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Fliegende Blätter — 52.1870 (Nr. 1277-1302)

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https://doi.org/10.11588/diglit.4926#0198
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194

Die beiden Wölfe von Eberstein.

wo er Louisen zu treffen überzeugt war, die daselbst die Ober-
aufsicht über das Bedienungspersonal der dortigen Restauration
zu führen hatte.

Eine große Anzahl von Offizieren — größtentheils ehe-
malige Unteroffiziere, die durch die Wahl ihrer Untergebenen
den Offiziersrang erhalten hatten, befand sich liier, um an dem
heißen Morgen sich nebst dem Genuß der herrlichen Natur durch
einen kühlen Trunk zu erquicken. Lebhaft gestiknlirend besprachen sie
inzwischen wieder neu eingetroffene Siegesnachrichten und Einer
derselben machte seinen Gefühlen Luft, indem er einen Trinkspruch
ausbrachte auf die gänzliche Vernichtung des Preußenheeres.

Eben war das jubelnde dreifache Hoch verhallt, als Leopold
I die Terrasse betrat.

Ein Blitz flammte in seinem Antlitz auf, als er Louise,
die das wilde Gebrüll nach frischem Getränke veranlaßt hatte,
i selbst das Verlangte an den Tisch der Offiziere zu bringen, mit
Zornröthe auf den Wangen sich eben der tölpischen Zudring-
lichkeiten eines derselben erwehren sah. Mit einem Sprung
war er an Louisens Seite und stieß den Frechen, der gerade
den Arm um Louisens schlanke Hüfte legen wollte, zurück, daß
er taumelnd zu Boden fiel.

Wüthend raffte sich dieser wieder auf, riß den Säbel aus der
Scheide und drang auf Leopold ein. Aber der junge kraftvolle
Student, an Körpergewandtheit dem durch seine Angetrunkenheit noch
mehr unbeholfenen Gegner weit überlegen, hatte im nämlichen
Augenblick den erhobenen Arm desselben gefaßt und ihn entwaffnet.

Mit vor Zorn bebender Stimme sprach er sodann zu dem
Verblüfften: „Zurück, Herr! Wenn Sie sich durch die Züch-
tigung, die Sie sich durch Ihre gegen diese Dame begangene
Unverschämtheit znzogcn, beleidigt fühlen, so vergessen Sic nicht,
daß Sie Offizier sind! Ich bin bereit, Ihnen jeder Zeit Ge-
nugthuung zu geben!"

„Ich werde Dich finden, elender Federfuchser!" erwiderte
der Andere, indem er schäumend vor Wuth von seinen Kame-
raden weg gebracht wurde, „nimm Dich vor mir in Acht!"

Verächtlich wandte Leopold dem Maulhelden den Rücken
und führte Louise an ihren Platz am Buffet zurück.

Bleich und zitternd vor Aufregung über den eben statt-
gehabten Vorfall reichte ihm Louise die Hand und dankte ihm
herzlich für sein männliches Auftreten, das sie vor der beschämenden
Behandlung seines Waffengefährten bewahrt habe.

Leopold zuckte zusammen; mißtrauisch und verbittert durch
des Oheims Benehmen, hörte er nur den leisen Vorwurf in
Louisens Worten.

„Auch Du, Louise?!" — brauste er auf — „auch Du hast
nur Vorwürfe für mich?!" —

„Vergib, lieber Leopold, ich fühle nur Dank für Dich in
meinem Herzen; Dir Vorwürfe machen zu wollen, bin ich weit
entfernt — Du bist in Bezug auf Dein Thun nur Dir ver-
antwortlich!"

„Nur Dank? — O Louise, so lvillst auch Du Dich von
mir lossagen, ivie Dein Vater?! —Nur Dank und keine Liebe
mehr ivie früher?" — fragte Leopold, indem er Louisen bewegt
und forschend in's Antlitz sah.

Louise erröthete und schlug die Augen nieder.

„O Leopold" — sprach sie dann zögernd, und eine Thräne
glänzte bei diesen Worten in ihrem schönen Auge — „Du weißt
es, daß mein Herz Dir gehört, auch wenn Dein Thun Dich
von mir scheidet!"

Stürmisch ergriff der junge Mann die Hand des geliebten
Mädchens: „Louise, Dir allein ist bekannt, wie nur zwei Dinge,
seit ich Mann geworden, mir Herz und Sinn erfüllten, — die |
Liebe zu Dir und der Drang nach Freiheit und Größe meines '
Vaterlandes! Nur mit meinem Leben wird jene erlöschen —
aber der Erreichung dieses hohen Zieles gehört mein ganzes
Sein, all' mein Denken, Schaffen und Streben! — Dürfte ich nun,
da unser Volk aus seiner langen Lethargie zu erwachen anfängt,
feige zurück bleiben? Konnte ich diesem Drange in meiner Brust
widerstreben? — Nein, meine Louise, Du selbst— vor der mein
Inneres schon seit Jahren klar und offen dalicgt — hättest
mich verachten müssen, hätte ich nur die Früchte genießen und
nicht um ihre Erreichung mitkämpfen wollen! — Die Sache,
der ich meine Kräfte weihe, ist die edelste und höchste; vertraue
deßhalb mit mir der Gerechtigkeit des Schicksals, das ihr sicher
den Sieg verleihen wird!"

Louise schüttelte trübe lächelnd das Köpfchen: „Du dienst |
einer verlorenen Sache, mein Leopold; gedenke der Worte unseres ■
großen Dichters:

Wenn sich die Völker selbst befrei'»,

Da kann die Wohlfahrt nicht gedcih'n! —

Leopold, — blicke um Dich — auf Deine Mitkämpfer! j
— Welcher Art, glaubst Du wohl, wird die Freiheit sein, die i
Du der Welt mit diesen Streitern erkämpfen willst? — Wird
sie wohl dem Ideale gleichen, wie Du es in der kühnen Phan-
tasie trägst? Nein, mein Geliebter, diese wilden Gestalten,
die nur zu gewinnen, Nichts zu verlieren haben, sind nicht im
Stande, die Wohlfahrt zu befördern; die Freiheit, die sic schaffen j
können, gleicht nicht dem hehren Bilde, das in Deiner Brust
lebt: — Nur Gesetzlosigkeit und Anarchie folgt ihren Tritten —
und diese kann wohl eine Zeit lang die Oberhand behaupten
in Deutschland, nie aber vollständig Sieger werden über des
Volkes gesunden und geraden Sinn! — deßhalb, mein Leopold,
dienst Du einer verlorenen Sache und — uns scheidet sie!"

Ernst und belvegt blickte der junge Mann in das still !
weinende Antlitz des lieblichen Mädchens:

„Weßhalb verzagst Du so, geliebtes Herz? - Sieh', ich
kann's nicht denken, daß dieses gewaltige Rütteln an den Ketten,
in die des deutschen Volkes Geist und beste Kraft gelegt wurde,
dieselben nicht zerbrechen sollte! — Die jetzige Erhebung gleicht
nicht mehr der des vorigen Jahres; nicht eine Parthei nur ist
cs, die die Waffen ergriff — nein, das Volk selbst steht da und
fordert, was es so lang vergeblich erbeten hatte — Freiheit
und Recht! — Diese beiden Namen sind cs, welche die Revolution
erzeugten; weiter und weiter wird sic um sich greifen über ganz j
Europa, bis die Völker alle frei sind, bis die Herrscher alle" —
„Um Gottes Willen" — unterbrach ihn Louise, denn
eben erscholl dumpf vom gegenüber liegenden Berge her ein
Kanonenschuß, jetzt wieder einer und noch einer — und don-
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