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Der Wildschütz.

lieber bei der Mirzl geblieben, aber es könnten Jäger kommen
und dann mußte er noch seinen Stutzen holen, den er im Gstatter-
boden bei einem Bauer versteckt hatte.
„Also guate Nacht, mei Mirzl", sagte der Sepp noch zu
ihr, „morgen 's letztem»! Heuer wildern — 's wird schwer gehen,
aber Dir z'Lieb thu' i ja All's"; dabei drückte er ihr einen
herzhaften Kuß auf den Mund.
„Guate Nacht, Mirzl!"
„Guate Nacht, Sepp!"
Und thalabwärts ging er — dem Gstatterboden zu. Und
das Dierndl schaut ihrem Sepp nach, bis die nächste Felsen-
ecke ihn verbirgt; aber sein Lied hört sie noch, wenn er auch
schon längst verschwunden.
„Wann i geh' auf die Pirsch
Zittert Gams, zittert Hirsch;
Denn i schiaß' — niar vorbei;
Es trifft all'mol mei Blei."
Drauf ein frischer Jodler; athemlos horcht die Mirzl bis
der letzte Ton verklungen und jetzt geht sie erst an ihre Abend-
beschäftigung; doch kein frisches Lied erschallte aus ihrer Kehle,
als sie das Vieh .in den Stall trieb — kein lustiger Jodler;
die Mirzl war ja heute traurig; hatte sie doch deutlich gesehen,
wie ein Gamsgeicr dreimal um die Hütte flog, wie der Sepp
fort ging — und das bedeutet nichts Gutes. Doch d'Jungfrau
wird mir wohl mein Sepp beschützen, murmelte sie — er is
ja doch ein braver Bna, und dabei blickte sie so vertranungs-
voll zum Himmel, als müßte Gott ihren Sepp beschützen.
Wie neugestärkt ging sie jetzt wieder an die Arbeit,
und fing an, die Kühe zu melken; ihr Kummer war ver-
schwunden, und ein Heller Jodler machte den Stall er-
beben. Doch horch! Die Mirzl hört Schritte; gewiß hat der
Sepp etwas vergessen; sie springt auf und schon zeigte sich an
der Schwelle — der gräfliche Leibjäger.
„Nun Mirzl, was wirst denn so roth? War gewiß der
Sepp heroben?" höhnte der Jäger.
Mirzl errang kaum ihre Fassung; mühsam zwang sie ihr
Gesicht zu einem Lächeln und sagte: „Oes müaßt's ja dem j
Sepp so begegnet sein — er is grad nach Gstatterboden
gangen".
„Wir sind von der andern Seite heraufgekommcn", repli-
zirte der Leibjäger; „Seine gräfliche Gnaden haben nämlich vor,
morgen am Buchsteinkogel zu jagen — obwohl es ursprünglich
bestimmt war — die Roßkogel abzupirschcn. Se. Gnaden werden
mit noch sechs Jägern gleich Nachkommen, ich bin nur vor-
ausgegangen — um Dich um ein Nachtlager für Se. Gnaden und
uns Jäger zu bitten", sprach der Leibjäger.
Wie ein Dolchstich gingen der Mirzl diese Worte durch's
Herz; gerade morgen wollte Sepp zum letzten Male wildern
gehen — da muß er ja den Jägern in die Hände fallen. Sie
konnte dem Leibjäger keine Antwort geben.
Ihm war die Verlegenheit der Mirzl nicht entgangen, schrieb
sie jedoch einer anderen Ursache zu.
„Ist Dir die Herrschaft vielleicht unangenehm? der Herr
Graf gibt ja ein gutes Trinkgeld!"

„Das nit" — sagte Mirzl — „aber d'Herrschaft muaß
halt am Heuboden schlafen und recht kalt is jetzt schon bei der
Nacht".
„Das thut nichts", sprach der Leibjäger! „Doch ich höre
Schritte — jetzt kommt Seine gräfliche Gnaden!"
Der Graf war mit noch 6 Jägern angekommen.
Seine gräfliche Gnaden — wie ihn seine Jäger und
das übrige Volk titulirte — war Jagdpüchter eines sehr be-
deutenden Grundkomplexes, den er von der Herrschaft Ambach
in Obersteier gepachtet hatte.
Der Graf, ein Sonderling, der nur für die Jagd lebte,
aber dabei das edelste Herz besaß, hatte vor 5 Jahren diese
Jagd übernommen, freilich in einem sehr derouten Zustande;
Wilderer schoßen ihm das ohnehin spärlich vorhandene Wild
beinahe vor der Nase weg und störten ihn nicht nur in seinem
Vergnügen, sondern auch in seinem rechtmäßigen Besitze. Grund
genug, daß der Graf die „Schützen" gründlich haßte und dem
Unwesen dadurch ein Ende zu machen suchte, daß er die höchsten
Preise auf die Einlieferung eines Wildschützen setzte. Er selbst
ging den Jägern mit gutem Beispiele voran; abgehärtet, wie
sein bester Jäger — machte er vor den Augen seiner Leute
Strapazen und Jagden mit — und zeigte ihnen, daß nur
Muth und Ausdauer den Wilderern das Handwerk legen kann.
Seit zwei Jahren waren auch die Wilderer ziemlich ausgcmcrzt;
nur der „Jagersepp" hatte seinen Nimbus bewahrt — nur ihn
hatte noch kein Jäger bei frischer That ertappt!
Natürlich war es dem Grafen kein Geheimniß, daß die
Mirzl 's „Dierndl" vom Sepp ist — kein Wunder — daß
Seine gräfliche Gnaden jetzt der Mirzl recht fest in's Auge


schaute — als sie herausgetreten war, um ihn zu begrüßen.

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Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Der Wildschütz"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

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Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Alle Rechte vorbehalten - Freier Zugang
Creditline
Fliegende Blätter, 59.1873, Nr. 1466, S. 59
 
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