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Bald war der Unbekannte von Schwalbingers Schicksalen
unterrichtet und unterließ es der Fremde nicht, unserem Helden
den üblichen Trost von „Geduld, und dem Baume, der nicht
auf ein Mal gefällt wird" zu spenden.
Zum ersten Male in seinen: Leben fühlte sich Schwalbinger,
er wußte selber nicht, wie es kam, veranlaßt, der direkten und
Unrechten Ursache seines Mißgeschickes, seiner riesigen Hände
nämlich, mit Humor zu erwähnen, indem er bemerkte: sie wären,
um bei jeder günstigen Gelegenheit zuzugreifen, groß
genug! —
Kaum aber war der Unbekannte dieser Hände, welche
Schwalbinger bisher auf dem Rücken gehalten hatte, und die
er nun vorstreckte, ansichtig geworden, als über sein meist
Melancholisches Gesicht der Ausdruck freudiger Ueberraschung zu
fliegen schien.
Schwalbinger entging das nicht, und der Fremde erschien
ihm immer räthselhafter.
„Hoffentlich nehmen Sie sich die allerdings sehr unver-
hältnißmäßige Größe Ihrer Hände nicht im Ernste zu Herzen!"
sagte der Fremde nicht ohne ein zweifelhaftes Lächeln, das eben
so auf Wohlwollen, wie auf Bosheit gedeutet werden konnte.
„Doch, doch!" erwiderte Schwalbinger mit einem auf-
richtigen Seufzer.
„Wer weiß, zu was Ihre Hände gut sind!" bemerkte der
Fremde mit einem Anfluge gutmüthigen Humors. „Auf jeden
Fall lassen Sic sich durch Ihr bisheriges Mißgeschick nicht
trübsinnig machen. Zerstreuen Sie sich, besuchen Sie fleißig
das Theater. . ."
„Ja, wenn ich das Geld dazu hätte!"
„Ei, es wird mir ein Vergnügen sein, Ihnen täglich einen
von meinen zwei Sperrsitzen im Opernhaus abzutreten."
„O mein Herr, Sie sind so gütig ... ich wage es nicht..."
„Bitte. Nicht der Rede werth! Gerade heute ist eine
interessante Vorstellung. Ein reizendes Mädchen, bisher dem
Oorxs än Lallst angehörig, wird heute zum ersten Male
Solo tanzen."
„Ach, ich verstehe vom Ballet gar nichts!"
„Macht nichts. Müßten ein Barbar sein, wenn Sie von
dem Solo dieser kleinen Elfe nicht hingerissen sein sollten! . . .
War gestern bei der Probe . . . Wahrhaft Sensation erregt! . . .
Ist eine zweite Elßler! . . . Prophczcihe große Zukunft. . .
Besonders diese Attitüde..."
Hierbei stand der Unbekannte auf, stellte sich ans ein Bein,
hob das andere hoch empor, legte die Hände in bekannte Bal-
lerinen-Krümmungcn, und verzog den Mund zu einem grinsen-
den Lächeln.
„O! ich sage Ihnen. . . wenn man das sieht... ist
der Glanzpunkt des Solo's . . so muß das Haus er-
schüttert werden von Beifall!"
„Darf man im Hoftheatcr applaudircn?"
„Natürlich! Es wird ini Hoftheater geklatscht, daß es eine
Freude ist!. . ."
„Ich hätte das Zusammenschlagen der Hände für unan-
ständig im Hoftheater gehalten!. . ."

Hände. 43
„Ha, ha! Klatschen Sie nur nach Herzenslust, und nach
Kräften.... Mache Sie aber aufmerksam..."
Hier neigte sich der Unbekannte unserem Schwalbinger
an's Ohr, und sagte ihm das Folgende leise:
„Wird heute vielleicht Opposition geben! . . Die beiden !
ersten Tänzerinnen sehen's natürlich nicht gerne, daß da eine ^
Rivalin wachse. . . wird nichts helfen! Die bestellten Gegner
— wenn sic Courage kriegen sollten! — werden zu Paaren
getrieben werden! . . . Die echte Kunst — Gott sei Dank! —
siegt heutzutage immer! . . . Ach, wie das gute Mädchen heute
beben wird! . . . Hängt ihre Zukunft vom heutigen Abend ab, >
und die Zukunft ihrer armen Eltern!. . Ist eine gute Tochter,
das liebe Kind! ..."
Dabei hatte der brave Unbekannte unserem Schwalbinger !
die Sperrsitzkarte in die Hand gedrückt, und sich hierauf ent- !
fernt. —
Neidische Rivalinnen, eine sich entfaltende Knnstrose, ein
kindlich-treues Müdchenherz ü . . .
Das ging unserem guten Schwalbinger im Kopfe herum.
Sie soll an mir einen Freund haben! schwor er sich zu, ^
und er war der Mann, der Wort hielt, auch wenn er es nur
sich selber gab.
Am Abend saß unser Held in einem Parterre-Fauteuil
des Hoftheaters.
Seine Hände steckten in Glacehandschuhen, weiße Man- !
scheiten, die etwas unvorschriftsmäßig weit aus den Rockürmeln ^
hervorragtcn, bedeckten fast zur Hülste die Hände, wodurch diese
den Nachbarn Schwalbingers nicht so auffielen, als es sonst der
Fall gewesen wäre.
Der Zufall hatte ihm heute zu diesem Mittel verholst»,
den fatalen Eindruck seiner Hände zu moderiren.
Ein Hemd aus dem Nachlasse seines Vaters, der um einen -
Kopf größer als er war, und das er wegen Versäumnis: seiner ^
Wäscherin anziehen mußte, zeigte ihm den Vortheil, der ihm >
daraus erwuchs, und er beschloß, von nun an nur Hemden von
diesem Kaliber zu tragen.
Schwalbinger ward durch diese Entdeckung ganz glücklich. ^
Sein natürlicher Humor streckte nach und nach seine Fühlhörner
heraus, und bald war er in anregender Conversation mit seinen ^
Sitznachbarn.
Aber der Unbekannte saß nicht neben ihm, wie er erwar-
tet hatte.
' Erst nach einer Weile bemerkte er ihn in einer Loge.
„Jedenfalls ein vornehmer Herr!" sagte Schwalbinger zu
sich selbst, und fühlte sich nicht wenig geschmeichelt, als ihm !
Jener von der Loge aus vertraulich zulächclte.
(Schluß folgt.)

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