Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
o

Mia war ungehalten

Von Ralph Arban

Peter Stüber litt an mangelnder Zweisamkeit. Seitdem sich auch
der letzte seiner Freunde eine kleine Braut angeschafft hatte, fühlte
er sich nicht nur verwaist, sondern auch angesteckt, indem ihn der
Wunsch beseelte: Gehe hin und tue desgleichen.

Also ging er dahin, und zwar an einem freundlichen Sonntag
nachmittag. Sein Ziel war ein bekannter Ausflugsort, dem viele
frohe Menschen zustrebten. Darunter befanden sich auch zahlreiche
Mädchen; große Mädchen, kleine Mädchen, schlanke Mädchen, mollige
Mädchen. Aber keines war allein, jedes hatte schon einen mit.
Peter stellte dies mit Betrübnis fest. Er ließ die Unterlippe hängen
und beschloß in plötzlicher Anwandlung, die Einsamkeit zu freien
und ein Rebell zu werden: Linweg mit den Weibern!

Stolz und Verachtung kräuselten sein Gesicht, als er, bei jenem
Gartenrestaurant angelangt, an einem Tisch allein seinen Kaffee be-
stellte. Dann blickte er finster vor sich hin. Allerdings nicht lange.

„Sind hier zwei Plätze frei?" erklang es wie Glockengeläut.

„Bitte," sagte Peter ernst und machte eine großartige Land-
bewegung. Zugleich wich die Finsternis von seinem Antlitz, denn
zwei junge Damen setzten sich an seinen Tisch. Die eine war gefähr-
lich hübsch, die andere weniger gefährlich, aber auch ganz nett. Peter
vertagte den Rebellen und warf liebliche Blicke der gefährlicheren
Schönheit zu. Er war ein Mann und liebte
die Gefahr. Das zweite Mädchen hatte seelen-
volle Augen und ärgerte sich natürlich.

„Ich verdurste!" sagte die ganz schöne
junge Dame.

„Ich verhungere," bemerkte die seelen
volle, „man bekommt hier nichts."

„Werden wir gleich haben," sprach der
junge Mann. „Was darf ich für Sie bestel-
len?" Womit der Knopf geknüpft war. Das
Gespräch wurde hierauf flüssig und riß nicht
mehr ab. Peter machte den Pfau und ließ
seine Vorzüge schillern. Das ganz hübsche
Mädchen hieß Mia und blitzte mit den Perl-
zähnen, das andere zog den Spiegel aus
der Landtasche und blickte mit seinen seelen-
vollen Augen tief hinein. Es nannte sich im
Gleichklang freundschaftlicher Gefühle Lia.

Trotzdem schaute Peter nur auf Mia, wäh-
rend er Lia durch erschütternde Interefsen-
losigkeit mißhandelte.

Es ergab sich ganz von selbst, daß man
den Rückweg gemeinschaftlich antrat. Peter
lauerte auf eine Gelegenheit, Mia um ein
Stelldichein zu bitten, doch Lia, die zerstörende
Dritte, wich nicht von ihrer Seite. So kamen
sie zur Endhaltestelle der Straßenbahn, wo

alles schwarz vor Menschen war. Nach hartem Ringen erkämpften
sich die drei jungen Leute Stehplätze auf der Plattform eines
Wagens. Infolge des Gedränges klebten sie aneinander wie die
Sardinen, was Peter gar nicht unangenehm empfand. So fuhren
sie und fuhren.

„Nächste Laltestelle muß ich aussteigen," sagte dann Mia.

„Ich fahre noch drei Laltestellen weiter," meinte Lia verführerisch.

Jetzt oder nie! Peter beugte sich zu Mtas Ohr, die halb mit
dem Rücken zu ihm stand, und flüsterte: „Darf ich Sie nach Lause
bringen, mein Fräulein?"

Mia lächelte wie ein Rätsel.

„Ich muß Sie Wiedersehen, kleines Mädel," flüsterte Peter weiter,
„denn Sie sind mein großes —"

In diesem Augenblick zuckte Mia fürchterlich zusammen, fuhr
herum und zischte: „Frecher Lümmel!"

Peter taumelte, soweit ihm dies die spärliche Bewegungsfreiheit
erlaubte. Die Straßenbahn hielt, Mia stieg aus, ohne sich auch noch
einmal umzusehen. Die Straßenbahn fuhr weiter.

„Was haben Sie denn?" meinte Lia neckisch. „Sie sehen so
verdattert aus!"

„Ich — haha — ich habe gar nichts," log Peter und schnitt ein
Gesicht, das fröhlich aussehen sollte. Inner-
lich kochte er, denn diese Beleidigung hatte
er wahrlich nicht verdient. So eine arrogante
dumme Gans, die Mia.

Immerhin begleitete er nun Lia nach
Lause, und schon aus Aerger über ihre Freun-
din bat er sie um ein Wiedersehen. Aus dem
einen wurden ganz von selbst mehrere, und
da bekanntlich der Krug solange zum Brun-
nen geht, bis er dort ist, begleitete Peter
die Lia eines Tages zum Standesamt, und
aus dem Mädchen mit den seelenvollen Au-
gen wurde eine Frau Stüber. And sie liebten
einander und waren glücklich. And da Peter
in seiner Zuneigung kein Geheimnis seiner
kleinen Frau gegenüber haben wollte, beich-
tete er ihr eines Tages, daß die Kurve zu
ihrem Glück an der Abfuhr durch Mia vor-
beigegangen wäre.

„Ich möchte nur wissen," sagte Peter,
„aus welchem Anlaß sie mich damals so
gröblich beleidigte."

„Das kann ich dir schon sagen," entgeg-
net« Lia. „Als du mit ihr in der Straßen-
bahn flüstertest, da habe ich sie herzhaft hin-
ten hin ein gezwickt. And sie glaubte natürlich,
du wärest es gewesen."

Erwachen 1. Januar 1940

„Da muß ich mick bei der Neujahrsfeier
doch zu tief in den Alkohol versenkt haben!"

338
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Erwachen 1. Januar 1940"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Croissant, Eugen
Entstehungsdatum
um 1939
Entstehungsdatum (normiert)
1934 - 1944
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift
Weltkrieg <1939-1945>

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Alle Rechte vorbehalten - Freier Zugang
Creditline
Fliegende Blätter, 191.1939, Nr. 4926, S. 338
 
Annotationen