Fliegende Blätter (50.1869 (Nr. 1225-1250))

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Der Schwur der Vergeltung am Hochgericht rc.

2. Kap. Ein großer Moment.

Auf wohlbekannten Wegen schritten die Drei dem verrufe-
nen Mordgrunde, einer Waldschlucht zu, in die nie ein Strahl
der Sonne zu dringen vermocht hatte, und gelangten endlich
in eine große Höhle, in der bereits fünfzig Räuber zechend und
spielend herumlagcn. Forschend umdrängten die Anwesenden
den schwarzen Jonas, um zu erfahren, wer der Angekommene
sei. Hierauf ermahnte sie Jonas zur Ruhe und begann in
feierlich begeistertem Tone also: „Freunde und Brüder! Be-
reitet Euch auf eine frohe Botschaft vor. Das Gestirn ist
uns heute günstig gewesen, es hat uns einen Mann zugeführt,
der würdig und geschickt ist, unser Führer zu werden. Unsere
Feinde werden zittern bei Nennung seines Namens. Entblößt
Eure Häupter und vernehmt den Namen dieses großen Man-
nes! Es ist der furchtbare Banditenhauptmann — Giambo!"
Eine minutenlange Pause erfolgte, während die ganze Bande
mit sichtbarem Erstaunen den Mann anstarrte, dessen große
Thaten schon längst in ihrer Phantasie gelebt hatten. Jetzt
schwindet die momentane Schüchternheit, die Freude, den gro-
ßen Mann in ihrer Mitte zu sehen, bricht hervor und mit
ehrfurchtsvoller Begeisterung liegt die Bande zu den Füßen
Giambos, dessen Auge mit stolzem Vergnügen auf sie herab-
blickte. Mit einem fürchterlichen Eid schwuren Alle ihm Treue
und Unterwürstgkeit bis in den Tod.

3. Kap. In der Mühle.

Leider sollte die Bande nur allzubald Gelegenheit haben,
ihre Ergebenheit gegen Giambo, der sich bereits bei mehr als
77 Mordthateu und Raubanfällen als ihrer würdig gezeigt
hatte, durch die That an den Tag legen zu müsten. Eines
Abends nämlich war Giambo allein auf dem Wege nach dem
Mordgrund, als ihm einfiel, einen Müller in seiner einsam

gelegenen Mühle heimzusuchen, von dem er wußte, daß er
viel Geld und wenig Leute bei sich habe. Bald befand er
sich in der Schlafstube des Müllers, riß ihn aus dem Bett
und hielt ihm den Dolch vor die Brust. „Dein Geld, Du
alter Schuft, oder ich mache Dich kalt!" donnerte er den
Zitternden an. Frau und Kinder des Müllers baten auf
den Knieeu um Schonung, doch vergebens. „Alles Geld
her, ihr Lumpenpack, oder ich schneide Euch die vermaledeiten
Schreihälse ab!" schrie der Wütherich. Da führte ihn der
Müller zu einer großen Truhe, die er schweigend öffnete. Mit
Gier fiel Giambo über das Gold her, das er auf dem Boden
der Truhe blinken sah. Doch wie ein Blitz hatte die unter-
deß hergeschlichene Müllersfrau seine Beine mit kräftiger Hand
erfaßt und ausgehobeu, so daß er jählings in die Truhe
stürzte. Mit einem gewaltigen Krach flog der Deckel in's
Schloß. Fürchterlich rumorte darin der gefangene Räuber,
und sicher hätte er das schwache Schloß des Deckels gesprengt,
hätten nicht die sofortigen umsichtigen Maßnahmen der Müllers-
familie dies zu verhindern gewußt.

4. Kap. Giambo, der Gefangene.

Als am andern Morgen die Nachbarsleute des Müllers
in der Mühle erschienen, waren sie nicht wenig erstaunt über
das, was sich hier ereignet hatte. Geschäftig halfen sie dem
Müller die Kiste vernageln. Auf einen Schubkarren geladen,
wanderte dieselbe unter Begleitung einer wohlbcwaffneten Es-
corte nach der nächsten Stadt. Hier wurde Giambo in festen
Gewahrsam gebracht. Vergebens knirschte er mit den Zähnen,
vergebens versuchte er seine Riesenstärke an dem Eisengittcr,
durch welches nur spärlich das helle Licht des Tages in seine
dumpfe Zelle drang — er blieb Gefangener. Seine Richter