Zeichnung von 3- Mauder
Der Dynamithund Von Werner Granville.Schmidt
Im „Oberen Engel" in Ranzenschwind, einem kleinen Schwarz-
waldnest, hat mir der Seppe-Toni, der da als Lausknecht und
Mädchen für Alles fungiert, die folgende Geschichte erzählt: „Ja-
wohl, der ,Obere Engell wurde schon so anno siebzehnhundert gegrün-
det und ist immer in derselben Familie geblieben. Jetzt hat der
Wirt, der heute auf der Wirtschaft sitzt, einen kleinen schwarzen
Spitzer gehabt; ein herziges Tier, bloß schon ein wenig zu alt. Das
Lündle hat das Gnadenbrot bei uns bekommen; aber eines Tages
läuft es vor ein Auto und wurde beiseite geschleudert. Da hat es
arg gehunken, und der Wirt hat zu mir gesagt, Seppe-Toni, hat er
gesagt, das Lündle muß hingemacht werden, und du mußt es tun;
denn ich kann dem Tier nichts machen, weil es mir zu arg ans Lerz
gewachsen ist.
Was sollte ich tun? Erschlagen Hab ich es nicht gemocht, und ein
Gewehr Hab ich auch nicht gehabt. Da fällt mir mein Freund, der
Sebastian Frey ein, der im benachbarten Steinbruch arbeitet. Baschi,
Hab ich gesagt zu ihm, du mußt mir eine Dynamitpatrone besorgen,
denn der Spitzer muß hin.
Der Frey-Baschi hat auch selbigen Tages eine gebracht, und ich
bin mit „Rolli", dem Spitzer, in den nahen Wald. Da Hab ich ihn
an einen Baum gebunden, Hab ihm die Dynamitpatrone am Lals-
band befestigt, die Zündschnur angezunden, und nichts wie ab, damit
ich in Sicherheit war, wenn es klöpste.
Als ich mich mal umdrehte, hat es mich schier geworfen vor
Schreck. Da seh ich nämlich, daß der „Rolli" sich losgerissen hat in
seiner Angst und hinter mir her hetzt. Stark hat er ja nicht laufen
können, weil er gehunken hat; aber mir hat es gelängt. Gelaufen
bin ich, als ob der Leibhaftige hinter mir her war. Schließlich kom-
me ich an den Bach. Bis zum Steg war es zu weit; also hinein
ins Wasser. Biel Regen hat es die Tage vorher gehabt, und die
braune Brühe spritzte mir bis über die Ohren. Aber ich am andern
Äser wieder 'raus und weitergesprungen; denn immer Hab ich ge-
dacht: jetzt explodiert die Patrone, und dann seid ihr beide hin, du
und der Spitzer.
Endlich bin ich am Laus. Dicht hinter mir hör ich Rolli's
Keuchen. Ich die Tür zum Weinkeller aufgerissen und hinter mir
zugezogen. Da klöpft es auch schon, daß mir die Trommelfelle schier
platzen, und es wirbelt mich die Treppe hinunter.
Als ich wieder zur Besinnung komme und aus dem Keller heraus-
trete, traue ich meinen Augen kaum. Vom Lündle keine Spur mehr
und vom „Obern Engel" auch keine Spur mehr. Rein weggeblasen
hat es das Laus, und es war ein Glück, daß wir gerade keine Gäste
hatten und der Wirt mit seinen Leuten auf dem Felde war. —
Vor zwei Jahren war es- Lier können Sie es selbst lesen."
!leber der Eingangstür des Gasthauses war tatsächlich- eine In-
schrift angebracht, die besagte, daß der „Obere Engel" — im Gegen-
satz zum „Unteren Engel", der im Unterdorf stand — vor zwei
Jahren neu erbaut worden sei.
Später kam ich dann mit dem Wirt bei einem Viertelt Wein,
Brot und Speck aus die Dynamitgeschichte zu sprechen. Er lachte.
„Der Seppe-Toni ist ein Lügenschippel, aber ein harmloser. Sie sind
nicht der Erste, dem er diesen Bären aufbindet, und ich Hab' ihn
auch schon deswegen zur Rede gestellt. Wissen Sie, was er mir
geantwortet hat? — Weischt, Engelwirt, wenn ich sag', ich hält' den
Spitzer mit einem Äolzbengel hingemacht, und du hättest den Gast-
hof neu bauen lassen, weil das alte Laus baufällig war, dann hört
sich das nach gar nichts an. Darum mach ich ein bitzeli dazu, daß
die Gäste eine Freud haben."
Verbindlich
Gläubiger zum Schuldner: „Wann darf ich also auf Bezahlung
rechnen?"
Schuldner: „Immer!"
