Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
58

Der Wi
! — ach! nur einen Schuß zu thun — so groß, daß sie Alles
auf's Spiel setzen, um nur ein „Gamserl" zu schießen. Der
Holzknecht wird Wildschütze oder „Schütz", wie ihn der Volks-
muud kurzweg nennt — und von dem Momente an hat er nicht
nur mit Jägern und Gendarmen zu kämpfen, sondern mit einem
^ viel mächtigeren Feinde, mit der Natur. Der Schütz muß Wege
i wählen, die jeder Jäger vermeidet, er geht meistens nur bei
! schlechtem Wetter „wildern" — weil da die Jäger auf der
faulen Haut liegen, er geht die schrecklichsten Steige, setzt sich
fürchterlichen Stürmen aus — nur um einmal zu schießen. Aus
Noth thut's keiner! Aber das „Wildern" ist in ihnen zur
Leidenschaft geworden, sie können es nicht lassen. Hat denn der
liebe Gott nicht für Alle seine Gaben gleich gespendet, hat er
^ denn nur für die Reichen das Wild erschaffen, nicht auch für
den Holzknecht?
So denken Alle, — so dachte auch der „Jagersepp".
In seiner Heimath in der Buchau, ja im ganzen Bezirk
! war sein Name als „Schütz" bekannt. Keinen Berg gab's, wo
er nicht schon gewildert hätte, keinen Steig, den er nicht gegangen
wäre, keinen Jäger, den er nicht gefoppt hätte; und doch ging
er Sonntag's so stolz vor den gräflichen Jägern vorbei, wenn
er in die Kirche zu Buchau ging, und wie höhnisch lächelte er,
wenn er erst einen Gendarme sah; ja, die ärgerten sich freilich,
wenn sie den „Jagersepp" sahen; wie oft hatten sie ihm schon
aufgelauert, wenn sie seinen Stutzen knallen hörten, immer war
er ihnen entwischt; wie oft hatten sie Nachts seine Hütte durch-
j stöbert, sie fanden den Sepp ruhig schlafen; nicht einmal den
Stutzen konnten sie erwischen. Drum glaubten auch die Jäger,
der Teufel halte mit ihm, sonst müßte er ihnen schon in die
Hände gefallen sein.
Sepp war auch ein Teufelskerl!
Wie aus Eisen schien seine Riesengestalt gearbeitet, und
aus seinen hellblauen Augen guckte solche Kühnheit, und doch
wieder solche Gutmüthigkeit, daß ihm jeder gut sein mußte, der
nicht Gendarme oder gräflicher Jäger war. Sepp war ver-
waist; seine Mutter hatte er nie gekannt, sie war bei seiner
Geburt gestorben; und sein Vater, der Holzknccht war, wurde
von einem Baumstämme erschlagen; da gab's freilich großes
Herzeleid! Mit 14 Jahren mußte Sepp schon bei fremden
^ Leuten sein Brod verdienen — konnte nicht mehr in Gottes
! freier Natur seinem Vater helfen — sondern mußte sich bei einem
Bauer verdingen. Lange hat es freilich der Sepp nicht ausge-
hälten; hinauf, hinauf mußte er, wo die „Lecken" wachsen —
i wo der Speck gedeiht — und so lief er nach einigen Monaten
j seinem Bauer davon und war seit 10 Jahren — erst Holzknecht
— dann der gefürchtetste „Wilderer".
Sepp war jetzt 24 Jahre alt; ein hübscher Bursche, das
sagte jedes „Dierndl" in der ganzen Gegend — und ein
„g'scheidter" Bua, meinten die alten Bäuerinnen; denn er hatte
die heilkräftigsten Kräuter, wenn es irgendwo im Hause fehlte,
Kind oder gar die Kuh krank war. Sepp half immer gern;
sein gutes Herz trieb ihn an, seinen Nächsten mit Rath
und That beiznstehen; wie ihn Mutter Natur gebildet hatte,
war er, treu und unverfälscht; nur Eines konnte er nicht be-

