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Fliegende Blätter — 2.1846 (Nr. 25-48)

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Nr. 48
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_1 jhandlungen, sowie von allen Postämtern und 4M rw‘ den Bandvon24Nummern3 fl. 36kr. R.-W. pultw

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Das Lesekränzchen.

Erzählung von Carl Cramer.

»

(Schluß.)

Die Dichterin verging vor Neid und Eifersucht.

Jetzt aber ergoß sich ein Strom von Vorwürfen über den
armen Censor. Was ihm solche Vorwürfe jedoch versüßte,
war der Umstand, daß er sie für seine Frau trug. Glück-
lich der Mann, dem seine Frau nichts anders zu tragen gibt,
als Vorwürfe!

Ein böses Geschick wollte es heute, daß der Frau vom
Hause jeder Triumph durch eine Demüthigung verbittert
werden sollte. Eben wollte man mit der Lektüre fortfahren,
als Mathilde mit nackten Füßen, zerrissenem Henide und ge-
j flicktem Nachtjäckchen heulend in's Zimmer stürzte. Zornig
lief die Mutter hinzu; da bemerkte sie, daß eine der Wangen
des Mädchens in Blut schwamm. Bei diesem Anblicke siegte
j das Herz der Mutter über den Stolz der vornehmen Dame;

der Zorn gab der Besorgniß Raum. Sie vergaß ihre Ge-
I sellschaft, und untersuchte sorgfältig die Wunde der Tochter.

„Um Gotteswillen, wie kommt das?"

„Alexander hat mich mit dem Sähel geschlagen", weinte
Tildcheu.

Auch Schreibet war hinzugetreten, überzeugte sich aber zu
seiner Freude, daß die Wunde von keiner Bedeutung sei, und
schnitt englisch Pflaster zum Auflegen zurecht, während die
Mutter die Wange vom Blute reinigte.

eine lebendige Ratte am Schweif haltend. „Ich habe sie! !
ich habe sie!" rief er mit leuchtendem Antlitz, indem er die
Ratte weit vor sich hinhielt, und sich auf sein Schwert stützte,
mit einer Haltung, die einem römischen Triumphator Ehre !
gemacht haben würde. —

Man wird fragen, wie der junge Held zur Ratte kam?
Das war freilich ein tausend Glück; aber zu einem Helden ge-
hört Glück. Wäre Napoleon bei der ersten Affairc von einer
Kugel weggcrafft worden, sein Name würde nie zu uns ge-
drungen sein. Der Zufall war beiden hold. Dem Knaben
war die Ratte bei der Verfolgung unter den Fuß gerathen.
Muth genug, daß er nicht zurückzuckte, sondern zutrat, die Ratte !
griff und sie nicht losließ. Umsonst suchte diese dem Gesetze
der Schivere zu widerstreben und den Knaben in die Hand
zu beißen, Alexander gab genau auf jede ihrer Bewegungen
acht. Aber armer junger Held, auch dir blüht kein Lorbeer. ;

Tie Mutter hatte sich von ihrem Schrecken wieder erholt,
sie sah, wie die Blicke ihrer Gäste auf den ärmlichen Kleidern
ihrer Kinder ruhten, sah wie die Gutsbesitzerin hohnlächelte, und
wie selbst die berittene Dichterin, deren Kinder doch schwerlich
beffere Hemden haben mochten, ihre Schadenfreude nicht zu ver- ,
bergen wußte. Aufs neue erbost, fuhr sie auf Alexander zu. —

Armer Knabe! Kannst du denn dafür, daß dein und deiner !
Schwester Hemd nicht besser ist? Das bedachte freilich die
Kanzelistin nicht, sondern gab ihm einen derben Schlag in
den Rücken. Tie Erschütterung, welche den Helden aus seiner
plastischen Stellung brachte, gab auch der Ratte Gelegenheit,
ihn in die Hand zu beißen. „Au!" rief der Knabe und
ließ los.

Jetzt rasselte es die Treppe hinab. Alexander betrat die
Stube, in einem nicht besseren Hemde, die Säbelscheide an
der Seite, in der Rechten den mächtigen Sarras, mit der Linken

Die Ratte lief geradezu unter die große Tafel. Ein gellender
Schreckensschrei aus anderthalb Dutzend Frauen- und Mädchen-
Kehlen schnitt gleich der Pfeife einer Lokomotive durch die Lüfte.

!

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