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Fliegende Blätter — 3.1846 (Nr. 49-72)

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Nr. 68
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Herzog Christoph's

Gertrauds rechte Hand mild verziveifelt ergreifend — „habt
Erbarmen!"

Christoph aber horchte nicht auf. „Jetzt springen wir!"
rief er, und mit der Hälfte Anlauf fuhr er wie der Blitz
hinauf und schlug den höchsten Nagel aus der Wand, —
zwölf Schuh hoch steckt' er.

Lautes Gejubel umtönte Christoph, Albrecht der Weise
schüttelte ihm freundlich und großen Beifall spendend die
Hand. Philipp aber war außer sich vor Schrecken, denn
er glaubte, der Herzog habe die Probe für sich gethan. „Also
ivollt Ihr mir die Gertraud rauben, gnädigster Herr Herzog?"
rief er. „So leb' denn wohl, meine Gertraud, von mir hörst
nichts mehr!" Fort ivollte er, aber Herzog Christoph hielt
ihn auf und sagte: „Halt'ein, närrischer Gesell', du machtest
die Gertraud etwa gar noch zu des Kaisers Frau selber, so
hoch hältst du sie. Ja, ich führ' sie zum Altar, aber nicht,
daß sie mein, sondern daß sic dein iverdc!"

„Ja, ist das wahr?" stotterte Philipp wounetaumelnd, Ger-
traud an sich ziehend, „o so seid gesegnet von Gott mit seinem
besten Segen, iveil Ihr so viel Müh' gewaltet um einen Ticuer,
als noch kein fürstlicher Herr auf der ganzen Welt, und von
Euerem Wurfe soll nian reden und wird es. so lange München
steht, und von Euerem Sprung' auch so viel und lange noch,
wenn man von Philipp Springer nichts mehr weiß."

„Rein, so thun wir nicht," sagte Christoph. „Ihr, Förster,
habt vom Glück das Allerbeste davon getragen, die holde Jung-
frau. Aber was die Kunst betrifft, dürfen wir den Kaufherrn
nicht auch noch berauben und Euch von der Schand' aus-
nehmen. Hie wird eine Tafel aufgerichtet. Zu oberst kömmt
mein Wurf, denn mit Verlaub, was Ihr da gethan, ist ivenig
werth. Aber darunter kommt der Sprung, und da weist
sich unter uns Dreien der Philipp Springer als der Letzte
und Unterste aus, wie er auch das Letzte gewonnen."

„Ja, da ist ja die Ehr' doch noch größer, als die Schand!"
rief Philipp.

„So dächt' ich eben auch!" sagte Christoph gnädig lächelnd.
„Also Hab' ich's vollbracht," fuhr er fort, „aber das Eine
glaubt mir Alle, wie viel Ihr mir Ehre gönnt, daß ich den
Stein so weit geworfen, und so viel es mich freut, es ist doch
nichts gegen die bessere Ehr' und größere Freud' in meiner
Brust, daß ich vom Herzen dieser schönen und frommen Jung-
frau den viel größeren Stein der Liebessorgen gewälzt und
vom Herzen meines treuen Philipp auch! Dafür braucht es
wohl keine Tenktafel, denn ich will es nimmer vergessen,
und in Eurer Brust hoss' ich, bleibt 's auch ohne Worte
eingeschrieben, was ich für Euch gethan!"

Wie 's da einem Jeden ward und den Liebenden zumeist,
in Freude. Dankbarkeit und hoher Rührung, könnt ich wohl
nicht genugsam beschreiben. Herzog Christoph nahm den Kauf-
herrn bei Seite und spracht „Seht, lieber Herr Äunrath, da
Hilst kein Geld und Gut. Tröstet Euch. Mir hat die Maid
auch wohl gefallen, und wer weiß, ob ich weniger Herzleid
Hab', denn Ihr! Ich Hab' Euch bezwungen in Wurf und
Sprung. Damit ist's vorbei. Aber ich Hab' mich vorerst schon

Wurf und Sprung. 15.»

selber bezwungen. Thut mir's darin gleich — bezwingt
Eueren Schmerz mit Großniuth und Versöhnung."

,O edler Fürst und Herr," sagte Kunrath gerührt, da
er auch Christoph's Liebe erkannt, „ich will Euch folgen,
wenn ich Euch auch in keinem Stück gleich thun kann, ivas
Leib und Seel' betrifft, da Ihr immer so viel mehr besitzt,
als kein Sterblicher zu ahnen vermöchte! Versöhnung und 1
keinerlei Unmuth zwischen uns," sprach er freundlich zu
Philipp, „eine Hochzeit ivill ich Euch ausrichten, wie noch
keine gewesen zu München, und ein Geschenk darbringcn, wie
noch wenig Förslerinnen empfangen. Dafür geleit ich den
Philipp zum Altar, so der gnädige Herzog mir 's gestattet!"

Viel Lob und Tank ward ihm da zu Theil, Alles umringte
die Glücklichen und von Allen war nicht Einer mißvergnügt,
als Herr Florian Hupfinsland, der wohlweise Rathsherr, der
die in seiner Bosheit gewonnen gedachte Sache nun wieder ver-
loren sah, da er alle Zeit die Gertraud iveit eher dem Kauf-
herrn, den sic nicht, als dem Philipp gegönnt hätte, de» sie so
heiß liebte Mit zornbrennendem Kopf schlich er davon und
ließ am nächsten Tage sogleich den heil. Petrus abbestelleu.

Meister Hans segiiete Philipp und Getraud. darauf Alle
ihres Weges ziehen wollten. Da rief Herzog Christoph in
seinem heiteren Uebermuthe: „Halt, Ihr Herren und Damen, '
was wäre das! Der Stein muß ivicder hi», wo er herkam,
und wer noch einen Stein auf dein Herzen, der mach' es.
wie ich mit dem!" Er ging rasch zurück: „Aus dem Weg!"
Er setzte die Ferse an, nahm den Play in's Auge, an dem
der Stein zuerst gelegen, und schob ihn dann mit solcher
Gewalt dahin, daß er all' die fünfzehn Schritte donnernd
unaufhaltsam zurückrvllke, und da still stand, >vo er in früheren
Zeiten gewesen, auch zur Stunde noch angeschmiedet, — damit
ihn Keiner mitnimmt, — zu sehen ist, nächst dem Bruunhof im
Schloß, ober ihm zur Rechten die steinerne Tafel, darauf zu lesen:

Als nach Christi Geburt gezehlt war
Vierzechenhundert Neunzig Jahr,

Hat Herzog Christoph hochgeboren,

Ein Held aus Bayrn außerkoren,

Den Slain gehebl von freycr Erdt
Und weit gcworsfen ohn Geserdt,

Der wigt drehhnndert vier und sechzig Pfund
Das gibt der Stein und schrift Urkunt.

Treu Nägel stecken hie vor Augen,

Die mag ain jeder Springer schauen,

Der höchste zwelf Schuech Du' der Erdt
Ten Hertzog Christoph Ehrewerth,

Mit seinem such herab thet schlagen
»unrath luef biß zum ander' Nagel,

Wol vo' der Erdt Zehethalb schuech
Neunthalben Philipp Springer luef,

Zum dritten Nagel in der Wandt
Wer höher springt, wirt noch betaut.

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