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Geschriebe
und einen frischen, ein wenig hervorstehcnden Mund; ihr
semmelblondes Haar ist stramm nach dem Hinterkopfe gekämmt,
wo es von einer kleinen weißen Haube zusammengehalten wird.
Ein blühweißer Kragen bedeckt ihre Achseln, und die blühweißen
Aermel sind von den frischrosigen festen Armen zurückgeschlagen.
Sie klappert bei jedem Schritte, den sie macht, denn sie trägt
hohe Stöckelschuhe, die nicht festgebunden sind.
Es ist ein Heller Angustnachmittag. Die Sonne glänzt
in breiten, behäbigen Strahlen zum großen Bogenfenster herein
und zur offenen Thüre, die in den Korridor führt. Der Herr
des Hauses, AFnllssr Vasrbreslesn, der Stadtschrciber, war im
Amte, die Magd war in's Gärtchen vor dem Stadtthore ge-
gangen, um Gemüse zu holen, Und Barbara, die frische, rührige,
lustige Tochter des Hauses, scheuerte was Platz hielt, und sang
dabei mit dünner, scharfer Stimme ein Liedchen. Nichts war
ihr lieber, als so scheuern und hantiren zu können im ganzen
Hause, an so Hellen, schlummerfüllen Augustnachmittagen. Die
Fliegen surrten in Massen am offenen Fenstersimse, wo ein
l Töpfchen Honig stand, und manchmal hörte man vom Nachbar
Geflügelhändler ein Hahngekräh durch die sonnige Siestalust
hcrübertöncn; das war das einzige Laute hier außer dem
Klatschen des nassen Schenerfetzens »nd dem Liedlein ,,vsn
Ooranjeu" der Barbara.
Da verdunkelt sich der Lichtstreifen, welcher von der Thüre
aus quer über die Backsteine des Fußbodens fällt, und die
Sonnenstäubchen in demselben verlöschen mit einem Schlage,
wie Infusorien in einem Wasserköpfen im Nu dahin sind,
sobald derselbe trocknet.
Barbara schaut auf, hochathmend vor Anstrengung, denn
! der letzte Kessel ist soeben tadellos blank geworden, daß sie in
demselben ihr eigenes erhitztes Gesichtchcn als pausbäckige in die
Breite gezogene Karrikatur deutlich erblickt hat.
Sie schaut auf, und sieht den Miethsmann ihres Hauses,
den jungen Maler van Uoillinx. Der steht da in seinem grauen
Hauswammse, mit den grauen Pluderhosen, den großen grünen
Strumpfmaschen und Schuhrosetten, mit seiner keck aufgestülpten
Federmütze über den weichen goldblonden Locken; sein jugend-
liches Gesicht war so rosenroth wie eine Pfirsichblüthe, und es
gab nichts Keckeres auf der Welt, als sein feingekräuseltes
Bärtchen über den Lippen und am Kinn. „He, Jungfer Bar-
> bara, seid Ihr noch nicht fertig mit dem Sonnabend-Scheuern?
Sonst verpaffen wir die beste Sonne, und Ihr wißt, was Ihr
mir versprochen habt!" —
„Ach, ja so! Nun, fertig bin ich!" sagte Barbara,
wirft noch einen prüfenden Blick um sich, und stemmt dann
tief aufathmend die Hände in die Seite, während sie zu-
gleich den geschürzten Rock wieder über die Knöchel hinabfallen
läßt. „So geht denn immerhin in Eure Stube zurück, und
richtet Alles her, in zwei Minuten bin ich fertig."
„Wie lange werden diese zwei Minuten dauern?", fragt
er lustig.
„Wenn Ihr noch einmal fragt, werden sie nicht kürzer!"
war ihre lachende, schnippische Antwort.
„Und vergeht Eure goldene Kette nicht. . ."

ne Bilder. 35
„Ach nein, weiß ja, der ganze Sonntagsstaat muß dabei
sein!" —
Und Barbara steigt in ihr Kämmerchen hinauf, und kramt
dort umher, und klappert mit den Schuhen, und ist richtig
binnen einer halben Stunde fix und fertig, und tritt in die
Stube des Malers, der vor Ungeduld bereits drei Löcher ge-
schlagen hat, in einen gipsernen Jmperatorkopf.
O, wie schmuck sie aussieht in ihrem Putze, und wie steif
sic dafitzt, wie die farbenbunte Thonfigur eines harlemer Kachel-
ofens! Sie trägt ein dickfaltiges Kleid von feuerrothem Stoffe,
den Saum zierlich mit Goldstickerei verbrämt. Den Leib hat
sie in das engste Mieder van der Welt gepreßt, welches vorne
und hinten so platt ist wie ein Brett. Um den Hals und aus
den Aermelrissen quillen feine, bauschige, Schneeballartige Linnen-
wülste hervor. Um den Hals ringelt sich die dreifache Kette,
die ihr vorne bis an den Unterleib reicht, wo sie einem großen,
mit Carncol besetzten Kreuze als Träger dient. Ueber das stramm
znrückgckämmte gelbe Haar ist ein Netz aus feinem Golddraht
gezogen, und darüber sitzt ein breiter rother Hut mit weißen
dickgekrausten Federn.
So sitzt sie denn da in der freundlichen Stube des Malers,
wo grüne Lindenäste voll jubelirender Vöglein zum offenen
Fenster hereinnickcn. So sitzt sie da, steif und regungslos, nur
manchmal mit der Hand eine Fliege von der Nase scheuchend
oder aufkichernd über einen Scherz des Malers.
Der malt eifrig und fleißig, tritt bald zurück von der
Staffelei und neigt den Kopf zur Seite wie eine Bachstelze,
bald steckt er wieder die Nase so dicht an die Leinwand, daß
die Jungfer Barbara meint, er müsse sic voll Farbe wieder
zurückziehen. Dabei dampft er ans einer kurzen thönernen Pfeife
wie närrisch.
Und beim Malen sieht er erst so recht, wie schön die
Barbara sei; so ein Mündchen! Und diese stramme Gestalt!
Und die roscnfarbenen Wänglein! Wenn er sie doch malen
könnte sein ganzes Leben hindurch, als Venus und als Maria
und als Lot's Tochter und als Eva! Und wie gut sie das
Honigbier braute, und wie streng sie an den Scheuertagen festhielt,
und wie gutmüthig und einfachen Sinnes sie dabei war! Und
er malt und malt, und malt sich die Barbara nicht nur ans
die Leinwand, an diesen schönen, Hellen Augusttagen in Linden-
rauschen und Vogelfang, sondern auch in's eigene Herz
hinein. Und die heilige Barbara sitzt und sitzt, und vertreibt
sich die Fliegen, und kichert manchmal auf, und folgt dann mit
den Augen den Ringelwolken der Tabakpfeife, wie sie sich in
die blaue Sommerluft hinauf verlieren, und schläft endlich ein
— tief und fest.
Nach acht Wochen wurde die Verlobung des jungen Malers
gefeiert mit der Jungfrau Barbara Vasriireoiceu, und zwar gerade
an demselben Tage, wo ihr Bildniß in der kleinen harlemer
Pfarrkirche enthüllt wurde.
Auf demselben saß die heilige Barbara wie sie leibte und
lebte, und so sitzt sie heute noch: in dem rothen Tuchkleide mit
den dicken Falten und der Goldvcrbrämung, mit dem plattebenen
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