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Uebcr dm Werth des Schuldmmachms.
(Fortsetzung.)
Das sind nur elende Pfuscher, die sich Zum wahren
Schuldenmacher verhalten, wie etwa der Quacksalber zum
Arzte. Der echte Schuldenmacher macht am häufigsten gerade
da Schulden, wo er es am wenigsten nöthig hat, d. h. er
borgt Dinge, die er ganz entbehren könnte, er borgt
selbst, wann er selber Geld genug hat, er macht also Schul-
den nicht aus elenden und egoistischen Nebenabsichten, sondern
hauptsächlich um des Schuldenmachens selbst willen und um
nicht ans der heilsamen Uebung zu kommen; er sieht mit
Recht den Credit, den man ihm gibt, für eine Schuldigkeit
an, und verlangt oder strebt es dahin zu bringen, daß der
Gläubiger sich glücklich schätze und sich für die Gefälligkeit
bedanke, die man hat, ihm die Bürde seines Geldes oder
seiner Waare zu erleichtern; mit der Ausstellung von Schuld-
scheinen nimmt er es nicht pedantisch genau, notirt auch nicht
ängstlich die Zahlungstermine in seinem Kalender, und ver-
spricht die ungeheuersten Prozente, ohne je die geringsten zu
geben; mit edler Keckheit schreitet er in seinem geborgten
Rocke einher und tritt unerschrocken dem Gläubiger unter
die Nase, bietet ihm eine Prise und, sieht er es ihm an, daß
er Miene macht ganz höflich von einem „kleinen Betrage"
zu reden, „den er sich hiermit erlaube in Erinnerung zu
bringen, da er jetzt höchst nöthig sein Geld brauche," so läßt
er ihn gar nicht zu Worte kommen, sondern erkundigt sich
noch höflicher und zuvorkommender nach dem Befinden der
werthen Frau Gemahlin und der lieben, scharmanten Kinder.
Mahnbriefe liest er gar nicht, denn er weiß ja schon, was
darin steht, und sollte ein Gläubiger gar so impertinent
sein, ihm ins Haus zu kommen und in gar zu deutlichem
und unverblümtem Style von seiner Forderung zu sprechen,
so weist er ihm höchst kaltblütig die Thür oder wirft ihn
die Treppe hinunter. Citationen machen ihm keine Sorge,
er legt sic ruhig ad acta, d. h. zu den andern, und stellt
sich in der Regel zu den gerichtlichen Terminen gar nicht
ein. Uebrigens ist er sehr wenig zu Hause zu treffen und
weiß eS sehr Wohl, daß er auf der Straße und an Sonn-
und Festtagen nicht gemahnt werden darf.
Ueberhaupt mit gründlicher Kenntniß aller Gesetze be-
treffend das Schuldenwesen ausgerüstet, erspäht er sogleich
jede Blöße, die sich der Gläubiger gibt, jeden falschen Schritt,
den dieser thut, und weiß ihn zu seinem Vortheil, d. h. zu
dem Zwecke des Nichtwiederbezahlens, zu benutzen.
Und Ihr wollt einen solchen Mann noch gar leichtsinnig
oder böswillig nennen? — Leichtsinnig? Was heißt denn
Leichtsinn? — Leichtsinnig ist nur der, welcher ohne gehörige
Kenntniß oder Ueberlegung der Lage handelt, in welcher er
sich befindet, und die Folgen seiner Handlung nicht bedenkt.
Der echte Schuldenmacher aber kennt ja seine Lage und
weiß ganz bestimmt, daß er nicht wieder zahlen kann oder
will; er kennt und berechnet auch alle Folgen und borgt
doch. Wie könnt Ihr ihn also noch leichtsinnig nennen? —
Er hält es für eine unumstößliche Wahrheit, was Mokiere
irgendwo sagt, da er die Schulden mit den Kindern ver-
gleicht und es diesem praktischen Grundsätze gemäß mit
allem Vorbedacht und mit der strengsten Consegucnz nur
mit dem faire und nie mit dem rendre halten, wäre leicht-
sinnig? — Oder gar böswillig? — Ha, hier habe ich Euch
auf dem rechten Flecke, Ihr Verläumder! Nur einige Augen-
blicke Geduld und ich werde die eigene Böswilligkeit Eurer
abgedroschenen Angriffe und den guten Willen eines echten
SchuldcnmacherS in das glänzendste Licht gesetzt haben.
Denn ich komme nunmehr zu dem relativen Werth,
d. h. zu dem Nutzen des Schuldenmachens, und behaupte,
daß sich dieser Nutzen nicht blos auf den Schuldenmacher
selber, sondern auch auf den Gläubiger und endlich auf die
ganze Welt erstreckt. — Zuerst also, auf den Schuldenmacher.
— Man wird vielleicht glauben, ich setze den Hanptnntzen
für diesen darein, daß er durch die Ausübung seines Berufs
zu Geld oder Waarcn komme; aber Gott behüte! Auf solche
materielle Vortheile will ich hier gar kein Gewicht legen,
sondern hauptsächlich ans den ideellen, geistigen Gewinn,
und da behaupte ich, daß es kein praktischeres Mittel gibt,
alle cdlcrn Seelenkräfte im Menschen zu wecken und zu för-
dern, als eben das Schuldenmachen. Zuerst, cs übt und
stärkt nothwendigerweise die Denkkraft, das Reflexions-
Vermögen, das Combinationstalent ans das unglaublichste.
Welche Menge der verschiedenartigsten Ideen, Pläne, Projekte
müssen sich nicht immerwährend in dem Kopfe eines eifrigen
Uebcr dm Werth des Schuldmmachms.
