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122

Die Hochzeitreise.
(Fortsetzung.)

„Weßhalb sprachst Du mich nicht an, ich würde Dir die
Dame vorgestellt haben —"
„So unverschämt wärst Du also auch gewesen? So wenig
, achtest Du die Ehre Deiner Frau?"
Franz wanderte auf und ab, um seiner Erregung Herr zu
> werden.
„Es ist ein Mißverstündniß," sagte er, „ein großes Miß-
verstündniß! Wenn Du nur ruhig sein wolltest!"
„Ruhig? O, ich bin so ruhig wie ein Schaf, welches zur
Schlachtbank geführt wird!" rief Elise mit bebender Stimme.
„Ich muß ja ruhig sein."
„Mein Freund Werner —"
„War natürlich nicht dabei. Wozu auch? Und nachher
befandest Du Dich in guter Gesellschaft, aus der Du um ein Uhr
nach Hause kamst. Ich aber lasse mir das nicht gefallen, Franz,
ich will nicht das unglückliche Schlachtopfer sein, ich reise noch
heute zurück."
„Hättest Du nicht unsre Reisckasse verspielt —"
„Jetzt muß ich auch das wieder hören! Ach ich armes,
unglückseliges Geschöpf."
„Da ist freilich nichts nnzufangen", sagte Franz achsel-
zuckend. „Du willst mich nicht anhören, ich darf mich nicht
vertheidigcn, das Mißverständnis; nicht aufklären."
„Gewiß will ich Dich anhören."
„Mein Freund liebt unglücklich, das heißt —"
„Nun, das thust Du ja auch, aber ich will gerne entsagen,
meinetwegen sollst Du nicht unglücklich werden, und mich sollst
Du auch nicht unglücklich machen. Ich werde mich geduldig er-
geben, leite nur den Scheidungsprozeß ein."
„Aber um Gotteswillcn, Kind, sei doch nicht thöricht!"
„O, ich bin schon dumm und albern, weßhalb soll ich nicht
auch thöricht sein?" erwiderte die junge Frau, und in ihren
schönen Augen loderte die Glut des Zornes jäh auf.
„So höre mich doch an."
„Ich will nichts hören, ich will auch nicht länger hier bleiben,
hier, verkaufe meine Uhr, meine Kette, verkaufe Alles, nur ver-
schaffe mir Geld, daß ich Heimreisen kann. Mein Gott, wenn
ich das hätte ahnen können!"
Franz schüttelte den Kopf, gegen diesen Redefluß war nichts
auszurichten, er mußte schweigen, denn jedes Wort, welches er
sprach, steigerte nur ihre Erbitterung.
„Du wirst einmal bereuen, so ungerecht mich verurtheilt
zu haben", sagte er, als sie endlich ermüdet schwieg, „Du hast
niemals Grund zu einer Eifersucht gehabt, nicht einmal in Ge-
danken bin ich Dir je untreu gewesen."
Ein höhnisches Lachen unterbrach ihn, er zog unwillig
die Stirne in Falten und fuhr fort:
„Meine geheime Unterredung mit der jungen Dame bezog
sich ganz allein auf ihren Bruder, dessen Schicksal mir nahe'
geht; ich bin gestern Abend wahrlich nicht in lustiger Gesellschaft
gewesen, der Vorsatz, meinem Freunde zu helfen, nöthigte mich,
so lange draußen zu bleiben. Ich könnte Dir dafür Beweise
geben, aber —"

„Beweise? O, Beweise habt Ihr immer zur Hand, Ihr
thut nichts, ohne zuvor für Beweise gesorgt zu haben, die Euch
den Schein der Unschuld verleihen."
„Ich schweige, später wirst Du anders urtheilen."
„Später! Ich wünsche nichts weiter, als Heimreisen zu
können."
„In Gottes Namen, wir reisen zusammen, ich werde meinen
Brillantring verkaufen, aber wir reisen nicht eher, bis ich das
Geschäft verrichtet habe, welches mich hier noch fesselt."
Ehe die junge Frau die spöttische Bemerkung machen konnte,
welche ihr auf der Zunge schwebte, hatte Franz das Zimmer
schon verlassen.
Sein Blut war in Wallung, seine Pulse pochten fieberhaft,
die Augen schmerzten ihn, er hätte laut aufschreien mögen, um
dem Schmerz Luft zu machen, der seine Seele folterte. Sie
hatte Recht, hier blieb nur noch die Scheidung übrig, mit dieser
Frau konnte er nicht zusammen leben, es war ja nicht einmal
möglich, ein vernünftiges Wort mit ihr zu reden.
Er stürmte hinaus, Luft mußte er haben, das Haus war
ihm zu eng, und wenn es Feuer geregnet hätte, er wäre hinaus-
gelaufen.
Wenn in diesem Augenblicke die Posaunen des jüngsten
Gerichts geblasen hätten, er würde gejauchzt haben über dem
Untergang der Welt.
Er stand vor dem Hause des Gastwirths und sammelte sich.
Fremde Augen sollten wenigstens nicht in seine Seele schauen,
und wenn auch sein Herz unter der Last brach, er wollte allein
diese Last tragen.
Wenn sie ihm nur ein einziges freundliches Wort gesagt,
wenn sie nur seine Rechtfertigung angehört Hütte!
Nichts von alledem, er wußte nicht, war es Trotz oder
Eifersucht, Herrschsucht oder kindischer Eigensinn, was sie zu diesem
Benehmen bewog, er wußte nur, daß er sich unsäglich unglück-
lich fühlte.
Er ging einigemal vor dem Gasthofe auf und ab, dann
trat er ein.
„Alles in Ordnung!" rief der Wirth ihm entgegen. „Wenn
Ihr Freund aus freien Stücken »msattclt, so mag er kommen."
Freudig überrascht reichte Franz dem alten Manne die Hand.
„Ja, ja, mein Kind will es, und da muß ich wohl nach-
geben", fuhr der Gastwirth fort, „und dann hat Werner auch!
die Fürsprache eines Ehrenmannes."
„Sie kennen mich nicht, umsomehr —"
„Ich kann Jeden taxircn, wenn ich ihm nur in's Auge
sehe. Aber rührig und fleißig muß Werner sein, sonst werde -
ich grob —"
„Er wird es sein!"
„Na, wir wollen es hoffen. Meine Tochter hätte freilich
eine bessere Partie machen können, aber sie liebt ihn einmal
und will nicht von ihm lassen."
Franz eilte in den Kurgarten, hier hoffte er den Freund
zu finden.
Er sah sich in seiner Hoffnung nicht getäuscht, Werner
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