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Fünf Patienten V°» P-«-r

Der junge Lerr im Arztmantel blickte aufmerksam auf die Straße
hinab. Jetzt! Ja, ein kleiner beleibter Lerr mit einer Aktenmappe
war stehen geblieben und studierte das Emailleschild neben der Tür.
„Dr. med. Larald Winter," liest er jetzt, dachte der junge Lerr am
Fenster stolz, denn Larald Winter war er selbst, und heute hielt er
seine erste Sprechstunde. Der dicke Lerr unten verschwand im Laus.

Zwei, drei Minuten vergingen (beleibten Lerren fällt das Treppen-
steigen schwer), aber jetzt, es klingelte! das Mädchen öffnete: „Bitte
schön, hier rechts!" Larald rieb sich die Lände: soeben war sein fünfter
Patient in das Wartezimmer eingerreten. Nicht schleckt kür den Anfang.

Er ging im Sprechzimmer auf und
ab, betrachtete die funkelneuen Instru-
mente, rückte an seiner Brille, wusch
sich aus bloßer Nervosität nochmals die
Lände. Das Mädchen kam herein. „Es
ist neun Ahr," sagte sie, „beginnen Sie,

Lerr Doktor?"

„Ja, ja," erwiderte er, erinnerte sich
aber noch rechtzeitig an den Rat eines
älteren Kollegen: „Gehen Sie, bitte, ins
Wartezimmer, Fräulein Ilse, und sagen
Sie, daß ich durch eine wichtige Konsul-
tation abgehalten bin und die Sprech-
stunde erst in einer Viertelstunde be-
ginnen kann."

Larald hörte sie im Wartezimmer
ihren Spruch aufsagen. So war es
richtig, man mußte als der vielbeschäf-
tigte Arzt erscheinen, sowas macht immer
einen guten Eindruck.

Er wartete. Zehn Minuten. Viertel
nach. So, letzter Blick in den Spiegel,
die Brille sitzt: er öffnete die Tür ins
Wartezimmer, umfaßte mit einem Blick
die fünf Dasitzenden und sagte kurz und
geschäftsmäßig: „Der erste Lerr, bitte!"

Larald betrachtete seinen ersten Pa-
tienten, einen jüngeren Mann, aufmerksam, während er ihm gegen-
über Platz nahm. Aha, dachte er, ausgesprochen nervöser Labitus.
Angesunde, gelbliche Lautfarbe, tiefliegende Augen, das linke Lid
flattert, raucht natürlich zuviel, es läßt sich wohl annehmen . . .

„Nun, was führt Sie zu mir?" fragte er freundlich.

Der andere machte eine verbindliche Verbeugung. „Ich habe mir
erlaubt, Lerr Doktor, Sie gleich aufzusuchen," begann er, „unsere
langjährigen Erfahrungen haben uns gelehrt, daß junge Aerzte im
allgemeinen nicht daran denken-"

»Mit wem habe ich das Vergnügen?" unterbrach Larald.

„Ich komme im Auftrag der Arania-Minerva Vereinigte Ver-

sicherungsgesellschaften, wir haben eine Sonderabteilung: Versiche-
rungsschutz gegen Schadenersatzforderungen aus Berufshandlungen —"
Larald bekam einen roten Kopf und stand auf. „Ich darf Sie
bitten, mich nicht länger aufzuhalten!" sagte er mit verdächtiger
Löslichkeit und öffnete die Tür zum Gang.

„Aber bedenken Sie doch, wie rasch Sie eine Klage auf dem Lals

haben können. Sie operieren einen Blinddarm falsch und schon-"

„Ich operiere keinen Blinddarm falsch!" sagte Larald sehr laut,
„im übrigen bin ich nach allen Limmelsrichtungen versichert!"

Er warf die Tür hinter dem Arania-Minerva-Menschen zu und
fuhr sich mit dem Taschentuch über die Stirn. Ausgerechnet der
mußte als Erster kommen! Na ja, man durfte sich nicht aus der

Ruhe bringen lassen.

Er legte sein Gesicht in lächelnde
Falten und öffnete die Tür zum Warte-
zimmer: „Der nächste Lerr, bitte!"

Wenn der Mann keine Gallensteine
hat, verzehre" ich einen Besen samt
Putzfrau, dachte Larald, während er
den Lerrn musterte, der ihm gegenüber
saß. Ganz typisch, ganz typisch . . .

„Aus den Registern haben wir er-
sehen," sagte der Patient, „daß Sie
noch keinen Wagen haben, lieber Lerr
Doktor. Ich darf wohl ohne Aebertrei-
bung sagen, daß für einen Arzt unser
neues 1,2 Liter Modell, sparsam —
schnell — ausdauernd, nicht nur das ideale,
sondern geradezu unentbehrliche . . . "
„Lalt!" gebot Larald, „Sie kommen
von einer Autofirma?"

„Gewiß, und nicht nur von einer,
sondern von der Automobilfirma am
Platze."

Larald öffnete die Tür zum Gang.
„Bitte!" sagte er.

„Aber, bester Lerr Doktor, eine un-
verbindliche Probe-"

„Raus!" brüllte Larald. „Raus!"
und knallte die Tür hinter ihm zu.

Der nächste Patient war ein säuerliches Fräulein mittleren Alters,
die Larald auf Magen- und Verdauungsstörungen geschätzt hatte,
und die ihm einen Staubsauger verkaufen wollte. Der vierte Pa-
tient kam von einer Bausparkasse. Larald wäre um ein Laar tätlich
gegen ihn geworden.

Nachdem er sich die Stirn mit Kölnisch Waffer betupft und sich
mühsam gesammelt hatte, öffnete er die Tür und ließ den fünften
und voläufig letzten der Wartenden eintreten. Es war der kleine
beleibte Lerr mit der Aktenmappe.

iFortsetzung Seite 52)

„Wo gehst hin in der Nacht, Taverl?"
„I geh fensterln I"

„Wos, mit dem Schemel?"

„Jo, mei Deandel wohnt parterre."

5V
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Wo gehst hin in der Nacht, Xaverl?"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Frank, Hugo
Entstehungsdatum
um 1939
Entstehungsdatum (normiert)
1934 - 1944
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Alle Rechte vorbehalten - Freier Zugang
Creditline
Fliegende Blätter, 191.1939, Nr. 4904, S. 50
 
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