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Fliegende Blätter — 36.1862 (Nr. 861-886)

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Nr. 878
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https://doi.org/10.11588/diglit.3270#0147
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Wie der Neitterbauer den Champagner zu s

Hochzeit hielt, ging's hoch her, und so gegen sieben Uhr Abends,
wie er im Kreise seiner Kameraden, lauter ganze Bauern,
kreuzfidel dasaß, da rief er dem Kallinger, dem Wirthe, der
die Hochzeit aushielt, laut, daß es Alle hörten, zu: „Du,

Wirth, einen Schampanier müssen wir heut auch noch haben,
und wenn die Butell einen Fünferbankanoten kosten sollt'!" —
„Nichts leichter als das", meinte der Wirth, „da fahr' ich
in's Bayern 'nüber, in die Stadt, da haben sie schon 'was
ganz Feines; die Herren von München und Wien, die haben
Dir darüber die Augen aufgerissen, damals, wie's die West-
j bahn gefeiert haben."— „Gut," sagte der Neitterbauer; spann
gleich ein, da hast 's Geld." — „Nicht nöthig", sagte der
Wirth, nahm's aber doch, richtete sein „Zeuget" her, und fuhr
fort. —

Als er nach einer Viertelstunde bei der Grenzmauth an-
kam, rief er dem Einnehmer grüßend zu: „Ich fahr' nur hin-
über in die Stadt, Nachsehen, wegen einem Wagerl!" denn
einem Mauthncr muß man immer etwas aufbinden, wenn es
auch gerade nicht nöthig ist, schon wegen der Uebnng.

In der Stadt fuhr er aber gleich zu seinem Kaufmanne,
ließ sich ein halbes Dutzend Flaschen Schaumwein geben, packte
sie in dem Wagen, unter dem Sitze, gut ein, und kutschirte
wieder wohlgemuth heimzu.

Wie er so langsam bergan den blauweißen und schwarz-
gelben Zollschranken entgegenkam, und sich ruhig den Gewinn
seiner Fahrt ausrechnetc, da brachte er ohne Schwierigkeit her-
aus, daß für ihn mehr abfiele, wenn er die Zollgebühr, welche
ihm der Neitterbauer doch jedenfalls zahlen mußte, selbst er-
sparen konnte. Das Ding war um so leichter auszuführen,
weil er oft genug durchgekommen war, ol^re visitirt zu werden.

Dieser ruchlosen Anwandlung folgend, lenkte unser Wirth
eben in die Mauthschranken ein, und grüßte den Zollbeamten,
der mit der Laterne heranschritt, mit der harmlosen Frage:
„Soll ich vielleicht absteigen? Mauthbares Hab' ich Nichts!"
Allein zu seinem großen Mißbehagen erhielt er die ganz ge-
müthliche Antwort: „Ja, Herr Kallinger, steigen's ab, ich

werd' nur etwas in's Sitztrühel hineinschauen, ich bin gleich
fertig." Seufzend und etwas schwitzend stieg der Passagier ab,
und hielt, den Rücken gegen den Wagen gewendet, das Pferd
beim Leitseil, um nur nichts weiter sehen zu müssen. Aber
bald hatte er die Gewißheit, daß der Schatz entdeckt sei, denn
der Einnehmer sagte langsam: „Ja, aber, Herr Kallinger, ist
das nichts Mauthbares?" Er mußte sich nun doch, hochroth
im Gesichte, umwenden, und sah seine Flaschen im Laternen-
! schein glänzen. Mit schlecht geheucheltem Erstaunen rief er:
j „Wa — as ist daS, ja wie kommen denn die Flaschen daher?

