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Eule und Lerche.
4) Fünfzehn Gänse, blendend weiß, sehr gelehrig,
stehen auf Kommando auf einem oder zwei Füßen, taktfest,
schnattern zusammen den verminderten Septimen-Accord in
Fis-Dur. Diese liebenswürdigen Thiere dürsten eine außer-
ordentlich wirksame Verwendung finden in einer Oper, welche
die Rettung d?s römischen Capitols durch die Gänse zum Vor-
würfe hätte. Von den Gänsen wie von den Löwen werden
übrigens einzelne Exemplare nicht abgegeben.
Zu geneigter Abnahme der obenbezcichneten, sowie seiner
übrigen hier nicht speziell aufgeführten Thiere empfiehlt sich
der Unterzeichnete bestens mit der ergebensten Bemerkung, daß
der Verkauf nur um fixe Preise und in der Regel nur gegen
Baarzahlung stattfindct. Je nach Umständen werden jedoch
auch Anweisungen auf Tantiemen angenommen.
Jean Jaques Esfcktmaier,
Thierbändigcr und tvndichtcrischer Utensilienhändler.
Plaudereien.
(Auf einem Balle in Leipzig.) Herr Dr. phil.
Justus bei sich: „Nein, um das Mädchen ist es doch wahr- ;
lich schade, da red' ich nun schon drei Tänze in sie hinein
und sie antwortet mir ans jeden Nedesatz nie anders als: „Nu
ebn!" — ich muß nur einmal ihre Schwester fragen, was >
das ist."
Laut zur Schwester: „Fräulein, bitte sagen Sie mir nur,
kann denn Ihre Schwester gar nicht reden? Sic ist so ein
allerliebstes Mädchen, aber bisher habe ich kein Wort weiter
von ihr gehört, als „Nu ebn!" Das ist mir doch zu merk-
würdig."
Schwester: „Nu ebn!"
Nur dort in morscher Mauer, vom halbvcrfall'nen Schloß,
Da saß den muntern Vögeln ein düsterer Genoß',
Es war die alte Eule, der Tag erfreut sie nicht,
Ihr blödes stieres Auge verträgt kein Sonnenlicht.
Die Lerche, die zum Sange sich hob vom weichen MooS,
Sie sah die Eule sitzen, so trüb und thcilnahmslos,
Sic flog hinzu und pickte am Ohr das dumme Thier
Und rief: „Warum so traurig? — Komm' freue Dich mit ;
mir!"
Das alte Käuzchen krächzte sein jammerndes „U h u!
„Laß' mich mit Deinem Necken für alle Zeit in Ruh',
„Ich möchte Dich zcrreiffcn, doch leider kann ich's nicht,
„Es schützet Dich Vcrwcg'ne, das häßlich grelle Licht!
„Doch kehrt das Dunkel wieder, dann sei recht wohl bedacht,
„Ich will, fürwahr! verschaffen Dir dann die längste Nacht;
j „Komm' dann mit Deinem Scherze zur Eule keck heran,
„So ist's um's theure Leben, Du schwaches Thier gethan!"— ‘
fatig die frohe Lerche, sich schwingend in die Lust: i
„Bist wirklich zu bedauern, lebst stets in einer Gruft,
,/Heulst nur vom Blut und Morde, mit fieberhafter Hast,
„Vom nächtig bösen Treiben, hältst Du am Tage Rast."
„Du ahnst sie nicht die Wonne, das Tageslicht zu schau'n,
„Und wünschest Dir für ewig ein mitternächtig' Grau'n.
„Es ist für solches Leben des Tages Helle nicht —
„Wer frei will sein und glücklich — der liebt das !
Sonnenlicht!"
Philipp Haas.
(Genügende Entschuldigung.) Hauptmann,
welcher die Mannschaften feiner Kompagnie nach einem
! vom Feldwebel empfangenen Verzeichnisse selbst verliest
i und die Seite herunter bis zu dem Worte „Latus"
gekommen ist: „Donnerwetter, Feldwebel, warum meldet
sich der verdammte Kerl, der Latus nicht, wo steckt denn
der Höllcnbraten schon wieder?" —
Feldwebel, näher tretend und ihm zuflüsternd:
„Wollen der Herr Hauptmann nur gefälligst Umschla-
gen." —
Hauptmann, auf der neuen Seite weiter lesend:
„Transport!" befriedigt: „Ah, so — aufm Trans-
port, das ist etwas Anderes, da ist der Kerl freilich
genügend entschuldigt!"
Eule und Lerche.
Der Tag war angebrochen — er goß den Pcrlenwein
Zum Morgcntrunk den Blumen in ihre Kelche ein —
Und munter ward's im Felde, im Haine und im Hag,
Die Vögel grüßten alle den lieben, jungen Tag.
Eule und Lerche.
