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Fliegende Blätter — 3.1846 (Nr. 49-72)

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Die Schatzgräber.

ab, — so gotteslästerlich zu schimpfen an, daß man hätte glau-
ben sollen, der Himmel müßte dreinwettern, zieht unter diesem
Lästern und Lamentiren aus seinen! Kästlein einen Haufen
Wurzeln und Kräuter heraus, und legt sie fein säuberlich zu-
sammen und wieder hinein. Da auf einmal ging mir ein an-
deres Licht auf; zeige mir, mit was du unigehst und ich weiß
wer du bist. Beim Blitz, da sah ich die schönsten zwei- und
dreijährigen Schierlingswurzeln, die man zur Hexensalbe braucht,
wenn so eine alte Bestie bei Nacht und Nebel auf ihrem
Besen davonreiten will, Raute, Eibisch, das gehört zum
Hexenvertreiben, wenn man den Stall damit ausräuchert;
aber ich weiß ein besseres Mittel davor, nicht wahr, Beronika?

Weiter, weiter! drängten die Zuhörer.

Also, wie gesagt, gar sonderbare Wurzeln hatte der eis-
graue Mann in seinem Kasten; Schwarzwurzeln, Bilsenkraut,
Einbeeren, Tollkirschen, Flohkraut und noch viel anderes Zeug.
Wie er eine Weile in den Wurzeln und Kräutern herumstöbert,
sagt er auf einmal: Schäfer, wie schreibt man denn das Nest
da oben auf dem Berge? — Beim Blitz auch, war ich er-
schrocken über diese unerwartete Anrede, obgleich ich in meinen
jungen Tagen keinen, verzeih mir's Gott, keinen Teufel aus der
Hölle gefürchtet hätte; aber der Mann sah auch darnach aus.
Denkt euch, Augen hatte er im Kopf, wie feurige Kugeln, eine
Nase ganz und gar feuerroth, sonst ist nur die Spitze roth bei
Menschen; graueHaarehingenunterdem Hütlein heraus starr und
straff wie Besenreisig oderwieJgelpelz; dieOhren waren lang und
spitzig, und er bewegte sich hinüber und herüber wie ein Mutter-
schwein, nein, wie ein Gaul, und Finger hatte er, wahre Maul-
wurfskrallen daran. Hörst du nicht, verdammter Schafbock? —
brüllt er mich an, daß ich glaubte, mein letztes Stündlein sei
gekommen; aber, da ich noch jung war, dachte ich mir: und
wenn du auch der Böse wärest, so will ich dich doch nicht
fürchten, und sprach zu ihm: da muß er andere Leute fragen,
wie den Schulmeister oder den Pfarrer; ich habe, so lang
ich auf der Welt bin, keine Feder in die Hand gebracht.

Ei, sagte er weiter: da oben am Berge ist ja eine Höhle,
wie heißt man denn die bei euch? und ich sprach: von einer
Höhle da oben Hab ich noch nie gehört, aber vom Meuenloch.

Aha! sagte er, Meuenloch heißt ihr die Grotte; man
heißts auch das Brühlloch, weil sonst das Brühlweibchen
drin gewohnt hat; hab's gehört! hab's gehört! hm! ja, und
da draußen dies Gehölze heißt man den Eichbühel, nicht
wahr, da draußen auf den Wiesen diese Baumgruppe? und
wo ist der Karrenberg, wo die Hexe vom Kärrenberg ihren
Namen her hat; Hab' einmal so ein Geschmiere darüber ge-
lesen von irgend einem; he Bursche, wo ist der Karrenberg?

