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Dic Hvch
Damals war Werner in Ihrem Hanse Kellner, sehen Sic non
allem Uebrigcn ab und beantworten sie mir dic Frage, ob Sie
mit ihm zufrieden waren."
„Hm — ja! das war ich. Er hatte Talent, er wußte
die Gäste-zu fesseln, und gegen seine geselligen Manieren ließ
sich nichts einwendcn."
„Gesetzt, er wäre kein Schauspieler, würden Sie ihm Ihre
Tochter geben?"
„Wenn er sie ernähren könnte, — ja!"
„Sie haben nur ein Kind?"
„Vier. Zwei Töchter sind schon verheiratet, ein Sohn ist
Lehrer am Gymnasium."
„So würde also Ihr Gasthof nicht in der Familie bleiben,
wenn Sic vom Schauplätze Ihrer Thätigkeit abtreten?"
„Den kann ich an jedem Tage verkaufen."
„Ganz recht, aber Sie werden cs nicht thun."
„Weßhalb nicht?"
„Weil Sic ein thätiges Leben gewohnt sind, ein alter
Baum läßt sich nicht verpflanzen."
Der Gastwirth lachte, die Redeweise des jungen Herrn
schien ihm zu gefallen.
„Da haben Sie recht", sagte er.
„Und eine Stütze könnten Sie auch brauchen!"
„Hm — ich habe einen -Oberkellner."
„Der nächstens von dem, was er erübrigt hat, einen
Gasthof gründen wird."
„Woher wissen Sie das?"
„Ist es nicht in der Regel der Fall?"
„Na hören Sie, mir scheint fast, Sie haben auch einmal
die Serviette geschwungen."
„Ich habe Erfahrungen gesammelt und beobachte gerne,
das ist Alles. Ich glaube, wenn Werner der Bühne entsagen
wollte, so würden Sic ihn: Ihre Einwilligung geben, dann
wäre Ihre Tochter glücklich und Sic hätten eine kräftige Stütze."
Der Gastwirth blickte befremdet den Versucher an.
„Holla, wollen Sie da hinaus?" fragte er, „Werner
scheint sich das recht Pfiffig überlegt zu haben, aber —"
„Werner weiß nicht einmal, daß ich seine Vergangenheit
kenne, er würde gewiß mein Vorhaben nicht gebilligt haben,
wenn ich ihm gesagt hätte, ich wollte für ihn in die Schranken
treten."
„Komödiantenstolz!"
„Nein, mein Herr, es ist der Stolz eines ehrlichen Mannes,
den Sic ohne Ursache tief gekränkt haben. Wenn er auch
Ihnen nichts gilt, denken Sie an das Glück Ihres Kindes,
wenn Sie nur dem Mädchen in's Auge blicken wollten, würden
Sie schon sehen —"
„He, jetzt verlangen Sie am Ende noch, daß ich dem
Komödianten nachlaufen soll?"
„Das wäre ein lächerliches Verlangen; wenn Sic bereit
sind, ihm Ihr Kind zu geben, so werde ich die Bahn zu
ebnen suchen."
Der Gastwirth blickte lange schweigend vor sich hin.
„Ich glaube, daß Sie ein ehrlicher Herr sind", sagte er

zcitreise.

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endlich, ich will mir Ihren Vorschlag überlegen und Ihnen
morgen meine Antwort geben."
„Das genügt mir," erwiderte Franz sich erhebend, „ich
hoffe, daß Ihre Antwort den Wünschen aller Betheiligten
entspricht."
Er trat den Heimweg an, und der Gedanke an seine
Gattin siel ihm jetzt heiß auf dic Seele.
Aber im Stillen tröstete er sich mit der Hoffnung, sie
werde seinetwegen in Sorge und Unruhe gewesen sein und darüber
allen Groll vergessen haben.
Er fand die Zimmcrthürc geschlossen, ans sein Pochen er-
hielt er keine Antwort.
Mitternacht war schon vorbei, nur ein Kellner wachte noch.
Nachdem Franz mehrere Male vergeblich angeklopft hatte, rief
er den Kellner.
„Ihre Frau Gemahlin hat gegen zehn Uhr zu Nacht ge-
gessen", erwiderte der Kellner auf die an ihn gerichteten Fragen,
„und dann — ja, warten Sie, dann hat sie Auftrag gegeben,
für Sie ein anderes Zimmer bereit zu halten, da Sic spät Heim-
kehrer! würden und Madame einen sehr festen Schlaf habe."
Der junge Mann mußte wohl ein sehr verblüfftes Gesicht
machen, denn der Kellner lächelte schadenfroh.
„Führen Sie mich hin", sagte Franz unwirsch.
„Wenn Sic aber klopfen wollen —"
„Nein, nein, ich will ihren Schlaf nicht stören."
Jetzt hatte aber auch die Geduld des jungen Mannes ein
Ende. Sollte er schweigend sich tyrannisiren lassen? Er war
ein jämmerlicher Schwachkopf, wenn er demüthig sich unter den
Pantoffel beugte! Morgen wollte er mit ihr Heimreisen, —
morgen — aber das ging ja nicht, er hatte erstens kein Geld
und zweitens mußte er ja bleiben, bis Werner an seinem Ziele
angelangt war.
Elise hatte die ganze Reisekasse verspielt, und er sollte nicht
einmal berechtigt sein, ihr darüber einen Vorwurf zu machen?
Der Mißmuth störte ihm diese Nacht den Schlaf nicht, und
als er am Morgen darauf in das Zimmer seiner Gattin trat,
war er fest entschlossen, nicht um eines Haares Breite nachzugebeu.
„Magst Du nun gegen mich haben, was Du willst",
sagte er erbittert, „Du solltest wenigstens vermeiden, Dich vor
den Kellnern zu blamiren!"
„Ach, wie fein!" spottete das junge Weibchen, ihr hübsches
Näschen rümpfend, „Du aber hast wohl das Recht, Dich öffent-
lich vor allen Leuten zu blamiren!"
„Wie so?"
„Hm — kannst Du vielleicht leugnen, daß Du gestern
Abend mit der Ballettänzerin allein im Kurgarten gewesen bist?"
„Das leugne ich nicht, aber ich sagte Dir schon, die junge
Dame sei keine Ballettänzerin, sondern die Schwester meines
Freundes — "
„Ach so, das ist eine herrliche Rechtfertigung! Der Schwester
wegen wurde also das versteckte Plätzchen im Parke gesucht?
Es muß eine sehr interessante Unterredung gewesen sein!"
„Elise, ich bitte Dich —"

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