ldschütz.
greifen, warum die „Gamserln" nur für die Reichen da sein
sollen. Sepp konnte nicht lesen und schreiben — wo hätte er
es auch lernen sollen? — aber er kannte jedes gute Kraut im
Hochgebirge und jede Wurzel, wußte auch ihre Heilkraft. Da
er noch dazu herzensgut war, hatte ihn auch Alles lieb — jung
und alt, Bauer und Bäuerin leisteten ihm Vorschub — wenn
es einen Jäger zu prellen gab und so kam es, daß weder
Gendarme noch gräflicher Jäger ihm den Nimbus des „Unerreich-
baren" streitig gemacht Hütten.
Aber nicht nur die Jagd zog den Sepp hinauf in's Ge-
birge; denn oft war er tagelang oben, ließ Gamserln und
Hirsche laufen — arbeitete auch nicht im Holzschlage — aber
am Fuße des Buchsteinkogel war eine „Alm" und auf der Alm
hauste die schönste Sennerin vom ganzen Bezirk, die Mirzl, 's
Dierndl vom Sepp.
Sie hatten sich vor einem Jahr am Gallifest kennen ge-
lernt, sie war ein armes „Waserl", das auch bei fremden Leuten
dienen mußte, wie Sepp, und gleiche Leiden, gleiche Freuden
hatten sie bald vereint. Seit einem Jahre gehörte die schöne
Mirzl dem Sepp und treu und fest hielten sie zusammen; hatten
sie ja doch Niemanden auf der Welt, nicht Vater, nicht Mutter,
nur sich selbst und „Falsch" kannten beide nicht.
Die Mirzl war -Sennerin am Buchsteinkogel und so oft
Sepp konnte, ging er hinauf; sie war ihm ja Alles und ein
freundlicher Blick aus ihren treuherzigen Augen machte den
Sepp so fromm — wie ein „Lampcrl".
Es war ein schöner Herbsttag des Jahres 1871. Sepp
saß neben der Mirzl vor der Alpcnhütte, er hatte ihre Hand
gefaßt, während sie träumerisch nach dem fernestehenden Dach-
stein blickte; eine Thräue perlte aus ihrem Auge —
„Mirzl, wein nit, i kann meinen Himmel nit voller Wolken
seh'n Du machst mir's Herz nur schwer; schau', morg'n
bin i ja ganz sicher, ka Jager kummt am Buchstein — denn
es is große Jagd am Roßkogel und daß mir ja nix g'schieht
— steig i auf der Gstatterbodcn-Seiten aufi — is freili um
3 Stunden weiter — aber . . ."
„Geh', Sepp, laß das Wildern, Du bist stark — bist a
tüchtiger Holzknecht; i hob Di so gern, Du bist mei ganzer Stolz
und wenn Di d'Jager amol erwischen, — i derf gar nit
dran denken."
„Mirzl, das vcrsteh'st nit; wenn i in die Berg schau'
— da reißt's mi surt; i muaß geh'n; 's Wildern kann
i nit lassen".
„Versprich mir, Sepp — wir habn ja so scho bald
Winter — daß D' in dem Jahr nit mehr wildern gehst; i Hab
sunst ka Ruah! ?"
„Mirzl, nur noch ein einzigs Mal — schwer kommt
mirs an — aber — i versprich Dirs!"
Dabei reichte Sepp ihr die Hand, ohne auch' nur ein Wort
weiter zu sagen. Die Mirzl wußte ja, daß der Sepp immer
sein Wort hält.
Inzwischen hatte sich die Sonne bereits geneigt; Sepp
mußte fort; er hatte noch einen tüchtigen Weg, um den Gstattcr-
boden zu erreichen, bevor die Nacht einbricht; freilich wäre er
Bildbeschreibung
Für diese Seite sind hier keine Informationen vorhanden.

Spalte temporär ausblenden
 
Annotationen