(Fortsetzung.)
Das sind nur elende Pfuscher, die sich Zum wahren
Schuldenmacher verhalten, wie etwa der Quacksalber zum
Arzte. Der echte Schuldenmacher macht am häufigsten gerade
da Schulden, wo er es am wenigsten nöthig hat, d. h. er
borgt Dinge, die er ganz entbehren könnte, er borgt
selbst, wann er selber Geld genug hat, er macht also Schul-
den nicht aus elenden und egoistischen Nebenabsichten, sondern
hauptsächlich um des Schuldenmachens selbst willen und um
nicht ans der heilsamen Uebung zu kommen; er sieht mit
Recht den Credit, den man ihm gibt, für eine Schuldigkeit
an, und verlangt oder strebt es dahin zu bringen, daß der
Gläubiger sich glücklich schätze und sich für die Gefälligkeit
bedanke, die man hat, ihm die Bürde seines Geldes oder
seiner Waare zu erleichtern; mit der Ausstellung von Schuld-
scheinen nimmt er es nicht pedantisch genau, notirt auch nicht
ängstlich die Zahlungstermine in seinem Kalender, und ver-
spricht die ungeheuersten Prozente, ohne je die geringsten zu
geben; mit edler Keckheit schreitet er in seinem geborgten
Rocke einher und tritt unerschrocken dem Gläubiger unter
die Nase, bietet ihm eine Prise und, sieht er es ihm an, daß
er Miene macht ganz höflich von einem „kleinen Betrage"
zu reden, „den er sich hiermit erlaube in Erinnerung zu
bringen, da er jetzt höchst nöthig sein Geld brauche," so läßt
er ihn gar nicht zu Worte kommen, sondern erkundigt sich
noch höflicher und zuvorkommender nach dem Befinden der
werthen Frau Gemahlin und der lieben, scharmanten Kinder.
Mahnbriefe liest er gar nicht, denn er weiß ja schon, was
darin steht, und sollte ein Gläubiger gar so impertinent
sein, ihm ins Haus zu kommen und in gar zu deutlichem
und unverblümtem Style von seiner Forderung zu sprechen,
so weist er ihm höchst kaltblütig die Thür oder wirft ihn
die Treppe hinunter. Citationen machen ihm keine Sorge,
er legt sic ruhig ad acta, d. h. zu den andern, und stellt
sich in der Regel zu den gerichtlichen Terminen gar nicht
ein. Uebrigens ist er sehr wenig zu Hause zu treffen und
weiß eS sehr Wohl, daß er auf der Straße und an Sonn-
und Festtagen nicht gemahnt werden darf.
Ueberhaupt mit gründlicher Kenntniß aller Gesetze be-
treffend das Schuldenwesen ausgerüstet, erspäht er sogleich
jede Blöße, die sich der Gläubiger gibt, jeden falschen Schritt,
den dieser thut, und weiß ihn zu seinem Vortheil, d. h. zu
dem Zwecke des Nichtwiederbezahlens, zu benutzen.
Und Ihr wollt einen solchen Mann noch gar leichtsinnig
oder böswillig nennen? — Leichtsinnig? Was heißt denn
Leichtsinn? — Leichtsinnig ist nur der, welcher ohne gehörige
Kenntniß oder Ueberlegung der Lage handelt, in welcher er
sich befindet, und die Folgen seiner Handlung nicht bedenkt.
Der echte Schuldenmacher aber kennt ja seine Lage und
weiß ganz bestimmt, daß er nicht wieder zahlen kann oder
will; er kennt und berechnet auch alle Folgen und borgt
doch. Wie könnt Ihr ihn also noch leichtsinnig nennen? —
Er hält es für eine unumstößliche Wahrheit, was Mokiere
irgendwo sagt, da er die Schulden mit den Kindern ver-
gleicht und es diesem praktischen Grundsätze gemäß mit
allem Vorbedacht und mit der strengsten Consegucnz nur
mit dem faire und nie mit dem rendre halten, wäre leicht-
sinnig? — Oder gar böswillig? — Ha, hier habe ich Euch
auf dem rechten Flecke, Ihr Verläumder! Nur einige Augen-
blicke Geduld und ich werde die eigene Böswilligkeit Eurer
abgedroschenen Angriffe und den guten Willen eines echten
SchuldcnmacherS in das glänzendste Licht gesetzt haben.
Denn ich komme nunmehr zu dem relativen Werth,
d. h. zu dem Nutzen des Schuldenmachens, und behaupte,
daß sich dieser Nutzen nicht blos auf den Schuldenmacher
selber, sondern auch auf den Gläubiger und endlich auf die
ganze Welt erstreckt. — Zuerst also, auf den Schuldenmacher.
— Man wird vielleicht glauben, ich setze den Hanptnntzen
für diesen darein, daß er durch die Ausübung seines Berufs
zu Geld oder Waarcn komme; aber Gott behüte! Auf solche
materielle Vortheile will ich hier gar kein Gewicht legen,
sondern hauptsächlich ans den ideellen, geistigen Gewinn,
und da behaupte ich, daß es kein praktischeres Mittel gibt,
alle cdlcrn Seelenkräfte im Menschen zu wecken und zu för-
dern, als eben das Schuldenmachen. Zuerst, cs übt und
stärkt nothwendigerweise die Denkkraft, das Reflexions-
Vermögen, das Combinationstalent ans das unglaublichste.
Welche Menge der verschiedenartigsten Ideen, Pläne, Projekte
müssen sich nicht immerwährend in dem Kopfe eines eifrigen
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Ueber den Werth des Schuldenmachens"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 40.1864, Nr. 970, S. 42
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg