Immer hatte ich die ganze Lose voll Wasser
und das Lemd pitschnaß! Aber das Schlimmste kommt erst noch: wohin mit dem
toten Fisch? Im Zimmer haben wir Zentralheizung, in den Küchenherd konnte
ich ihn nicht werfen, da standest du. Einmal warf ich ihn ins Bad, er verstopfte
den Abfluß. In den Abort ihn zu werfen, erschien mir pietätlos. So lief ich oft
viele Stunden mit dem tote» Goldfisch in der Tasche herum und suchte ihn los-
zuwerden. Einmal fiel er mir im Büro vor meinem Chef aus der Tasche, einmal
konnte ich ihn in einer Imbißstube gegen eine Oelsardine auf einem Brötchen
Umtauschen; es war unser Metzger um die Ecke, der vorbeikam und ihn verzehrte -
20
alles das tat ich, um dir den Schmerz zu ersparen,
weil ich glaubte, du hängst an dem Goldfisch!
And du mordest ihn, invem du ihn mit Semmel-
bröseln fütterst."
Pauline war dem Weinen nahe.
„Er tat mir doch so leid, Paul!"
„Leid? Warum?"
„Auch ich fand jede Woche einen toten Gold-
fisch im Aquarium," gestand Pauline, „ich glaubte,
er wäre verhungert. S2luct> ich kaufte heimlich einen
neuen Goldfisch, auch ich suchte tausend Verstecke,
weil auch ich dir den Schmerz, Belami zu ver-
lieren, ersparen wollte."
Paul war sichtlich gerührt. Aber der Mann
in ihm ließ sich nicht überwinden; er wollte recht
behalten, wenn er einmal recht hatte.
„And deswegen hast du ihn mit Semmelbröseln
gefültert?" sagte er.
Sie nickte:
„Frühstücke du einmal jeden Morgen allein!
Dann wirst du sehen, wie es tut, wenn einer dir
immer mit offenem Munde zusieht, als wollte er
sagen: und ich? Bekomme ich garnichts?"
„Er bekommt doch jeden Tag seine Ameisen-
eier!"
„Semmelbrösel sind billiger,"beharrte Pauline.
„Ameiseneier kosten auch nicht die Welt! In
vier Jahren hat ui s der Goldfisch nur drei Mark
und zweiundachtzig gekostet."
„Plus Semmelbrösel!"
(Fortsetzung Seite 23)
Abschied von der Sommerfrische
„Lör auf, Franzl, mit dem traurigen Lied, ein
Taschentuch brauche ich noch für die Leimreise!"
verreist ist. Aber dafür bin ich selber so aufgeräumt wie lange nicht."
Das Aquarium oder Was kostet ein Goldfisch?
„Seit drei Jahren," antwortete Pauline, „seitdem du ihn eines Tages heim-
brachtest, und ich hinterher die ganze Stube aufwischen konnte."
Jetzt genoß Paul seine Aeberraschung.
„Lier irrt Pauline!" sagte er. „Erstens kennst du ihn nicht drei Jahre, du
kennst ihn erst seit gestern. Zweitens ist das nicht Belami, denn Belami ist seit
drei Jahren tot — "
Pauline schüttelt den Kopf:
„Aber ich sehe ihn doch jeden Morgen!"
„Du siehst, was du siehst! Aber was ich sehe, ist, daß jede Woche ein toter
Goldfisch im Aquarium herumschwimmt, und daß ich ihn seit drei Jahren heimlich
heraushole und ebenso heimlich einen neuen Fisch hineingebe! Last du eine
Ahnung, wie schwierig es ist, immer wieder einen Goldfisch in der gleichen Größe
auszutreiben? Machst du dir einen Begriff, wie schwer es ist, zur Tür herein-
zukommen und heimlich ein Goldfischglas unter der Jacke zu tragen, während du
mich umarmst?"
Pauline kam aus dem Staunen nicht heraus.
„Und ich habe es nicht gemerkt!" stieß sie aus.
„Nein. Aber ich habe es gemerkt. Immer hatte ich die ganze Lose voll Wasser
und das Lemd pitschnaß! Aber das Schlimmste kommt erst noch: wohin mit dem
toten Fisch? Im Zimmer haben wir Zentralheizung, in den Küchenherd konnte
ich ihn nicht werfen, da standest du. Einmal warf ich ihn ins Bad, er verstopfte
den Abfluß. In den Abort ihn zu werfen, erschien mir pietätlos. So lief ich oft
viele Stunden mit dem tote» Goldfisch in der Tasche herum und suchte ihn los-
zuwerden. Einmal fiel er mir im Büro vor meinem Chef aus der Tasche, einmal
konnte ich ihn in einer Imbißstube gegen eine Oelsardine auf einem Brötchen
Umtauschen; es war unser Metzger um die Ecke, der vorbeikam und ihn verzehrte -
20
alles das tat ich, um dir den Schmerz zu ersparen,
weil ich glaubte, du hängst an dem Goldfisch!
And du mordest ihn, invem du ihn mit Semmel-
bröseln fütterst."
Pauline war dem Weinen nahe.
„Er tat mir doch so leid, Paul!"
„Leid? Warum?"
„Auch ich fand jede Woche einen toten Gold-
fisch im Aquarium," gestand Pauline, „ich glaubte,
er wäre verhungert. S2luct> ich kaufte heimlich einen
neuen Goldfisch, auch ich suchte tausend Verstecke,
weil auch ich dir den Schmerz, Belami zu ver-
lieren, ersparen wollte."
Paul war sichtlich gerührt. Aber der Mann
in ihm ließ sich nicht überwinden; er wollte recht
behalten, wenn er einmal recht hatte.
„And deswegen hast du ihn mit Semmelbröseln
gefültert?" sagte er.
Sie nickte:
„Frühstücke du einmal jeden Morgen allein!
Dann wirst du sehen, wie es tut, wenn einer dir
immer mit offenem Munde zusieht, als wollte er
sagen: und ich? Bekomme ich garnichts?"
„Er bekommt doch jeden Tag seine Ameisen-
eier!"
„Semmelbrösel sind billiger,"beharrte Pauline.
„Ameiseneier kosten auch nicht die Welt! In
vier Jahren hat ui s der Goldfisch nur drei Mark
und zweiundachtzig gekostet."
„Plus Semmelbrösel!"
(Fortsetzung Seite 23)
Abschied von der Sommerfrische
„Lör auf, Franzl, mit dem traurigen Lied, ein
Taschentuch brauche ich noch für die Leimreise!"
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Aufgeräumt sieht es ja nicht in der Wohnung aus..." "Abschied von der Sommerfrische"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1939
Entstehungsdatum (normiert)
1934 - 1944
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 191.1939, Nr. 4902, S. 20
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg