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Fliegende Blätter — 58.1873 (Nr. 1433-1458)

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Nr. 1438
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https://doi.org/10.11588/diglit.4933#0050
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Gertrud im r

„Verräther!" donnert der Graf ihn an,

„So treff' ich Dich endlich im Grünen!

Nun sollst Du, was Du mir angethan,

Mit Deinem Blute sühnen!"

Schon kreuzen die Schwerter sich Schlag auf Schlag
In bräutlich wildem Umschlingen —

— Da zuckt's wie Flammen von Stahl zu Stahl
Und zu Boden klirren die Klingen.

Und sie starren fragend einander an,

Und sie starren fragend zur Seite.

Da grüßet ein Zwerg sie in wehendem Bart,

Und faltig flatterndem Kleide.

„Ich bin des Waldes mächtiger Hort, —

Der Schluchten und Felsengesteine;

Die Elfen und Nixen sind mein Troß; —

Ich schütze den Frieden der Haine!

Denn Frieden athmet die weite Natur,

Sie ist die ewig Gute,

Die große Mutter, die Alles hegt.

Der Mensch nur dürstet nach Blute!

Ihr liebt die Gertrud im rothen Schloß,

Die Blonde, Blühende, Holde

Mit dem blauen, berückenden Augenpaar,

Und den Locken von flüssigem Golde!

Weh' Eurem duftigen Liebestraum!

Weh' diesem blinden Geschlechte!

Hat Einer ein Recht auf des Mädchens Gunst?

Beweis't mir Eure Rechte!"

„Erhab'ner Geist", rief laut der Graf,

„Mein ist sie im Sterben und Leben!

Sie hat mir manchen beglückenden Kuß
Und wohl noch mehr gegeben!

Ich fragte sie: Gertrud, liebst Du mich?

Du Holde, die ich wähle?

Da sprach sie sanft: Dein ist mein Herz,

Mein Herz und meine Seele."

„Das lügt er", rief Jung Friede! wild,

Mir hat sie Treue geschworen, —

Und rede ich falsch, bei den Wunden des Herrn!

So sei meine Seele verloren!

othen Schloß.

Sie ließ, wie oft! mich zu sich ein.

Das war ein Küssen und Kosen!

Und selig im flimmernden Mondcnschein
Genoß ich die schönste der Rosen!"

Da lachte das Männlein und strich sich den Bart:
„Wohlan, ich glaube Euch Beiden!

Ihr braucht einander um Liebesglück
Wahrhaftig nicht zu beneiden!

Was seht Ihr so grimmig einander an?

Es hat ja Keiner gelogen!

Und hat sie Euch Beide an's Herz gedrückt.

So hat sich Euch Beide betrogen.

D'rum laßt die Dirne — und laßt das Schwert,

Ihr würdet cs nur entweihen:

Denn ein falsches Mädchen ist niemals werth,

Daß sich Männer darüber entzweien!"

Ein Blitz, ein Wettern, der Kleine verschwand.

Und leise rauschten die Tannen;

Da reichte Jung Friede! dem Grafen die Hand
Und sie gingen fröhlich von dannen.

Der Graf sprach: „Morgen versprach ich ihr
Durch's Bogenfenster zu steigen; —

Bei meinem guten klirrenden Schwert,

Ich will's ihr besser zeigen!"

Jung Friedel sprach: „Sie bestellte mich
In den Garten unter die Reben;

Doch wartet sie bis Jung Friedel kommt,

Dann bleibt sie lang am Leben!"

Und sie tranken im Saale den funkelnden Wein,

Das neue Bündnis; zu weihen;

Denn ein falsches Mädchen ist niemals werth.

Daß sich Männer darüber entzweien.

D'rum, wenn Euch gleiches je geschicht,

Ihr Jungen und ihr Alten!

Wenn Zwei zugleich ein Weib betrügt,

Um Beide fest zu halten:

Was soll der eifersüchtige Haß
Und das feindliche Schwertcrblitzen?

Macht's wie Jung Friedel und der Graf,

Und — laßt die Dirne sitzen! —

E. Eckstein.
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