Fliegende Blätter (55.1871 (Nr. 1355-1380))

Tic Flechten.

Den Ring für einen Flechtenkopf!

Heda, ihr Dirnen, blond und braun —
Den Goldring für den schönsten Zopf!
Will Keine ihn am Finger schau'n?

Der deutschen Jungfrau höchste Pracht,
Soll ich sie nimmer Wiedersehen?

Will Keine in der lieben Tracht
Selbst einen Kirchweihtag mehr gch'n?

Wo bist du, Zeit, da Mutterhand
Mit Stolz die dunkeln Strähnen flocht?
Da um ein blaues Flechtenband
Des Mädchens Herz hoch aufgepocht?

Wo bist du, Zeit, da sich zu Tod
Die Jungfrau härmte um ihr Haar,

Das selbst der Werknerin um's Brod
In Kümmernissen feil nicht war?

Ein Doppelbach des Zaubers quoll
Da noch vom Scheitel jeder Dirn';

Der Gatte küßte andachtvoll
Des Heikes Zopf nach Mund und Stirn.
Selbst der Matrone noch an's Knie
Das silberne Gewind' sich schloß —

Wo bist du, Zeit, da Poesie
Ein schlichtes Flechtenpaar durchfloß?

Frag' deine Ahne, frische Maid,

Wovon im Ofenstuhl sie träumt:

Ihr größter Schmerz ist, daß die Zeit
Auf ihrem Haupte aufgeräumt!

Und frag' die Mutter, ros'ge Braut,

Ob nicht dereinst ihr Flechtenhaar,

Die Flechten.

Zur stolzen Krone aufgebaut,

Ihr mehr als selbst der Brautkranz war!

Zur blätterlosen Palme ward

Des Weibes Haupt seit jener Zeit —

O, zeig' dich, alte deutsche Art!

wachsen, wachsen, junge Maid!

Nun häuf st du Gürten dir um's Haupt —

Lass' ab, lass' ab vom Maskenspiel:

Halb wird an Weibesreiz geglaubt,

Seit seine schönste Hälfte fiel!

Liebreizend Bild der alten Zeit,

Kehr' wieder ein zu Hof und Haus
In Sammethäubchen, zücht'gem Kleid;

Dein einz'ger Schmuck der Busenstrauß!

Wie Simson's Kraft, blüht deine Macht
Zurück mit jenem Wallehaar,

Das einst zu bcss'rer Sitt' und Tracht
Die holde Zauberfessel war.

Den Ring für einen Flechtenkopf!

Heda, ihr Dirnen, blond und braun —

Ten Goldring für den schönsten Zopf!

Will Keine ihn am Finger schau'n?

Der deutschen Jungfrau höchste Pracht,

Soll ich sie nimmer wiederseh'n?

Will Keine in der lieben Tracht
Selbst einen Kirchweihtag mehr geh'n?

Tj. Jirimutlj.

Eine Verwechselung.

Die Hühner der Bäuerin Ncumeier waren recht krank, sic
ließen alle die Köpfe hängen, keines derselben wollte saufen
und fressen und mit dem Eierlegen war's auch aus. In dieser
ihrer Bedrängniß schickt sic zu dem Hirten des Dorfes, zu ihm,
der schon Vielen in solchen Nöthen geholfen hatte, zu.ihm, der
im Gerüche stand, daß er geheime, ganz absonderliche Kennt-
nisse besitze und laßt ihn bitten, seine Kunst an den kranken
Hühnern zu probiren. Der Hirte kommt, besieht sich die Hühner,
macht ein bedenkliches Gesicht und schüttelt den Kopf. Doch
plötzlich blickt er zum Himmel empor und wie von einer höheren
Macht iuspirirt, erhebt er seine Hände, breitet solche über die
Hühner aus, geht im Kreis um dieselben herum und murmelt
einige der Bäuerin unverständliche Worte dazu. Nach diesem
Akt sagt er zu ihr: „Ein gewöhnliches Mittel hätte diesen
kranken Hühnern nichts genützt, die scheinen mir verhext zu sein,
ich Hab' ihnen deßhalb den Hühncrscgcn gegeben, bis morgen
Früh werdet Ihr sehen, hat derselbe seine Wirkung gethan.'
Am nächsten Morgen werden die Hühner wie gewöhnlich aus
ihrem Stalle gelassen, allein dieselben sind noch kränker als
am vorherigen Tag und cs dauert nicht lange, so fängt eines
um das andere an hin und her zu wanken, eines und das
andere purzelt zusammen, und nach einer Viertelstunde sind die