Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Fliegende Blätter — 20.1854 (Nr. 457-480)

DOI issue:
Nr. 460
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.2139#0031
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
31

Eine wahre WahlVerwandtschaft.

von großen Denkern eingenommen worden sind. Er legte
den Stockknopf unter seine römisch geformte Nase, so hatte er
es von dem Doktor gesehen, wenn er meditirte — es half
nichts. Er setzte sich auf einen Chausseestein — half nichts;
er ging in eine verwegenere Positur über, wie sie der Pastor
einnahm, wenn er mit dem Küster sprach — half nichts;
um seines Geistes Schärfe noch mehr zu schärfen, ging er
endlich zu einem Mittel über, das man eigentlich ein uner-
laubtes nennen müßte, wenn nicht der Zweck ein so edler
gewesen wäre: er recapitulirte sich an den Fingern die zar-
ten Reminiscenzen seiner Jugendbildung, z. B. „Wie schön
leucht't uns der Morgenstern" oder „Ueb' immer Treu u. s. w."
— und hegte die gerechte Hoffnung, dadurch in eine gewisse ge-
lehrte, hellsehende Stimmung zu kommen; ach! es war Alles

vergebens!-So werft Ihr den Brand in das Gemüth

des Volks, ihr Gebildeten, ihr Volksmänner, durch nagendes
Wort wird der Zweifel wach gerufen, der Zweifel an Reli-
gion, an Staat und Verfassung! Könnt ihr es berechnen, wo-
hin oft Ein unbedachtes Wort, Ein „Jk bün de Hund sien
Herr" führen kann? Könnt Ihr das Flammenmeer wieder er-
drücken, das ein Funke unverstandener Reden in der leicht aus-
lodernden Baumwollen-Seele der Nation entfachte?-

Diesen Monolog würde Dres Tiessen wahrscheinlich ge-
halten haben, wenn er nicht allein gewesen wäre. So aber

mußte er sich mehr an den Dialog halten. Spät, verstörten
Aussehens trat er in seine angestammte Käthe. Antje hatte
die Klöße und den Speck schon lange warm halten müssen. —
Drös setzte sich in die Ofenecke. „Will Vatter nich eeten?"
fragte die besorgte Gattin. „Ne—h" war die Antwort. Dieß
war ein Dolchstoß für Anije's theilnehmenden Busen; sie war
ein zartfühlendes Frauenzimmer, sie war die Frau ihres Man-
nes, ja die Mutter ihrer Kinder! Oh, welch eine Welt tiefen
Kummers lag in diesem „Ne—h"_ sie drang in den Gat-

ten, bat ihn, sein Herz zu erleichtern durch Mittheilung —
lange vergeblich; endlich öffneten sich die LippenDrös Tiessen's
und er erzählte ihr mit der Einfachheit der Ueberzeugung,
mit der ganzen Ueberzeugung der Einfachheit:

„Jk goh lengs de Schauseh, da kummt dor en Herr an
mit'n groten, wunnerschönen Hund; na, ik frag' em denn je

-öberst neh", fuhr er sich selbst unterbrechend fort,

„so kann ik dat ni rech vertellen; Antje, Du muß mi mol
frogen, Wat mi de Hund tohört."

Antje, sich schnell in die Rolle hineinversetzend, fragte den
Mann ihrer Wahl leise, bescheiden: „Js de Hund Dien,
Vatter?"

„Ah wat, ik bin de Hund sien Vatter!" brüllte
Dres Tiessen, daß die Fensterscheiben klirrten.

Er ist vorgemerkt.

(Gerichts-Correspondenz.)

Pimpelhausen, den 1. April 1854.
Die Oberamtci Pimpelhausen
an die

Gemeindeverwaltung Lappelsdorf.

Betreff: Gesuch des Joseph Pechmaier
um Anstellung im Staatsdienste.

In Verfolgung hohen Dekretes wird der Gemeindever-
waltung hiemit die Weisung ertheilt, mit Empfang diffus dem
Rubrikaten — und zwar nachträglich — brevi manu zu noti-
fiziren, daß er schon damals, bei Einreichung seines letzten >

Petitums um Anstellung im Staatsdienste, unter die Zahl
der Aspiranten in Vormerkung genommen wurde, rc. rc.

Die Gemeindeverwaltung Lappelsdorf
an die

Oberamtei Pimpelhausen.

Betreff: Gesuch des Joseph Pechmaier
um Anstellung im Staatsdienste.

Wir haben zwar nicht die Ehre gehabt, den hohen Befehl
vom 1. April l. Js. so ganz zu verstehen, berichten aber den-
noch unterthänigst, daß gar kein Rubrikat hier, noch in der
Umgegend ist, und daß der Andere im entgegengesetzten Be-
treffe benamste Joseph Pechmaier schon vor zwanzigJahren gestor-
benist, weshalb man ihm auch nichts mehr mittheilen konnte, rc. rc.
Image description

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Eine wahre Wahlverwandtschaft"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Verwandtschaftsbezeichnung
Speise <Motiv>
Bäuerin <Motiv>
Karikatur
Hund <Motiv>
Bauer <Motiv>
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 20.1854, Nr. 460, S. 31

Beziehungen

Erschließung

Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg
 
Annotationen