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Fliegende Blätter — 28.1858 (Nr. 653-678)

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Nr. 672
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Unverh vfftcs

„Wisse» Sie noch?" Was lag nicht Alles in diesem „Wissen
Sie noch?" Fra» von Güldenhelin erröthete, und barg sich
i» die Wagenecke, so oft Justus die Momente einer längst ver-
schwundenen Zeit hervorzanberte, es schien, als »volle er Wach-
telmanns kernige Bchanptnng in allen Punkten z» Schanden
machen. — Er hatte es nicht bemerkt, daß bereits die zweite
Station hinter ihm lag. — Der Tag war angebrochen; nie
hatte ihn Lerche freudiger begrüßt; jetzt konnte er die freund-
lichen Züge seiner Geliebten mit seinen Erinnerungen ver-
gleichen. — Frau von Güldenhelm gehörte zu jenen angenehmen
Erscheinungen, »vclchc durch heitern Geist und fröhliche Laune
die ihnen von Natur verliehenen Reize in der Jugendzeit zu
vermehren, und in später»» Jahren zu bewahren »vissen. —
Zwar war auch sie älter geworden, doch hatten die 27 Jahre,
in welchen Jristns sie nicht gesehen, es nicht vermocht, allen
Liebreiz von ihren Wangen zu rauben; ihre runden Körper-
formen erhöhten ihre stattliche Gestalt, und bekundeten, daß
die Sorgen sie nicht sonderlich heinigcsncht hatten. — Bei dem
ihr angeborenen schelmischen Lächeln blickten ihre seelenvollen
Angen den Lieutenant noch eben so liebevoll an, »vie damals,
als sie an seinem Krankenlager saß. — Justus bemerkte dies
mit Entzücken, ließ Station nach Station verschwinden, und
dachte an kein Anssteigen. -

Auch unser Postmeister-Expectant war immer noch eine
respeetable Figur, obgleich die Jahre ihn frühzeitig ein »venig
znsanimengezogen und sein Haar grau gefärbt hatten. Auf
Schönheit hatte er freilich nie Anspruch machen können, auch
hatte seine geistige Natur keine besonders hervorragenden Eigen-
schaften; cs fehlte ihm manchmal sogar das gesunde Urtheil;
indeß er »var gutmüthig, haßte den Zorn und die Bosheit, ließ
manchen Scherz mit sich treiben nnd nahin's guten Kameraden
nicht übel, wenn sie ihn die „Post-Lerche" nannten. Hatte er
sich doch nach nnd nach daran gelvöhnt, ein »venig gehänselt
zu werden. Im Uebrigen wurde er immer gern gelitten, da
er ein angenehmer Gesellschafter und guter Erzähler »var, mit-
unter auch — trotz der vielen Sorgen — welche ihn heimge-

Wicd ersehen.

sucht — einen leidlichen Huinor entwickelte. — Beim Militair
Ivollt's nicht recht mit ihm gehen, er hatte es nur bis zum
Lieutenant gebracht, »vard von einer Garnison zur andern ver-
setzt, endlich mit geringer Pension verabschiedet, und der Post-
verwaltimg überwiesen, mit der Aussicht, nach eintretcnder
Vakanz als Postineistcr — für immer — eine feste An-
stellung darin zu erhalten. Justus Lerche liebte die Thätig-
keit, und »var daher beim Grenz-Postamte in G. seit 8 Jahren
freiwillig eingetreten, um sich für seine künftige Stellung die
nöthige Routine zu erwerben. —

Sieben Uhr Morgens hielt der Eilwagcn auf dem Post-
Hofe zu Dresden. —

Die Dame schickte sich zur Weiterreise nach Leipzig an,
nnd beorderte ihre Sachen nach dein Eiscnbahnhofe; Justus
begleitete seine Herzenskönigin auch dorthin. — Er verbannte ;
mit männlicher Standhaftigkeit die ängstlichen Gedanken aus
seinem Innern, ließ im Geiste sämmtliche Lokalposten vor dem
Posthanse in G. ruhig harren, bis ein College sic expcdirc —
nnd folgte dein Zuge seines Herzens nnd des Schicksals Stimme.
Muthig — wie im russischen Feldzüge — dispntirte er gegen
das Dilemma, in das er gerathen könne, wenn die Oberbehörde
seine heimliche Entfernung erführe, »veil er sich durch diese für >
den Postdienst als zu jung erwiesen; hatte er doch für den !
Militairdienst zu alt, den Abschied erhalten; „ivie's kommen 1
soll, komint's doch," philosophirtc der Lieutenant, möchten sie
ihn immerhin in der Expectantenliste streichen; so jung, so
froh, so liebenswürdig sah' er die Geliebte seines Herzens nie
wieder. — Freilich — gestand er sich ans der andern Seite,
ist die Geliebte jetzt Frau von Gnldenhclm, also verheirathet,
und für Dich nnlviederbringlich verloren, waruin Dich also der
Gattin eines Andern ansdrängcn? aber sein Selbstgefühl flüsterte
ihm zu: „Und doch scheint ihr Deine Gesellschaft zu gefallen,
auch hat sie bis jetzt ihres Gemahls mit keiner Silbe erwähnt."

Ans dem Bahnhofe angckommen, trat ein ältlicher Herr-
in Reisekleidern zu ihnen, der Fra>» von Güldenhelm als seine
Nichte begrüßte und in Empfang nahm. — Derselbe erkundigte

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Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Unverhofftes Wiedersehen"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

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Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
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Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Muttenthaler, Anton
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Wiederbegegnung
Weibliche Reisende <Motiv>
Karikatur
Eisenbahn <Motiv>
Bahnsteig
Onkel <Motiv>
Ankunft <Motiv>
Satirische Zeitschrift

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Digitales Bild
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Fliegende Blätter, 28.1858, Nr. 672, S. 155

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