Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Kauf eines Damenhutes

„Ach, es gibt natürlich sehr teuere; aber man bekommt auch schon für billiges
Geld ein nettes Lütchen."

„Das kenne ich!" sagte ich grimmig; „was verstehst du, bitte, unter billig?"

„So an die acht bis zehn Mark," antwortete meine Frau zögernd und sah mich
flehend an.

„Also gut," entschied ich; „von einem neuen Lut hängt nun mal das Leil der
weiblichen Seele ab. Ich werde meinen alten Lut noch ein Jahr länger tragen, und
du bekommst dafür einen billigen neuen!"

Wir gingen stracks in den großen Lutsalon. Große Erregung herrschte dort.
Die Luft war mit jener Elektrizität geladen, die von jeder Frau ausgeht, wenn sie
einen Lut oder ein Kleid kaufen will. Viele Damen liefen durcheinander wie die
Indianer, wenn sie sich auf den Kriegspsad begeben.

Vier oder fünf Verkäuferinnen waren eben im Begriff, einige schüchterne Frauen
zu hypnotisieren, die sich vor großen Spiegeln mit jenen deckelartigen Erzeugnissen
der Putzmacherkunst zu schmücken glaubten, die selbst ein Trauergefolge zu haltlosem
Gelächter Hinreißen können.

„Was trägt man Heuer als Dame auf dem Kopf?" fragte ich eine hübsche Ver-
käuferin. „Bringen Sie uns, bitte, einen einfachen, dabei wirklich geschmackvollen Lut."

Das Fräulein brachte ein obskures Ding, von dem sie behauptete, es sei „ein
sehr apartes Lütchen".

„Ich bin kein Freund von Scherzartikeln, Fräulein!" sagte ich mißbilligend.
„Wir wollen einen ganzen Lut haben, keinen halben!"

Während sie einen anderen Lut holen ging, sahen wir uns die in Glasvitrinen
untergebrachten Kuriositäten an, wobei ich zu dem Schluß kam, daß die Karikaturen-
zeichner nicht zu verzweifeln brauchen: wenn ihr Beruf einmal überfüllt sein sollte,
dann können sie immer noch Damenhüte entwerfen!

Das Fräulein kam mit einer kubistisch zusammengestückelten Blütentoque zurück.
„Was sagen Sie dazu?" fragte sie mich triumphierend. „Da kann ich nur Lesfing
zitieren," antwortete ich eisig, „der gesagt hat: Wer über gewiffe Dinge nicht den
Verstand verliert, hat überhaupt keinen zu verlieren!"

Sie warf mir einen vernichtenden Blick zu und montierte das Monstrum auf
dem Kopf meiner Frau. „Er sitzt ja verkehrt herum!" rief ich entsetzt. „Nein, so
sitzt er richtig!" sagte das Fräulein kalt. „Nun, dann hast du eben nicht den richtigen
Kopf!" bemerkte ich zu meiner Frau.

Sie probierte dann nacheinander ein spießbürgerliches Stilleben aus schwarzem
Stroh, einen chinesischen Kulihut mit naturgroßer Kamelie und Nackenschleife und
ein ägyptisch zugestutztes Lütchen auf. Ich begnügte mich damit, Gesten in der Luft
zu beschreiben, um die Machtlosigkeit der Worte zu illustrieren, meinen Gedanken
vollgültigen Ausdruck zu verleihen ... — Jetzt bot uns das Fräulein einen

„Wenn schon, Oskar, so laß mir wenigstens
den Kabinenschlüssell"

„Ist nicht schlimm mit den Bienenstichen,
ekelhaft ist nur, daß mir der Lut nicht
mehr paßt!"

handgeflochtenen Strohhut an, der mir auf den ersten Blick gefiel.
Er war einfach, aber schick! Meine Frau setzte ihn auf, und ihre
Augen leuchteten. „Den nehmen wir!" rief ich; „was kostet er?"
Die Verkäuferin sah nach. „26.95 Mark," sagte sie lächelnd.

Ich hatte das deutliche Empfinden, daß mein ohnehin etwas
fahler Teint plötzlich noch gelber wurde. „Bringen Sie uns, bitte,
einen einfachen Lut zu acht bis zehn Mark," stammelte ich, müh-
sam nach Fassung ringend.

Das Fräulein brachte ihn, und er war so einfach, daß ihn
nicht einmal eine Fellachin vom Nil auf dem Wochenmarkt auf-
gesetzt hätte. „Ich muß mich erst einmal setzen," sagte ich zu meiner
Frau; „meine Beine zittern so arg."

Im Liniergrund des Salons entdeckte ich den mir bekannten
Lerrn Gescheidtle, dessen Frau auch Lüte aufprobierte. Er hatte
das besorgniserregende Aussehen eines Mannes, an dessen Kraft
und Ausdauer allzu große Anforderungen gestellt worden sind.
„Die Modistinnen scheinen Heuer wieder ganz begnadet zu sein,"
sagte er verstört; „ich sitze schon anderthalb Stunden hier . . ."

Da ich noch nicht ganz so lange da war, gelang es mir, ihn
abzulenken, und er verwickelte mich in ein ausdauerndes Gespräch
über die Damenhüte, Kierkegaards Traktat über die Geduld und
den Unterschied in den Begriffen: unendliche Zeit und Ewigkeit.

Unsere Frauen probierten unterdes Lüte auf, und alle zwei
Minuten traten sie auf uns zu, mit teils aufgelöstem, teils
bekümmertem und teils überirdischem Gesichtsausdruck, und mit
Lüten auf dem Kopf, die manchmal abgeknickten Röhren glichen,

55
Image description

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Ist nicht schlimm mit den Bienenstichen..." "Wenn schon, Oskar..."
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Mauder, Josef
Croissant, Eugen
Entstehungsdatum
um 1939
Entstehungsdatum (normiert)
1934 - 1944
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 191.1939, Nr. 4904, S. 55

Beziehungen

Erschließung

Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg
 
Annotationen