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Große
unruhigen Schlafe erwachte, fielen ihm die Worte des gutmüthigcn
Beamten ein: Na, wird sich schon etwas finden!
„Wenn ich nur wenigstens etwas fände," murmelte er er-
grimmt, „das ich mit meinen unglückseligen Händen zermalmen
könnte", und er nahm sich vor, das „coufiscirte Gesicht" auf-
zusuchen, um ihm seine Meinung über den verübten Reclamen-
kniff ganz ordentlich zu sagen. Da klopfte es an seine Thüre.
Ein Amtsdiencr trat ein, und fragte nach „Herrn Schwalbingcr."
„Der bin ich."
„Dann bitte ich, diesen Brief in Empfang zu nehmen,
und den Erhalt in diesem Buche zu bestätigen."
Schwalbingcr übernahm einen mit großem Petschaft ver-
siegelten Brief. Als der Diener sich entfernt hatte, las
Schwalbingcr die Schrift des Siegels.
„Der Verwaltungsrath der allgemeinen Vorschuß- und
Rentcubank."
„Ja, was soll denn das?"
Schwalbingcr, der sich bei sümmtlichen 90 Banken der
Stadt um eine Dienstesstelle in vergebliche Bewerbung gesetzt,
hatte gerade und nur auf diese vergessen, von deren Verwalt-
ungsrath er nun eine Zuschrift erhielt!! . . . 'Hastig riß er
das Couvert ans. Er las:
„Bester Herr!
Noch gestern Abends erfuhr ich zufällig durch Polizeicomis-
sär Bürschel Ihre Geschichte, und Ihre Adresse. Ich benütze
sie, um Sie zu bitten, mich im Laufe des Vormittags in
meinem Bureau zum Behufs einer Besprechung besuchen zu
wollen, die hoffentlich für Sie von Interesse sein dürfte.
Der Direktor
der „allgem. Vorschuß und Rentenbank."
Schwalbingcr las den Brief wiederholt, und wußte nicht, was
er daraus zu machen habe. Er beschloß, sich anzuziehen — natürlich
auch das Hemd aus dem Nachlasse seines Vaters! — und der
Einladung zu folgen. Als er eine Stunde später in das be-
zeichnete Bureau cintrat, kam ihm ein noch junger, aber sicher
auftretcndcr Mann in freundlicher Weise entgegen.
„Sie hatten die Güte, mich aufzufordern, Herr Direktor..."
„Ach ja! Sie sind Herr Schwalbingcr! O ich kann Ihnen
nicht sagen, wie dankbar ich Ihnen bin. . ."
„Herr Direktor..hier muß ein Mißverstündniß obwalten.."
„Nein, nein! Junger Mann! Sie haben zu meinem Glücke
beigetragen! ..."
„Herr Direktor. . . Sie verzeihen. . . aber mir kommt
vor . . . es fängt bei mir an, im Kopfe . . . herumzugehen!"
„Beruhigen Sic sich, Herr Schwalbingcr, ich will Ihnen
die Sache in möglichster Kürze erklären. Ich liebe das Mädchen,
das Sie gestern debütiren gesehen haben ..."
„Herr Direktor . . . ich bin untröstlich! . . . Wie ich
nachträglich eingesehen ... ich bin so eigentlich — Schuld an
dem Fiasko . . . verzeihen Sie . . . aber Fiasko war es!. . ."
„Freilich, Fiasko! Vollkommenes Fiasko! ..."
„Und Herr Direktor stehen in so inniger Beziehung zu
dem . . . Fräulein ... und ... ich hätte zu Ihrem . . .
: Glücke beigetragen!!? . . ."

Hände.
„Doch doch, lieber Schwalbingcr! Hören Sie nur weiter.
Als ich Emilie kennen lernte, war ich noch Subälternbeamter.
Ich konnte nicht daran denken, zu heirathen. Damals ging
Emilie auf das Drängen ihrer mittellosen Eltern zum
Ballet. Das Mädchen ist nicht ohne Begabung, aber so reich
sie mit Eigenschaften des Herzens ausgestattet ist, so wenig war
ich überzeugt, daß sie als Ballettänzerin ihr Glück machen
werde. Emilie hatte selbst eine zu lebhafte Meinung von ihrem
Berufe zur Kunst, als daß ich im Stande gewesen wäre, sie
von dem gewählten Boden abzuzichen. Inzwischen begünstigte
mich das Glück, ich brachte es in Kurzem bis zu der Stellung,
die ich jetzt einnehme. Nun war ich rasch entschlossen, Emilie
als Gattin heimzuführen, aber, wie Sie vielleicht selbst begreifen
werden, nur unter der Bedingung, daß sie ihrem Berufe als
Ballettänzerin für immer entsage. Dazu konnte sich Emilie nicht
entschließen, da ihr das Debüt als Solotänzerin in Aussicht
stand, dazu waren noch weniger ihre etwas eigennützigen Eltern
bereit, welche sich von dem bevorstehenden Debüt ihrer Tochter
eine wahrhafte Millionen-Zukunft versprachen. ... Ich sah
dem gestrigen Abende mit Bangen entgegen. Gottlob! Emilie
fiel durch! Und noch gestern 'am späten Abend erklärte sie,
niemals mehr die Bühne zu betreten. — In 4 Wochen
feiere ich sonach meine Hochzeit mit meiner geliebten Emilie.
Und ... in der Hauptsache verdanke ich die Gestaltung des
gestrigen Abends Ihnen, lieber Schwalbingcr! . . . ."
„Herr Direktor... ich bin beschämt. . . und erfreut!..."
„Freuen Sie sich immerhin; freiwillig oder unfreiwillig sind
Sie an der Gründung meines Glückes betheiligt!. . ."
„Gott sei Dank, daß meine unglückseligen Hände doch
etwas Gutes gestiftet haben! ..."
„Ihre Hand soll mich auch noch weiter unterstützen . . ."
„Wollen Sie bei mir die Stelle eines Sekretärs
annehmen? ..."
„Ob ich will? Herr Direktor, wie können Sie doch
nur fragen!"
„Abgemacht. Im Laufe dieser Woche erhalten Sie Ihr
Dekret." —
Als Schwalbingcr das Bureau seines neuen Chefs verließ,
fühlte er sich beim Hinabgchen über die Stiege den ganzen
Leib an, um sich zu überzeugen, daß er nicht — träume.
Ein heftiger Zusammenstoß mit einem Vorübergehenden
gab ihm erst die volle Gewißheit seines wachen Zustandes.
„Wunderbar!" murmelte er und eilte, einen seiner Freunde
aufzusuchen, von dem er wußte, daß er regelmäßig um diese
Zeit bei einer Flasche Wein zu finden sei.
Bald saßen die Freunde beisammen.
Daß es dießmal nicht bei einer Flasche Wein blieb, ist
nicht schwer zu errathcn, so auch, daß man nicht versäumte, die
ganze Welt „leben" zu lassen, vor Allem aber den „Direktor
und seine Emilie" dann das „consiscirte Gesicht", und endlich ^
auch „S chwalbiug er's Hände!"

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