Fliegende Blätter (199.1943 (Nr. 5109-5135) = 99. Jahrg.)

Im Exkönig-Exil Kairo

„Ein anderes Leben ist das hier, Mottilie, in der ägyptischen Finsternis, nach dem langen Londoner Nebel!“

Der Betriebsunterhalter

scheide», seinen Lut offen hinhaltend: „Vielleicht haben Sie dann
für mich einen Posten in der Expedition oder sonst irgendwo?"

Er bekanl ihn ohne weiteres. Mit Vergnügen stellte man ihn
ein. And Lerr Gisecke, darauf auch Lerr Tröltsch, schmissen ihn» je
eine große Silbermünze in den Lut. Die Zuhörer, die sich selber
eingeladen hatte», verschwanden auf einen Wink des Personalchefs.
Der neue Expedientengehilfe ging nach einer großherzoglichen Ver-
beugung. Mehr als er erreicht hatte, war nie sein Plan gewesen.
Er war mit sich und allen anderen vollständig zufrieden und pfiff
vor sich hin. Vermutlich wie eine Riesenschlange.

Als sie allein waren, sagte der Chef Tröltsch zu dem Chef Gisecke
mit einem Lächeln, aber offenbar mit richtigem Bedauern: „Wir
beiden können einen Betrieb leiten mit 1800 Menschen, Otto, das
können wir; aber einen Landstand auf einer Seffcllehne, das können
ivir nicht!" And er steckte sich melancholisch eine von Giseckes sehr
gute» Zigarren an.

Dr. Argelander, der in seinen engeren Fachkreisen gut bekannte
Linguist, obwohl er nur ein einsamer Privatgelehrtcr ist, hatte das
Pech, im Kaffeehause einem neben ihm sitzenden fremden Gaste mit
seiner Zeitung die Kaffeetasse umzustoßen. Sofort entschuldigte er
sich gebührend.

Aber der andere Gast war ein Knote. „Können Sie denn nicht
aufpassen, Sie Ochse?" sagte er.

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Dr. Argelander gefiel das nicht. „Erlauben Sie - — —"

„Ach was, jetzt nützen Redensarten nichts mehr. Besser achtgebe»
hätten Sie müssen. Sie alter Schafskopf."

Dr. Argelander war gekränkt. So etwas wollte er sich doch nicht
bieten lassen. „Ich muß feststellen, daß Sie das Maß einer zunächst
begreiflichen kleinen Aufregung in unzulässiger Weise überschreiten
und Worte gebrauche», die mir das Recht geben würden, gegen
Sie vorzugehen."

Aber der entfesselte Knote war nicht zu bändigen. Er schimpfte
weiter: „Sie Lottentotte! Sie Botokude! Sie Kaffer!"

Da stutzte Dr. Argelander. Dann schwand der Ausdruck des
Aergers von seinem Antlitz vor einem gefällige» Lächeln, und milde
begann er zu dozieren: „Gestatten Sie mir, mein Lerr, Sie darauf
aufmerksam zu machen, daß Sie bezüglich des Wortes Kaffer jeden-
falls in einem Irrtum sind. Der Amstand, daß Sie das Wort Kaffer
auf die Wörter Lottentotte und Botokude haben folgen lassen, be-
rechtigt mich zu der Annahme, daß Sie den als Injurie vielfach
benutzten Ausdruck Kaffer für identisch halten mit dem Namen der
bekannten afrikanischen Völkerschaft. Das ist aber keineswegs der
Fall, indem nämlich jenes Wort mit Kaff zusammenhängt, einem
Substantivum des deutschen Rotwelsch, das Dorf bedeutet, so daß
also Kaffer soviel ist wie Dorfbewohner. Wenn Sie sich das über-
legen, werden Sie wohl zu der Erkenntnis kommen, daß ein auf die
Landbevölkerung, der doch Ehre zu zollen ist, sich beziehender Aus-
druck keine Beleidigung sein kann. Ich betrachte also die voraus-
gegangenen Ausdrücke als durch das Wort Kaffer in befriedigender
Weise ausgelöscht."

Danach tauchte Dr. Argelander sehr zufrieden wieder in seiner
Zeitung unter. — »n.