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Kiebitze aufgestellt."

Servus, Genoveva!

morgen muß ich ihr gleich alles sagen — auch, wenn sie bös ist —
das ist ja keine Anterhaltung, sondern wie ein Verhör vor dem Un-
tersuchungsrichter, der den Delinquenten zwischen seinen Wider-
sprüche» hin und her hetzt wie die Treiber den Lasen. Was da
dahintersteckt?

Noch immer nach des Rätsels Lösung grübelnd, kam er zu seiner
guten Tante Stephanie, die ihn für heute zum Tee eingeladen hatte.
Das Fräulein von Bistritzky war auch schon dort und die Regierungs-
ratswitwe Äaider und — und — Ferdinand stockten Schritt und Atem:
Genoveva!

„Genoveva?" rief er halb freudig, halb zweifelnd.

„Servus, Ferdl!" antwortete sie fröhlich und unbefangen.

Trotzdem wurde es für Ferdinand ein ungemütlicher, fast un-
heimlicher Nachmittag. Alle schienen irgendwie ein Lächeln zu unter-
drücken, sogar das Fräulein von Bistritzky, deffen einzige Lebens-
funktion sonst bloß in abnormer Kurzsichtigkeit bestand. Auch die
wohlerzogene Lausgehilfin Mathilde — „die Mathild'", ein altes
Familienmöbel — kicherte, wenn sie servierte: „Bitte, Früul'n
Genofeffa!"

Aeberhaupt dieses Genoveva!

Genoveva hin, Genoveva her — Ferdinands Ohrmuscheln quollen
vom Klange dieses Namens über. Dazu auf den Antlitzen aller das
verhaltene Lachen! Er wurde nervös. Ansicherheit und Neugierde
plagten ihn.

Glücklicherweise empfahl sich Genoveva bald. Er bat, sie begleiten
zu dürfen. Sie gewährte es ihm.

Gleich vor der Laustüre Platzte er los: „Fräulein Genoveva,
ich muß um Verzeihung bitten, es scheint da ein großer Irrtum
vorgekommen zu sein-"

„Das scheint mir auch," unterbrach sie ihn ruhig, „ich heiße doch
natürlich nicht Genoveva — wer heißt denn heutzutage schon Ge-
noveva? — sondern Susi."

„Ja — aber-"

„Woher ich weiß, daß Sie Ferdinand heißen? Ganz einfach: Ich
nehme bei Ihrer Tanke italienische Stunden. Auf dem Klavier Ihrer
Tante steht Ihre Photographie — sehr gut getroffen übrigens. Ihre
Tante sagt zu mir: ,Mein Neffe Ferdinand kommt jetzt für fünf Tage
260

auf Arlaub. Ich habe leider keinen Platz, er wird in der „Goldenen
Birn" wohnen und auch dort zu Mittag effen. Aebermorgen ist er
bei mir zum Tee, kommen Sie auch, aber passen Sie aus, er ist so
einer, der allen hübschen Mädeln schöne Augen macht/ — Na —
und da habe ich eben aufgepaßt, und zugleich wollte ich doch einmal
wissen, ob ich mich auch zu den hübschen Mädeln rechnen darf."

Ferdinand sperrte nur den Mund auf und brachte nicht einmal
das „ja" heraus, zu dem er galanterweise doch verpflichtet gewesen
wäre.

„Wir Frauen," lächelte Genoveva-Susi, „Draufgänger sind wir
vielleicht schlechtere als ihr Männer — aber Diplomaten."

März 1941 heirateten sie. Oder genauer: Am 14. März Susi
Ortner ihren alten Jugendfreund Johann Ferk, städtischen Steuer-
beamten, und am 25. März der Anterosfizier Ferdinand Brauner
seine alte Jugendfreundin Ilse Bergmann. Denn wir wolle» doch
nicht — wie die meisten Geschichten — allen unseren lieben Arlaubern
zumuten, sich mit jedem Mädchen bereits nach dreitägiger Bekannt-
schaft kriegstrauen zu lassen.-

Der Sünder

„In meinem Aufsatz hatte ich zehn Fehler! Papa wird platzen
vor Aerger!"

„Warum hast du dir denn nicht mehr Mühe gegeben?"

„Papa hat doch den Aufsatz gemacht!"

Bedenkliches Lob

„Was halten Sie von der Stimme meiner Tochter? Ob ich ihr
Gesangsunterricht geben lasse?"

„Welche Frage! Diese Stimme schreit direkt nach Ausbildung!"

Die Sternschnuppe Von Ralph Urban

Lerr Ring sah sie fast täglich im Autobus, wenn er am Morgen
zur Arbeit fuhr. Er setzte sich möglichst nahe zum Eingang, damit
er ihr gleich seinen Platz anbieten konnte, wenn sie an der dritten
Laltestelle zustieg und der Wagen schon vollgeworden war. Dann
dankte sie seiner Artigkeit mit der flüchtigen Spur eines Lächelns,
nahm ein Buch aus ihrer Aktentasche und sah nicht mehr auf. Der
junge Mann starrte sie hierauf unentwegt an, bis er nach einigen
Laltestellen aussteigen mußte. Sie hatte ein klassisch geschnittenes
Gesicht, einen etwas spöttischen Zug um den sonst weichen Mund
und vollendete Formen. ,Sie ist zu schön für dich, Lotharh dachte
Lerr Ring mit Wehmut, wenn er so schmachtend auf sie herabblickte.
Aber einmal wagte er es doch und sprach sie an, als es sich ergab,
daß sie nebeneinander saßen. And die Annahbare sprach sogar zurück.
Von da an wurden die Nächte lang für den junge» Mann, denn
er konnte den Morgen kaum erwarten. Stand oder saß er dann
endlich neben ihr, war er verwirrt und sprach Ansinn, ärgerte sich
über sich und wurde noch befangenen Trotzdem aber lächelte sie ihm
zu und holte jetzt auch gar nicht mehr ihr Buch aus der Mappe.

„Mein Fräulein," nahm er sich endlich einmal ein Lerz, „morgen
ist Sonnabend, könnte ich — dürfte ich Sie bitten —"

Ein ernster prüfender Blick, ein Nicken. „Gut," sagte sie, „erwar-
ten Sie mich um sechs beim Park."

Schönheit verpflichtet. Am nächsten Vormittag nahm Lothar Ring
NM 25.— Vorschuß. Am Nachmittag rasierte er sich zweimal, wusch
sich mit Kölnischwasser, seilte sogar die Fußnägel und zog endlich den
vom Aufbügeln noch dampfenden blauen Anzug an.

Mit flatterndem Puls fand er sich beim Parkeingang ein. Dann
kam sie. Pünktlich, unwahrscheinlich hübsch, elegant, freundlich
lächelnd. Ein zweibeiniges Märchen. Ingrid hieß sie obendrein.

„Ich möchte spazierengehen," so sagte sie. Sie gingen kreuz und
quer und rundherum.

„Jetzt bin ich müde," meinte Ingrid nach eineinhalb Stunden
und strebte einer lauschigen Bank zu. Lothar setzte sich in vorschrifts-
Image description

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Die Vogelscheuche haben die Herren gegen die Kiebitze aufgestellt"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Bauer, Max
Entstehungsdatum
um 1941
Entstehungsdatum (normiert)
1936 - 1946
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift
Weltkrieg <1939-1945>

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 195.1941, Nr. 5021, S. 260

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Erschließung

Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
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