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Große Hände.

Aber wer kann seine Hände immer und immer in den
Taschen tragen?
Die Hände müssen ja endlich doch einmal heraus, beson-
ders wenn man, wie Schwalbinger, bestimmt ist, mit ihnen zu
„hantiren!" —
Die Sache ward nur schlimmer. Hatte man früher, als
er die Hände in den Taschen trug, Wohlgefallen an dem jungen
Mann gefunden, so war man um so frappirter, wenn diese
Hände zum Vorschein kamen.
Die Menschen sind einmal so. Eine Kleinigkeit stört sie
an einem Menschen, und der günstigste Eindruck wird durch
eine solche Kleinigkeit total verwischt.
Kannte ich doch ein wahrhaft reizendes Mädchen, in das
sich nicht zu verlieben eine wahre Kunst war! In dem
Augenblicke aber, als sie den Mund öffnete und mit -einer tiefen
Männerstimme zu sprechen anfing, da war es, als wären die
Männerherzen wie mit kaltem Wasser begossen, und das arme,
wunderhübsche, vortreffliche Mädchen blieb — ich glaube bis
zum heutigen Tage — fitzen, blos weil ihre Stimme nicht zu
ihrer Schönheit und ihrem Geschlecht paßte! . . .
Unser armer Schwalbinger mußte darum ebenfalls wegen
der „Kleinigkeit" seiner — riesigen Hände viel leiden.
Er war nach vollendeten Realstudien in die Residenz ge-
kommen, um eine Anstellung zu suchen.
Das Bewußtsein seines „Unglücks", die Erfahrung, daß
seine Hände, wo er immer hinkam, Erstaunen, Lächeln und
nndelikate Späße hervorriefen, hatten ihn schüchtern, verlegen,
ungeschickt im Benehmen gemacht, und man weiß, daß diese
Eigenschaften gerade nicht diejenigen sind, mit denen man
heutzutage sein Glück^macht!


Armer junger Mann!
Die Recommandationsbriefe waren alle abgegeben, die
Hoffnungen schwanden in der großen wildfremden Stadt von

Tag zu Tag, und, was noch weit empfindlicher war, der
Zehrpfennig auch, den ihm eine alte Tante mitgegeben.
Verdammte Situation! grollte Schwalbinger, der im Opern-
Kaffeehause beim Frühstücke saß und über sein Geschick nach-
dachte, wobei er seine Hand zu einer so furchtbaren Faust
geballt auf dem Tische liegen hatte, daß der Marqucur, der
ihm eben mit gewohnter Nonchalance eine Zeitung wegnehmen
wollte, die Schwalbinger eben erst für sich hinlegte, entsetzt
drei Schritte zurückwich.
„Jeder Mensch hat das Glück in seiner Hand!" mono-
logisirte Schwalbinger, starr vor sich hinblickend. „Unsinn!
Wenn Einer die Hand hat, ein großes Glück zu erlangen, so ^
bin ich es!" und er lächelte bitter, indem er seine Hand
betrachtete.
Jndeß ereignete sich etwas nicht weit von ihm an einem
anderen Tische, was bald seine Aufmerksamkeit erregte.
Dort saß ein Mensch, dessen confiscirtes Gesicht ihm
schon seit einiger Zeit im Kaffeehause auffiel. Der Umstand!
aber, daß sich keiner der anständigen Stammgäste mit jenem
Menschen in Berührung einließ, vcranlaßte Schwalbinger, ihn
nicht weiter zu beachten.
Wie sehr war nun Schwalbinger erstaunt, als der !
Hofopernsänger T., von welchem Schwalbinger wußte, daß er
zu den hochmüthigsten aller Künstler gehöre, jetzt eintrat, und !
beim Anblicke des Menschen mit dem confiscirten Gesichte wie !
von der Sonne des Entzückens bestrahlt schien, mit schier unter- ^
würfiger Liebenswürdigkeit auf ihn zueilte und ihm brüderlich !
herzlich die Hand schüttelte, kurz so that, als ob dieser, gerade
dieser Mensch der einzige auf der Welt wäre, vor dem T.
Respekt habe, und dessen Gunst ihm unschätzbar wäre!
„Kurios!" dachte Schwalbinger, dem erst den Tag zuvor ein
Freund die Anekdote erzählt hatte, daß T. eine Einladung zu Soirsen
eines Hofraths mit den Worten refüsirt habe: „Ich bin wohl!
Hofsünger, aber nicht — Hofrathsünger!" -
„Wer muß denn nur der Mensch mit dem confiscirten!
Gesichte sein?" grübelte Schwalbinger, „entweder eine bedeutende
Capacität, oder ein Mann von hochwichtiger Stellung!"
Als er den Marqueur nach dem Herrn befragte, erhielt!
er ein schwer zu deutendes Achselzucken zur Antwort.
„Jedenfalls ist der Mensch mehr als er gleich sieht!"
fuhr Schwalbinger in seinem stillen Calcül fort. „Wer weiß, !
ob es nicht gut wäre, mit dem Manne bekannt zu werden?!"
Man sieht, so sehr Schwalbinger durch das Uebcrgewicht
seiner Hände aus der Balance zu kommen pflegte, so war er I
doch nicht dumm.
Kaum hatte A. sich von dem Unbekannten getrennt, der!
bei aller Zuvorkommenheit die Freundschafts-Ausdrücke des
Scheidenden mit einer gewissen Gönnermiene erwiderte, so
ergriff Schwalbinger auch schon die nächste Gelegenheit, sich
dem Unbekannten zu nähern.
Er fand in demselben einen ziemlich einfachen Menschen, i!
der sich, man konnte wohl sagen, nicht besonders gewühlt auszu-
drücken verstand, mit dem sich aber immer leichter sprechen ließ,
als Schwalbinger erwartet hatte.
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Große Hände"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Alle Rechte vorbehalten - Freier Zugang
Creditline
Fliegende Blätter, 59.1873, Nr. 1464, S. 42
 
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