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Der Dynamithund Von Werner Granville.Schmidt
Im „Oberen Engel" in Ranzenschwind, einem kleinen Schwarz-
waldnest, hat mir der Seppe-Toni, der da als Lausknecht und
Mädchen für Alles fungiert, die folgende Geschichte erzählt: „Ja-
wohl, der ,Obere Engell wurde schon so anno siebzehnhundert gegrün-
det und ist immer in derselben Familie geblieben. Jetzt hat der
Wirt, der heute auf der Wirtschaft sitzt, einen kleinen schwarzen
Spitzer gehabt; ein herziges Tier, bloß schon ein wenig zu alt. Das
Lündle hat das Gnadenbrot bei uns bekommen; aber eines Tages
läuft es vor ein Auto und wurde beiseite geschleudert. Da hat es
arg gehunken, und der Wirt hat zu mir gesagt, Seppe-Toni, hat er
gesagt, das Lündle muß hingemacht werden, und du mußt es tun;
denn ich kann dem Tier nichts machen, weil es mir zu arg ans Lerz
gewachsen ist.
Was sollte ich tun? Erschlagen Hab ich es nicht gemocht, und ein
Gewehr Hab ich auch nicht gehabt. Da fällt mir mein Freund, der
Sebastian Frey ein, der im benachbarten Steinbruch arbeitet. Baschi,
Hab ich gesagt zu ihm, du mußt mir eine Dynamitpatrone besorgen,
denn der Spitzer muß hin.
Der Frey-Baschi hat auch selbigen Tages eine gebracht, und ich
bin mit „Rolli", dem Spitzer, in den nahen Wald. Da Hab ich ihn
an einen Baum gebunden, Hab ihm die Dynamitpatrone am Lals-
band befestigt, die Zündschnur angezunden, und nichts wie ab, damit
ich in Sicherheit war, wenn es klöpste.
Als ich mich mal umdrehte, hat es mich schier geworfen vor
Schreck. Da seh ich nämlich, daß der „Rolli" sich losgerissen hat in
seiner Angst und hinter mir her hetzt. Stark hat er ja nicht laufen
können, weil er gehunken hat; aber mir hat es gelängt. Gelaufen
bin ich, als ob der Leibhaftige hinter mir her war. Schließlich kom-
me ich an den Bach. Bis zum Steg war es zu weit; also hinein
ins Wasser. Biel Regen hat es die Tage vorher gehabt, und die
braune Brühe spritzte mir bis über die Ohren. Aber ich am andern
Äser wieder 'raus und weitergesprungen; denn immer Hab ich ge-
dacht: jetzt explodiert die Patrone, und dann seid ihr beide hin, du
und der Spitzer.
Endlich bin ich am Laus. Dicht hinter mir hör ich Rolli's
Keuchen. Ich die Tür zum Weinkeller aufgerissen und hinter mir
zugezogen. Da klöpft es auch schon, daß mir die Trommelfelle schier
platzen, und es wirbelt mich die Treppe hinunter.
Als ich wieder zur Besinnung komme und aus dem Keller heraus-
trete, traue ich meinen Augen kaum. Vom Lündle keine Spur mehr
und vom „Obern Engel" auch keine Spur mehr. Rein weggeblasen
hat es das Laus, und es war ein Glück, daß wir gerade keine Gäste
hatten und der Wirt mit seinen Leuten auf dem Felde war. —
Vor zwei Jahren war es- Lier können Sie es selbst lesen."
!leber der Eingangstür des Gasthauses war tatsächlich- eine In-
schrift angebracht, die besagte, daß der „Obere Engel" — im Gegen-
satz zum „Unteren Engel", der im Unterdorf stand — vor zwei
Jahren neu erbaut worden sei.
Später kam ich dann mit dem Wirt bei einem Viertelt Wein,
Brot und Speck aus die Dynamitgeschichte zu sprechen. Er lachte.
„Der Seppe-Toni ist ein Lügenschippel, aber ein harmloser. Sie sind
nicht der Erste, dem er diesen Bären aufbindet, und ich Hab' ihn
auch schon deswegen zur Rede gestellt. Wissen Sie, was er mir
geantwortet hat? — Weischt, Engelwirt, wenn ich sag', ich hält' den
Spitzer mit einem Äolzbengel hingemacht, und du hättest den Gast-
hof neu bauen lassen, weil das alte Laus baufällig war, dann hört
sich das nach gar nichts an. Darum mach ich ein bitzeli dazu, daß
die Gäste eine Freud haben."
Verbindlich
Gläubiger zum Schuldner: „Wann darf ich also auf Bezahlung
rechnen?"
Schuldner: „Immer!"
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Sicher ist sicher..."
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1939
Entstehungsdatum (normiert)
1934 - 1944
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 191.1939, Nr. 4921, S. 279
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg