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o

Sibylle

Eugen hatte unbedingt an Selbstbewußtsein gewonnen, seit er
Vater geworden war, er sah das Leben jetzt von einer helleren Seite.
Eigentlich hätte er nun sein häusliches Glück in vollen Zügen und
von Kerzen genießen können, denn Lilde, seine Frau, hatte sich längst
erholt und sah blühender aus, als je zuvor, und die kleine Sibylle
gedieh, und täglich entdeckte er neue Schönheiten an ihr. — Aber
etwas ereignete sich, das ihn nach-
denklich stimmte: jede Nacht, und fast
immer um die gleiche Zeit, wenn
Lilde und er im schönsten Schlum-
mer lagen, plärrte Sibylle los, und
so laut und so anhaltend, daß erst
Lilde und schließlich auch er auf-
stand, um Sibyllchen zu beruhigen.

Lilde ging dann, einen Morgen-
rock über den zartblauen Pyjama
geworfen, mit dem schreienden Baby
auf dem Arm auf und ab, und Eu-
gen tappte mit halboffenen Augen
hinterher und machte, indem er sich
bemühte, sein schlafmüdes Gesicht zu
einem freundlichen Grinsen zu ver-
ziehen: „Zu . . . ju . . . ju, mein
Kleines!"

So liefen sie jede Nacht einige
Runden im Zimmer umher, aber
während Lilde gleichmäßig ruhig
und geduldig blieb, peinigte ihn bald
der Gedanke, daß er in ein paar
Stunden zum Amt müsse; außerdem
bekam er kalte Füße. Da fing er
denn leise, ohne daß seine Frau es
hörte, zu fluchen an: „Kleines Biest,

— hör' endlich aus!" Aber erst wenn
der Morgen dämmerte, schlief Si-
byllchen wieder ein und blieb lieb
und gnädig bis zur nächsten Nacht.

Eugen aber warf sich noch lange von
einer Seite auf die andere, bis auch
er endlich einduselte.

So kam es, daß er allmorgend-
lich verschlafen und vermuffelt seinen
Tag begann.

Nachts sprang er dann wieder
aus dem Bett, lief hinter Lilde und
Sibyllchen her und machte: „Ju ..
ju .." und bekam kalte Füße. Manch-
mal hatte er sich vorgenommen, ein-
fach im Bett zu bleiben, aber das
266

Y V 11 I I 1 ! Von Olaf Lin,

wollte er Lilde nicht antun. Außerdein konnte er ja doch nicht

schlafen, denn er stellte fest, daß Sibylles Organ an Amfang und

Tonstärke beträchtlich zunahm.

Einmal, während der nächtlichen Stubenwanderung, machte er
Lilde den Vorschlag, sie möge doch einmal mit dem Arzt sprechen.
„So kann doch das nicht weiter gehen, diese Brüllerei ist doch

unnatürlich!" behauptete er, „da muß
etwas geschehen!"

Aber seine Frau lachte und sagte
seelenruhig, daß Babies immer

schrieen, das wäre gesund und ganz
natürlich. Eugen zuckte resigniert

die Schultern und machte weiter
„Ju . . . ju . .," bis Sibylle Er-
barmen hatte.

Er wurde blaß und mager.
Schließlich meinte Lilde, er möge
doch fortan im Lerrenzimmer schla-
fen, er brauche seine Nachtruhe, um
morgens frisch zu sein. Eugen pro-
testierte zuerst entrüstet, aber als am
nächsten Abend die Zeit des Schlafen-
gehens kam, zog er sich doch ins
Nebenzimmer zurück.

Glücklich und zufrieden schlief er
ein. —Doch plötzlich schreckte er auf
und horchte . . . alles war ruhig,
nur der Regen trommelte gegen die
Fensterscheiben. Beruhigt schloß er
wieder die Augen. Aber nicht lange,
da fuhr er wieder hoch und lauschte
. . . überall Stille. Er tastete zum
Lichtschalter, knipste und sah auf die
Ahr: . . 3 Ahr. „Aha, — noch zehn
Minuten, dann geht der Krawall los.
— Na, Gott sei Dank, ich bleibe ver-
schont!" Mit diesen frohen Worten
drehte er sich auf die andere Seite,
aber einschlafen konnte er nicht. Ob
er wollte oder nicht, seine Ohren
horchten gespannt nach nebenan. Er
begann leise zu zählen. Als er bei30v
war, kribbelte es ihm in den Füßen,
und er sprang hoch. — Noch immer
war alles ruhig. Langsam begann
es schon zu dämmern. Eugen zog den
Schlafrock über, steckte sich eine Ziga-
rette an und ging hin und her.
Seltsam, ... 4 Ahr, und noch immer

Im Variete „Darf ich um Feuer bitten?"
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Im Varieté"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Bauer, Max
Entstehungsdatum
um 1939
Entstehungsdatum (normiert)
1934 - 1944
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Alle Rechte vorbehalten - Freier Zugang
Creditline
Fliegende Blätter, 191.1939, Nr. 4920, S. 266
 
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