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Fliegende Blätter — 3.1846 (Nr. 49-72)

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https://doi.org/10.11588/diglit.2125#0121
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117

Ein gelehrter Thee.

Dir Frau Baronin von Tettenried, eine
jener Damen, wo man nicht recht weiß, ob sie
jung oder alt zu nennen sind, war in ihrem
Salon mit Aufstellung der Stühle beschäftigt,
wobei ihr Mann, der aus übergroßer Aufmerk-
samkeit ihr in Allem pünktlich zu willfahren ge-
wohnt war, thätigen Beistand leistete. Die Ba-
ronin war seit einigen Jahren eine eifrige Be-
schützerin der Gelehrsamkeit und der Künste ge-
worden, seitdem sie auf den Bällen keine Tän-
zer mehr finden konnte, auch hatte sie der Him-
mel nicht mir Kindern gesegnet. Cigarrenrau-
chen ist bis jetzt noch nicht allgemein weibli-
che Sitte geworden, was blieb ihr also übrig,
als sich, auf das Gelehrtthun zu verlegen und
die gebildete Dame zu spielen. 'Freilich gedachte
sie noch bisweilen in dankbarer Erinnerung ih-
rer flinken Tänzer, und wenn sie gerade mit so
einem schwerfälligen deutschen Professor verkehrte,
fielen ihr unwillkührlich die flotten schlanken
Lieutenants von ehedem wieder ein, und es ko-
stete ihr nicht wenig Mühe, dem jetzigen ernste-
ren Studium obzuliegen.

„Hieher mit dem Tische," sagte sie zu
ihrem Gatten, der keuchend einen viereckigen
Tisch herbeischleppte. „Stelle ihn hier in die
Mitte und bringe dann die beiden eleganten
Bronce-Leuchter her, die stellen wir auch dar-
auf. So etwas muß nett arrangirt werden,
und damit Alles recht niedlich zusammenpaffe,

; so hole auch die rosenfarbenen Kerzen dazu."

Der gute Baron that Alles nach Befehl. Ei-
> gentlich wäre er viel lieber in seine gewöhnliche
Rauchgesellschaft gegangen, aber einen Tag in der
Woche mußte er sich in's Unvermeidliche fügen.
„So, nun ist Alles in Ordnung," meinte die
1 Baronin und musterte noch einmal mit prüfen-
1 dem Blicke das ganze Arrangement.

„Der liebe Herr Hoftath wird hoffentlich
zuftieden sein. Er wird sich in seinen Hörsaal
auf der Universität versetzt glauben."

In dem Nebenzimmer war der Theetisch
herzerichtet, nebst allen erdenklichen Arten von
Butterbroden und Backereien. Der Baron
meinte, es wäre nicht übel gewesen, wenn man
zum Schluffe auch noch Gefrornes serviren
würde, allein die Baronin behauptete, man
müsse di« Leute nicht verwöhnen, denn geschähe
es Einmal, so sehe man sich genöthigt, für die
Zukunft jedesmal eines geben zu lassen. Ter
Baron fügte sich als galanter Ehemann und
j schwieg, indeß die Baronin auf und nieder
ging, und schon im Voraus über die Phrasen

nachdachte, welche sie nach geendigter Vorlesung dem lieben Hoftath sagen wollte.
Sie wollte durchaus für eine Gelehrte gelten. Was hatte sie sich nicht schon alle
erdenkliche Mühe gegeben, auch ihren Mann zu dieser Scheinheiligkeit zu bewe-
gen, jedoch vergebens. Der Baron, im übrigen ein praktischer, (ziemlich) verstän-
diger Mann, wollte dieser modernen Gelehrsamkeit keinen Geschmack abgewinnen.
Immer gelüstete ihm nach der Gesellschaft seiner Freunde, wenn es Abend wurde.
Wir Südländer sind nun einmal materieller Natur, und wo namentlich das
Bier zu Hause ist, da sträubt sich die Mehrzahl der Männerwelt gegen den
Thee und alle Calamitäten, die ihm in der Regel auf der Ferse folgen.

Die Gäste rückten allmählig heran. Sie bestanden größtentheils aus
älteren Herren und Damen und einigen Notabilitäten der Gelehrten- und
Künstlerwelt. Letztere gaben der Sache die Weihe. Endlich erschien der Held
des Abends, der liebe gute Hoftath, ein ältlicher Mann, nicht sehr groß aber
wohlbeleibt, ein Fehler, der sich bei unfern deutschen Gelehrten häufig vor-
findet. „Ah! willkommen, verehrtester Herr Hoftath," rief ihm die Baronin
zu. „Wie fteut eS mich, Sie bei mir zu sehen! Was werden Sie uns heute
Interessantes lesen?" Der Hofrath dankte mit gntmüthigem Kopfnicken. „Nur
eine Kleinigkeit," entgegnete er freundlich lächelnd, „nur eine Kleinigkeit.
Aber ich fürchte nur, daß ich die hohe Gesellschaft langweilen möchte. Es
ist gar zu trocken." „O nein, nein," betheuerte die Baronin. „Wer könnte
sich langweilen, wo es sich um Belehrung handelt!" „Sie sind iinmer gar
nachsichtig. So will ich's denn sagen. Ich werde Ihnen etwas Weniges
von den Schlangen erzählen. Sie dürfen nicht erschrecken; es gibt unter ih-
nen auch gar gute harmlose Thierlein, als da ist die Blindschleiche z. B.
Habe selbst lange eine im Glase aufbewahrt. War ein gar gutes Thier. Hat
mir recht leid gethan, wie ich sie eines Morgens tobt liegen fand. Die gut«
Hausfrau hat fast geweint, weil sie es eben so lieb gehabt hat, das gute Thier-
lein." „Das kann ich mir denken," entgegnet« die Baronin. „Ach, man at-
tachirt sich so leicht an die Thier«. Sie kennen ja meinen Jolie; Ist das nicht
ein lieber Hund? Sehen Sie, wenn mir der Hund abhanden käme, mir ginge
es, wie Ihrer Frau mit der Blindschleiche."

Der Thee war scrvirt. Man begab sich in den improvifirten Hörsaal und
nahm Platz. Der Herr Hoftath ließ sich am Tische nieder und zog seine Scripten
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Titel/Objekt
"Ein gelehrter Thee"
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Fliegende Blätter
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Aufbewahrungsort/Standort (GND)
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Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Stauber, Carl
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Literarischer Salon <Motiv>
Karikatur
Vortrag
schlafen <Wort>
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

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Künstler/Urheber (GND)
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Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 3.1846, Nr. 63, S. 117
 
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