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Finkenstraße oder-?

Auf einer Verkehrsinsel stehen zwei Damen mit einigem Ge-
päck. Sie werfen schüchterne Blicke auf den jenseits des Platzes
liegenden Bahnhof, der sie vor einigen Minuten ausgespuckt hat. Es
sind zwei reisende Damen mit so ungefähr allem, was man für eine
Durchquerung Europas braucht; sie sehen durchaus feldmarschmäßig
aus. Aber jetzt ist ein Unglück eingetreten: sie können sich nicht im
fremden Gelände orientieren. Die eine ist etwa fünfunddreißig
Jahre alt, und die andre vielleicht zwanzig Jahre älter. Unerschütter-
licher Kinderglaube blickt aus ihren blauen Augen.

Nachdem sie längere Zeit beraten haben, was sie tun könnten,
tun sie, was alle reisenden Damen in dieser Lage tun: sie wenden
sich an einen Lerrn. Sie lassen einige Lerren Vorbeigehen, die ihnen
ortskundig erscheinen, dann aber kommt einer, ein augenscheinlich
besserer Lerr in mittleren Jahren. An den wenden sie sich.

„Verzeihung — ach, könnten Sie uns, bitte, sagen, wir sind hier
fremd . . ."

„Aber bitte," sagt der Lerr und lächelt. Die Damen haben
gleichzeitig Glück und Pech insofern, als der Lerr zwar einerseits
ein Einheimischer ist, anderseits jedoch ist er ein sehr gebildeter Lerr
und hat außerdem eine Menge Zeit.

Die Damen möchten nach der Finkenstraße.

Von R. Schnetder-Schelde

„Finkenstraße?" sagt der Lerr und setzt eine nachdenkliche Miene
auf. „Eine Straße mit Vogelnamen," sagt er dann. „Vogelnamen?"
überlegt er. „Ich kenne eigentlich die Stadt ziemlich genau, aber
Finkenstraße . .?" Er schüttelt den Kopf und fragt: „War es nicht
vielleicht ein andrer Vogel?" — Die Damen denken gläubig nach.

„Taubenstraße zum Beispiel?" schlägt der Lerr vor.

Nein, die Damen erinnern sich genau, Taubenstraße war es nicht.

„Dann vielleicht Schwalbenstraße?" meint der Lerr.

„Nein," sagt die jüngere Dame mit erschrocknen Augen, „wir
haben Bekannte dort, wo wir schlafen wollen; es war so etwas wie
im Lied: Amsel, Drossel, Fink und Star."

„Lm," sagt der Lerr gütig lächelnd und stellt die Beine bequem
auseinander, „es gibt, so weit ich Überblicken kann, keine der genann-
ten Straßen hier. Vogelnamen als Straßenbezeichnungen sind im
Grund, ohne daß sich ersehen ließe, warum, nicht sehr üblich. Viel-
leicht dreht es sich um einen Lörfehler?"

„Lörfehler?" fragt die ältere Dame mit noch erschrockneren Augen.

„Ich meine nur," sagt der Lerr, „es könnte ja sein. Eine Amsel-
straße zum Beispiel gibt es hier nicht, dagegen haben wir eine An-
selmstraße, was nicht unähnlich klingt; vielleicht war diese gemeint?"

kForlsetzung auf Sette 68)


Meditation im Tierpark „Es ist doch ein Segen für ein Geschöpf, wenn es selbst keine Ahnung hat, wie häßlich es ist!"

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Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Meditation im Tierpark"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Claus, Martin
Entstehungsdatum
um 1939
Entstehungsdatum (normiert)
1934 - 1944
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Alle Rechte vorbehalten - Freier Zugang
Creditline
Fliegende Blätter, 191.1939, Nr. 4905, S. 66
 
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