Mir war bei diesen Worten und diesem Gerede von der
alten Mene und der Hexe vom Karrenberg angst und bange
geworden, und nachdem ich erst einige Schuhe von ihm war
weggerückt, da sagte ich ihm, daß man den Karrenberg von da aus
nicht sehen könne, und daß ich ihn nicht einmal genau kenne; er
solle nur in dem kleinen Weiler Nachfragen, in den er komme,
wenn er an der Straße fortgehe. — Will ihn schon finden, sagte
er; aber sag mir einmal, was weißt du vom Brühlweibe? —

Ich hätte hundert und aber hundert Dinge von ihr gewußt,
aber ich sagte, nein! und am End bot er mir für jede Ge-
schichte, die ich ihm erzählen würde, einen Groschen; aber ich
dachte, das ist Teufelsgeld, und deine Seele ist dir lieber und
sagte: nein! Da aber fing er an, vom Brühlweiblein zu erzählen
und sagte, er hätte es aus alten Büchern; aber ich dachte, mich
lügst du nicht an, und that, als ob ich Alles glaubte, was
er mir erzählte. Nachdem er nun ein Langes und ein Breites
erzählt hatte, fragte er mich wieder, was ich davon wisse.
Aha! dacht ich mir, nun gibst du dich blos; du möchtest
gern wissen, ob ich deine Hexe, mit der du gar so genau
bekannt bist, schimpfe oder lobe, und möchtest mich auskuud-
schaften. Nein! nein! so dumm ist der Benedix uicht, und
er kann sein Maul auch halten, wenn es sein muß.

Hier machte der Erzähler eine Pause, um seine trockene
Luftröhre zu befeuchten und erzählte dann weiter:

Ist dieHöhletief? fragte mich der unheimliche Mann, und ich
sprach: Sie soll früher bis unter die Kirche hineingegangen sein,
ist aber jetzt ganz eingefallen, wie man ganz deutlich sehen kann.

Und was macht jetzt das Brühlweibchen? fragte er wie-
der. Da dachte ich in meinem Sinn: beim Blitzstrahl! Bene-
dix, was geht es dich an? — was die Leute drüber für
Geschwätze führen, das darfst du doch sagen, ohne dabei fürch-
ten zu müssen, dich zu verfeinden mit der Hexe, und entgeg-
nete: es heißt, man sehe das Weib manchmal unter dem
Felsen hocken, wenn es trüb Wetter ist; sie habe ein langes
seidenes schwarzes Kleid an, und einen Schleier über das Ge-
sicht von schneeweißer Farbe, durch den man ihre verweinten
Augen und traurigen Mienen ganz deutlich sehen könne; auch
höre man öfters ihre Seufzer tief aus dem Loche hervor-
dringen! — Recht! recht! lobte mich der Hexenmeister; ein
solcher war er auf jeden Fall, wie ihr bald hören werdet,
und ich sprach weiter: wenn die Buben und Mädels am Sonn-
tag statt in die Kirche hinter die Kirche gehen und an den
Berg hinaus liegen, so kommt das Brühlweiblein und erschreckt
sie, und jagt sie so lange herum in lauterm Schrecken, bis
sie wieder in der Kirche sind. Wenn die Kinder ihr Nacht-
gebet nicht verrichtet haben oder Vater und Mutter nicht
folgen wollen, kommt sie Nachts ans Bette und guckt sie mit
ihren rothgeweinten Augen an und zankt mit ihnen. —

Gib den Finger, so nimmt er die Hand: hat er die Hand,
will er den Arm; so ging es mir. Ich sollte nun immer mehr
erzählen, und der Mann drängte und quälte mich fürchterlich;
aber ich sagte nein! und dabei blieb es. Als er aufstand und
fortging, schob er mir einen Sechser hin mit den Worten: für
deine Erzählung niagst du dieses da vertrinken. Ich war sonst
in solchen Sachen nicht zu engherzig, aber beim Blitz, ich hätte
dieß Höllengeld nicht angerührt, nicht um's Kopfabschlagen. Ich
ließ ihn der Wirthin, und dackte, die ist knauserig genug dazu,
und habe, ohne ihn anzurühren oder mein Gewissen mit ihm
zu beschweren, für ihn getrunken, was mir die Wirthin gab.
Aber hört nur, was geschieht? wie ich nach dem fürchterlichen
Gaste schaue und gucke, welchen Weg er wohl eingeschlagen, ist
er, was gibst was hast, verschwunden und weg wie der Blitz.
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