4) Fünfzehn Gänse, blendend weiß, sehr gelehrig,
stehen auf Kommando auf einem oder zwei Füßen, taktfest,
schnattern zusammen den verminderten Septimen-Accord in
Fis-Dur. Diese liebenswürdigen Thiere dürsten eine außer-
ordentlich wirksame Verwendung finden in einer Oper, welche
die Rettung d?s römischen Capitols durch die Gänse zum Vor-
würfe hätte. Von den Gänsen wie von den Löwen werden
übrigens einzelne Exemplare nicht abgegeben.
Zu geneigter Abnahme der obenbezcichneten, sowie seiner
übrigen hier nicht speziell aufgeführten Thiere empfiehlt sich
der Unterzeichnete bestens mit der ergebensten Bemerkung, daß
der Verkauf nur um fixe Preise und in der Regel nur gegen
Baarzahlung stattfindct. Je nach Umständen werden jedoch
auch Anweisungen auf Tantiemen angenommen.
Jean Jaques Esfcktmaier,
Thierbändigcr und tvndichtcrischer Utensilienhändler.
Plaudereien.
(Auf einem Balle in Leipzig.) Herr Dr. phil.
Justus bei sich: „Nein, um das Mädchen ist es doch wahr- ;
lich schade, da red' ich nun schon drei Tänze in sie hinein
und sie antwortet mir ans jeden Nedesatz nie anders als: „Nu
ebn!" — ich muß nur einmal ihre Schwester fragen, was >
das ist."
Laut zur Schwester: „Fräulein, bitte sagen Sie mir nur,
kann denn Ihre Schwester gar nicht reden? Sic ist so ein
allerliebstes Mädchen, aber bisher habe ich kein Wort weiter
von ihr gehört, als „Nu ebn!" Das ist mir doch zu merk-
würdig."
Schwester: „Nu ebn!"
Nur dort in morscher Mauer, vom halbvcrfall'nen Schloß,
Da saß den muntern Vögeln ein düsterer Genoß',
Es war die alte Eule, der Tag erfreut sie nicht,
Ihr blödes stieres Auge verträgt kein Sonnenlicht.
Die Lerche, die zum Sange sich hob vom weichen MooS,
Sie sah die Eule sitzen, so trüb und thcilnahmslos,
Sic flog hinzu und pickte am Ohr das dumme Thier
Und rief: „Warum so traurig? — Komm' freue Dich mit ;
mir!"
Das alte Käuzchen krächzte sein jammerndes „U h u!
„Laß' mich mit Deinem Necken für alle Zeit in Ruh',
„Ich möchte Dich zcrreiffcn, doch leider kann ich's nicht,
„Es schützet Dich Vcrwcg'ne, das häßlich grelle Licht!
„Doch kehrt das Dunkel wieder, dann sei recht wohl bedacht,
„Ich will, fürwahr! verschaffen Dir dann die längste Nacht;
j „Komm' dann mit Deinem Scherze zur Eule keck heran,
„So ist's um's theure Leben, Du schwaches Thier gethan!"— ‘
fatig die frohe Lerche, sich schwingend in die Lust: i
„Bist wirklich zu bedauern, lebst stets in einer Gruft,
,/Heulst nur vom Blut und Morde, mit fieberhafter Hast,
„Vom nächtig bösen Treiben, hältst Du am Tage Rast."
„Du ahnst sie nicht die Wonne, das Tageslicht zu schau'n,
„Und wünschest Dir für ewig ein mitternächtig' Grau'n.
„Es ist für solches Leben des Tages Helle nicht —
„Wer frei will sein und glücklich — der liebt das !
Sonnenlicht!"
Philipp Haas.
(Genügende Entschuldigung.) Hauptmann,
welcher die Mannschaften feiner Kompagnie nach einem
! vom Feldwebel empfangenen Verzeichnisse selbst verliest
i und die Seite herunter bis zu dem Worte „Latus"
gekommen ist: „Donnerwetter, Feldwebel, warum meldet
sich der verdammte Kerl, der Latus nicht, wo steckt denn
der Höllcnbraten schon wieder?" —
Feldwebel, näher tretend und ihm zuflüsternd:
„Wollen der Herr Hauptmann nur gefälligst Umschla-
gen." —
Hauptmann, auf der neuen Seite weiter lesend:
„Transport!" befriedigt: „Ah, so — aufm Trans-
port, das ist etwas Anderes, da ist der Kerl freilich
genügend entschuldigt!"
Eule und Lerche.
Der Tag war angebrochen — er goß den Pcrlenwein
Zum Morgcntrunk den Blumen in ihre Kelche ein —
Und munter ward's im Felde, im Haine und im Hag,
Die Vögel grüßten alle den lieben, jungen Tag.
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Eule und Lerche"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 32.1860, Nr. 769, S. 103
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg