Ich traf Mönkewitz
seit Monika mich treulos sitzen ließ, ist jegliches Tem-
perament für mich wie eine schwarze Katze über den
Weg."
Ich registrierte mit bemerkenswerter Gedächtnis-
scharfe den dritten Mädchennamen innerhalb der letzten
Viertelstunde und sagte voll Mitgefühl, daß ich mir sein
Anglück sehr zuLerzen nähme. Indessen wüßte ich eigent-
lich nicht, wer Monika —
„Ein Prachtfrauenzimmer war das," fiel mir Mön-
kewitz ins Wort, „schmal, rassig, eine Laut wie Seide —
als ich sie das erste Mal sah, dachte ich, die oder keine."
Er schwieg kummervoll. Dann strich er flach mit der
Land durch die Luft, als lösche er etwas aus, und sog
kräftig an seinem Erdener Riesling.
Ich fand es an der Zeit, ein anderes Thema anzu-
schlagen. Ich sagte: „Du bist also öfter in Berlin, wo
hast du denn deinen eigentlichen Wohnsitz?"
„In Lamburg," sagte Mönkewitz. „Sympathische
Stadt, läßt sich da leben. Na, du verstehst, ich bin ja
viel unterwegs. Lier nach Berlin muß ich so oft wegen
Mimi."
Ich unterdrückte einen Seufzer, aber ich bin ein höf-
licher Mensch. Ich sagte: „Natürlich, die Mimi. Aber
sage mal, ist das die — die dich von der Zoologie —"
„Gewiß," rief Mönkewitz strahlend, und aller Anmut
war aus seinem Gesicht verschwunden. „Richtig, ich wollte
dir die Geschichte noch erzählen. Das war also damals
so. Ich hatte wohl schon an die sechs Semester auf dem
Buckel, als ich plötzlich anfing, mir statt der ledernen
Bücher eine kleine Menagerie zuzulegen. Zwei Katzen, sechs weiße
Mäuse, einen Wellensittich, eine Schildkröte, vier Frösche in der
Badewanne und so fort. Bei diesem gewissenhaften praktischen Stu-
dium verfehlte ich nicht, auch mit Pferden umgehen zu lernen.
Kurzum, ich nahm Reitunterricht, und dabei lies mir eines Tages
Mimi in die Arme."
„And sie gefiel dir so, daß —"
Mönkewitz hörte nicht. „Stelle dir vor," sagte er träumerisch, mit
dem Finger imaginäre Figuren in der Luft zeichnend. „Ein ganz
zierliches Geschöpf, zerbrechliche Gelenke, die sanftesten Augen, die
„Einen Eisbeutel hatte ich nicht zur Land — ich
habe unser Schwimmtier mit kaltem Wasser gefüllt."
„Den Luber, wenn er sich wieder am Stammtisch sehn
läßt, den inhalier' ich I" — „Sie, der Luber hat Bären-
kräftel" — „Na ja, ich meine: er ist Luft für michl"
ich je gesehen und dabei nie launisch, immer anschmiegsam, immer
gut aufgelegt —"
Ich nickte höflich, ein passendes Wort fiel mir nicht ein. Auch
schien Mönkewitz bei dem Thema noch verweilen zu wollen, denn
er fuhr schon fort:
„Die Geschichte mit Pharao war natürlich nicht meine Absicht.
Aber na, wenn er nach der Mutter schlägt, soll das Malhör meinet-
wegen hingehen." Er lächelte.
Ich bin kein Wüstenprediger, aber ich fand es nun doch an der
Zeit, irgendwie entschlossen auszusehen. Ich sagte: „So ist das also.
Jetzt hat diese Mimi ein Kind, und dafür hat sie dich vom Zoolo-
giestudium zurückgehalten. Entschuldige, das verstehe ich nicht."
„Nein?" sagte Mönkewitz erstaunt. „Dann will ich dir die
Sache noch einmal erklären. Also ich fing damals an, mir eine
Menagerie anzulegen, zwei Katzen, sechs weiße Mäuse, einen
Wellensittich-"
„Eine Schildkröte, jawohl," fiel ich ihm ungeduldig ins Wort
„und dann bei einem Reitkursus lerntest du Mimi kennen."
„So war es," nickte Mönkewitz zufrieden. Prüfend hielt er
die geleerte Flasche gegen das Licht. „Aber nun könnten wir
eigentlich meiner Frau schnell eine Karte schreiben."
„Verheiratet bist du auch?" fragte ich verwirrt.
Mönkewitz nickte. „Zwei Töchter," sagte er voll Stolz. „Monika
und Senta. — Zwei reizende Mädels und so gescheit."
Monika und Senta! In meinem Kops begann sacht ein Mühl-
rad zu kreisen. „Moment mal," sagte ich verzagt, „waren das
nicht die beiden Namen — die dir soviel Kummer —"
Mönkewitz nickte wieder. „Eben, eben. Man muß das Geschick
herausfordern. Gerade darum habe ich die Mädchen so genannt."
„And deine Frau?" sagte ich schwach. „Weiß sie — ich meine,
wie ist das nun mit Mimi zum Beispiel —"
„Meine Frau," sagte Mönkewitz, „wieso, verstehe ich nicht.
Die Sache mit Monika und Senta ist ja längst überwunden. And
Mimi? Die macht uns nur Freude. Die könnte noch eine Familie
mehr ernähren, so tüchtig ist sie. Darum war meine Frau ja auch
so ärgerlich über Pharaos Geburt."
Pharao! Ich stöhnte. Gab es etwas Verrückteres, als seinen
Sohn Pharao zu nennen! And was sagte er vom Ernähren? Oh,
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seit Monika mich treulos sitzen ließ, ist jegliches Tem-
perament für mich wie eine schwarze Katze über den
Weg."
Ich registrierte mit bemerkenswerter Gedächtnis-
scharfe den dritten Mädchennamen innerhalb der letzten
Viertelstunde und sagte voll Mitgefühl, daß ich mir sein
Anglück sehr zuLerzen nähme. Indessen wüßte ich eigent-
lich nicht, wer Monika —
„Ein Prachtfrauenzimmer war das," fiel mir Mön-
kewitz ins Wort, „schmal, rassig, eine Laut wie Seide —
als ich sie das erste Mal sah, dachte ich, die oder keine."
Er schwieg kummervoll. Dann strich er flach mit der
Land durch die Luft, als lösche er etwas aus, und sog
kräftig an seinem Erdener Riesling.
Ich fand es an der Zeit, ein anderes Thema anzu-
schlagen. Ich sagte: „Du bist also öfter in Berlin, wo
hast du denn deinen eigentlichen Wohnsitz?"
„In Lamburg," sagte Mönkewitz. „Sympathische
Stadt, läßt sich da leben. Na, du verstehst, ich bin ja
viel unterwegs. Lier nach Berlin muß ich so oft wegen
Mimi."
Ich unterdrückte einen Seufzer, aber ich bin ein höf-
licher Mensch. Ich sagte: „Natürlich, die Mimi. Aber
sage mal, ist das die — die dich von der Zoologie —"
„Gewiß," rief Mönkewitz strahlend, und aller Anmut
war aus seinem Gesicht verschwunden. „Richtig, ich wollte
dir die Geschichte noch erzählen. Das war also damals
so. Ich hatte wohl schon an die sechs Semester auf dem
Buckel, als ich plötzlich anfing, mir statt der ledernen
Bücher eine kleine Menagerie zuzulegen. Zwei Katzen, sechs weiße
Mäuse, einen Wellensittich, eine Schildkröte, vier Frösche in der
Badewanne und so fort. Bei diesem gewissenhaften praktischen Stu-
dium verfehlte ich nicht, auch mit Pferden umgehen zu lernen.
Kurzum, ich nahm Reitunterricht, und dabei lies mir eines Tages
Mimi in die Arme."
„And sie gefiel dir so, daß —"
Mönkewitz hörte nicht. „Stelle dir vor," sagte er träumerisch, mit
dem Finger imaginäre Figuren in der Luft zeichnend. „Ein ganz
zierliches Geschöpf, zerbrechliche Gelenke, die sanftesten Augen, die
„Einen Eisbeutel hatte ich nicht zur Land — ich
habe unser Schwimmtier mit kaltem Wasser gefüllt."
„Den Luber, wenn er sich wieder am Stammtisch sehn
läßt, den inhalier' ich I" — „Sie, der Luber hat Bären-
kräftel" — „Na ja, ich meine: er ist Luft für michl"
ich je gesehen und dabei nie launisch, immer anschmiegsam, immer
gut aufgelegt —"
Ich nickte höflich, ein passendes Wort fiel mir nicht ein. Auch
schien Mönkewitz bei dem Thema noch verweilen zu wollen, denn
er fuhr schon fort:
„Die Geschichte mit Pharao war natürlich nicht meine Absicht.
Aber na, wenn er nach der Mutter schlägt, soll das Malhör meinet-
wegen hingehen." Er lächelte.
Ich bin kein Wüstenprediger, aber ich fand es nun doch an der
Zeit, irgendwie entschlossen auszusehen. Ich sagte: „So ist das also.
Jetzt hat diese Mimi ein Kind, und dafür hat sie dich vom Zoolo-
giestudium zurückgehalten. Entschuldige, das verstehe ich nicht."
„Nein?" sagte Mönkewitz erstaunt. „Dann will ich dir die
Sache noch einmal erklären. Also ich fing damals an, mir eine
Menagerie anzulegen, zwei Katzen, sechs weiße Mäuse, einen
Wellensittich-"
„Eine Schildkröte, jawohl," fiel ich ihm ungeduldig ins Wort
„und dann bei einem Reitkursus lerntest du Mimi kennen."
„So war es," nickte Mönkewitz zufrieden. Prüfend hielt er
die geleerte Flasche gegen das Licht. „Aber nun könnten wir
eigentlich meiner Frau schnell eine Karte schreiben."
„Verheiratet bist du auch?" fragte ich verwirrt.
Mönkewitz nickte. „Zwei Töchter," sagte er voll Stolz. „Monika
und Senta. — Zwei reizende Mädels und so gescheit."
Monika und Senta! In meinem Kops begann sacht ein Mühl-
rad zu kreisen. „Moment mal," sagte ich verzagt, „waren das
nicht die beiden Namen — die dir soviel Kummer —"
Mönkewitz nickte wieder. „Eben, eben. Man muß das Geschick
herausfordern. Gerade darum habe ich die Mädchen so genannt."
„And deine Frau?" sagte ich schwach. „Weiß sie — ich meine,
wie ist das nun mit Mimi zum Beispiel —"
„Meine Frau," sagte Mönkewitz, „wieso, verstehe ich nicht.
Die Sache mit Monika und Senta ist ja längst überwunden. And
Mimi? Die macht uns nur Freude. Die könnte noch eine Familie
mehr ernähren, so tüchtig ist sie. Darum war meine Frau ja auch
so ärgerlich über Pharaos Geburt."
Pharao! Ich stöhnte. Gab es etwas Verrückteres, als seinen
Sohn Pharao zu nennen! And was sagte er vom Ernähren? Oh,
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"den Huber, wenn er sich wieder am Stammtisch sehen läßt, den inhalier' ich!" "Einen Eisbeutel hatte ich nicht zur Hand - ich habe unser Schwimmtier mit kaltem Wasser gefüllt."
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1940
Entstehungsdatum (normiert)
1930 - 1950
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 193.1940, Nr. 4962, S. 111
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg