Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
27

Geschriebene Bilder.

O Sonnenschein, wie voll und rein
Beglückst Du Kinderherzen,
Und Kinderluchen, Sonnenglanz
Zerstreuet alle Schmerzen!
Der kahlgewordcnc Prinz kicherte leise vor sich hin; es
war, als ob er endlich einmal einen Eindruck bekommen habe
von einer Lektüre, und er legte an die Buchstelle einen präch-
tigen Buchzeiger mit flatternden Bändern, faltete dann wieder
die Hände über dem Bauche, ließ das Kinn herabsinken, und
dachte an gar nichts.
7. Die Nniier.
(Studienkopf.)
Der Sohn kommt heim von der Wanderschaft. Als
fröhlicher Jüngling ist er hinausgezogen in die Welt, der
Sommerwind lüftete ihm die langen braunen Locken über
dem Ränzel, wie er an der Hügclwendung verschwand und der
Blick der Mutter war ihm von der Hüttenthür aus gefolgt,
verschleiert von ohnmächtigen Thränen, diesem letzten, stummen,
inbrünstigsten Gebete der geängftigten Liebe.
Und sie war allein geblieben in der Hütte, wo einst ihr
Mann gewaltet, und wo ihr Sohn als Kind gespielt hatte.
Wie still und wie trostlos einsam war jetzt diese Hütte, so still,
daß die verlassene Mutter ihre eigenen Gedanken laut werden
hörte und furchtsam ihr Haupt zwischen den Händen barg vor
diesen schrecklichen drohenden Gedanken, manchen langen sturm-
heulenden Herbstabend hindurch. Wie fürchtete sie den Sturm und
das grollende Gewitter — für ihn! — Und nichts ist bitterer,
als solche Furcht und solche Sehnsucht allein tragen zu müssen.
Aber allein zu bleiben ist ja das Loos der Mütter.
Jetzt kam er endlich wieder, nach Jahren. An einem
trüben Märzabende kam er, wo der nasse Thauwind die blatt-
losen Gebüsche vor dem Fenster hin und her zauste und dünner
eisiger Regen durch die dunkle Luft schnitt. Er kam im Dunkeln,
denn er kam zerlumpt und zerrissen und kothbedeckt und verfolgt.
Seine Wangen waren hohl, sein Haar war wüst, in seinen
Augen brannte das Feuer der Verzweiflung und) der Krankheit,
und er schaute scheu um sich, wie er die Thüre verschlossen hatte.
Er war verführt worden von der Freundschaft, verrathen
von der Liebe und geplündert von der ganzen Welt. In Noth
und Elend war er bis zum Fehltritt herabgesuuken, und wurde
verfolgt. So kam er an.
Und die Mutter sprach: „O mein Kind! Wie Du frierst,
hier ist Feuer. Meinen Spinnrocken will ich zerbrechen, um
Dich zu wärmen. Und hier ist Speise und Trank. Meinen
Trauring will ich verkaufen, um Dich zu sättigen. Du nennst
Dich schuldig? Aber Gott hat Dir vergeben, ich weiß es; eine
Mutter weiß Alles über ihr Kind. Hier ist Dein Platz, wo
Dein Vater saß, und der jetzt Dir gehört. Leg' Dein müdes
Haupt an meine Brust. Wie blaß Du bist und wie Du frierst!
Sei ruhig, ich bin bei Dir und ich liebe Dich."

Und wieder zog er aus der Sohn, und blieb in der Welt,
lange, lange. Und wieder kam er dann zurück, an einem
schönen Sommermorgen, als der Thau nach auf den Feldern
lag. Er kam in einer reichen Kutsche, ein Diener öffnete
ihm den Schlag, er selber war angethan mit eleganten Kleidern,
sein Haar war parfümirt, seine Wangen waren voll, und seine
Rede war frisch und tönend.
Er erzählte, daß er da vorbcikomme auf seiner Reise nach
dem stolzesten Ziele. Daß es ihm wohlergche, daß ihm Alles glücke,
daß er schon viel Geld und Gut gesammelt habe, daß er noch
immer mehr sammle, und daß er geliebt werde von einer lieb-
lichen und stolzen Schönheit. Und er wolle auch seiner Mutter
gedenken, wenn er seinen eigenen Heerd habe.
Und die Mutter faltete die Hände und sprach strahlend:
„Ich lobe den Herrn! Er segne Dich fürderhin auf allen
Deinen Wegen! Und er segne Dich dafür, daß Du an mich
denken willst. Nur raste jetzt ein Stündchen bei mir, nur so
lange Du müde bist. Laß Dir meinen armen Imbiß gefallen.
Hier ist Dein Platz. Mein Kind, o mein Kind, hier denke
ich Dein Tag für Tag, denn ich habe ja Niemanden mehr auf
der ganzen weiten Welt als Dich und lebe ja nur mehr in
Dir. O raste bei mir ein Stündchen, nur so lange Du müde !
bist — nur so lauge, bis ich Dich angeschaut habe. Ich lobe
den Herrn, daß Du glücklich bist, wie wohl siehst Du aus..."
Und Freudenthrünen erstickten ihre Stimme.
Und wieder geht der Sohn und die Mutter bleibt allein.
In fernen Landen findet er sein Glück, seinen Ruhm, seinen
Heerd; in Freuden und Ehren vergeht sein lautes, geräuschvolles
Leben. Wie mag er da denken an die ferne, einsame Hütte?
Dort sitzt die Mutter Jahr um Jahr, und harret sein.
Und ihr Haar wird weiß und die Einsamkeit um sie wird
banger und todtenstiller. O wie sehnt sie sich darnach, daß er
komme oder sie rufe. Aber keine Klage kommt über ihre Lippen
und kein Vorwurf, daß er die langen Leidensnächte, die sie an
seinem Kindeslager durchwacht, vergessen habe, mischt sich in ihr
Segensgebet für ihn. „Hier warte ich Dein. . ." denkt sie,
und die Thränen aus ihren halbblinden Augen netzen ihre
Arbeit. „Hier ist Dein Sitz. Ach, vielleicht hast Du mich nicht
ganz vergessen; Du bist ja das Einzige, was ich habe auf der
ganzen weiten Welt. Nie verzehre ich meinen Imbiß ganz ^
und nie verbrauche ich ganz das Reisig, welches ich sammle.
Denn ich harre Dein. . ."
Wahlspruch.
Ein rechtes Wort zur rechten Zeit
Bringt Manchem großes Herzeleid,
Ein wahres Wort zu seiner Zeit
Kehrt Manches um zu Aller Freud,
Ein freies Wort zu jeder Zeit —
Das sei mein Wahlspruch allezeit.

4*
Bildbeschreibung
Für diese Seite sind hier keine Informationen vorhanden.

Spalte temporär ausblenden
 
Annotationen