Das ist ja gar Schampanier! ich werd' doch keinen Scham-
! panier trinken; ja, da weiß ich nicht —"

Mit überlegenem Lächeln hörte der Einnehmer diesen
gewohnten Ausflüchten zu. In diesem kritischen Momente
drängte sich aber in das Gehirn des Deliquenten ein retten-
der Gedanke: „Ja," rief er munter, „jetzt kapir ich's! Seh'n
Sie nur her, das ist ja gar nicht mein Wagerl! Spannt mir
j das Rindsvieh, der Hausknecht da drüben, ein fremdes Wa-
!_

einer Hochzeit über die Grenze gebracht hat.

gerl ein! Du Mordvieh, du verfluchtes, na wart, Dir will
ich's zeigen! So ein Schaf könnt' Einen noch in Fatalitäten
bringen! Nichts für ungut, Herr Einnehmer!" und damit schlug
er den Sitzkasten zu, sprang in den Wagen, kehrte um, und
fuhr, vor dem verblüfften Beamten vorbei, wieder zurück, von
wo er hergekommen war. Nach einer halben Stunde kam er
aber in einem andern Wagen, den er sich irgendwo ausgeliehen,
wieder flott angefahren, sprang nun ohne weitere Anfrage
herab, und rief: „Sehen Sie, Herr Einnehmer, das andere

Wagerl hat einem Fleischhacker von drüben gehört, gerad', daß
ich zur rechten Zeit hingekommen bin!" und fuhr nun, nach
erfolgloser Visitation, ungefährdet, aber ohne Champagner wie-
der heim.

Hier rief ihn der Reitterbauer, dem die Zeit schon lang
geworden war, an: „Na, hast'n gekriegt?" — „Ja," antwor-
tete kleinlaut der Ankömmling. „Na, wo hast'n denn?" —
„D'rüben ist er, in der Stadt, im Sitztrühel von meinem
Wagen, beim Hasenwirth, den Hab' ich'n zum Aufheben gege-
ben." Der Reitterbauer wurde ganz wild, als er seinen künst-
lich gesteigerten Durst nach Champagner unbefriedigt sah, und
von Kallinger den schlechten Ausgang seines Argonautenzuges
erfuhr. Es war schon halb neun Uhr, und keine Zeit zu ver-
lieren. Da erbot sich in der allgemeinen Rathlosigkeit der
Wallnersepp von Wolfsberg, ein kühner Recke, die ersehnte
Beute und den Wirthswagen heimzubringen, dem Hasenwirth
aber sein Wägelchen zurückzuführen. Er spannte seinen Brau-
nen, einen „Lauser," vor, und in zwanzig Minuten fuhr der
Sepp glücklich in den Hof de? Hasenwirthshauses ein. Die
rasche Fahrt hatte ihn etwas durstig gemacht; er überließ daher
dem Hausknecht die Sorge, das Pferd aus- und in den rechten
Wagen einzuspannen, nahm rasch eine „Stehmaß" zu sich,
schwang sich auf den Sitz, und rasete fort. Die Zollgittcr
waren noch offen, und langsam in dieselben einlenkend, ersah
er den Moment, wie der Einnehmer gerad behaglich eine Prise
nahm, und mit dem Rufe: „Nichts Mauthbares!" zog er

rasch die Zügel an, ließ sie auf den Rücken des Pferdes fal-
len, und im gestreckten Trabe flog der Wagen an den fluchen-
den Grenzwächtern vorbei, in der Nacht verschwindend. —

Nach wenigen Minuten stand er vor dem Hochzeitshause.
„Da bin ich," rief der Sepp, stolz vom Wagen springend,
und da habt's 'n!" Die Gäste drängten herbei, voran mit
der Laterne der Wirth, welcher den Sitzdcckel aufhob . . allein
zur allgemeinen Ucberraschung, die bald einem eben so allge-
meinen Gelächter wich, zog letzterer statt der sehnlich erwarteten
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Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Wie der Reitterbauer den champagner zu seiner Hochzeit über die Grenze gebracht hat"
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Fliegende Blätter
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Aufbewahrungsort/Standort (GND)
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Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Grenzsoldat
Empörung
Karikatur
Bauer <Motiv>
Grenze <Motiv>
Gespann <Motiv>
Eile <Motiv>
Satirische Zeitschrift

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Fliegende Blätter, 36.1862, Nr. 878, S. 142

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