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Die Hoch
stand am Bassin eines Springbrunnens und blickte finster dem
Spiel der Gold- und Silberfische zu.
„Ah, da bist Du!" sagte er, aus seinem Brüten auffahrend,
„ich dachte gerade an Dich."
„Sehr schmeichelhaft."
„Ja, ich dachte, wie ungleich das Schicksal seine Gaben
vertheilt; oft schüttet Fortuna ihr Füllhorn in den Schooß eines
Menschen aus, um au tausend Anderen mit einem Achselzucken
vorbei zu schreiten."
„Du hältst mich, wohl für sehr glücklich?"
„Bist Du es nicht?"
„Wer weiß!"
„Freilich, der Mensch ist nie zufrieden; wer viel hat, möchte,
gerne Alles und dann noch etwas mehr haben."
„Ich bin nicht ungenügsam."
„Du kannst zufrieden sein. Du hast Vermögen, ein blüh-
endes Geschäft, eine angesehene Stellung und eine schöne Frau,
Du bist gesund, unabhängig, geachtet und geliebt, was kannst
Du mehr verlangen?"
„Nichts, ich gebe es zu. Aber Du könntest das Alles auch
haben, wenn Du wolltest."
„Bah, scherze nicht, der Scherz ist verletzend."
„Ich wiederhole es. Du könntest es haben, aber Dn müßtest
der Bühne entsagen."
„Freilich, ich bin ja nur ein Komödiant!"
„Weßhalb sagst Du das in dem herben Tone? Es gibt
Menschen, die ein Vorurtheil gegen den Schauspieler hegen, und
es gibt Fälle, in denen man diesem Vorurtheil sich beugen muß."
„Hm — was weiter?" spottete Werner.
„Nichts. Die Schlußfolgerung magst Du selbst ziehen.
So ehrenvoll aus der einen Seite die Laufbahn des Schauspielers
ist, so dornenvoll ist sie auf der andern Seite."
„Das weiß ich selbst."
„Dennoch möchtest Du ihr nicht entsagen?"
„Doch, wenn ich könnte!"
„Weßhalb kannst Du nicht?"
„Was soll ich ergreifen? Ich habe kein Geld, ich könnte
im besten Falle Kellner werden."
„Und dazu bist Du zu stolz!"
„Oder zu unglücklich."
„Wer ein guter Wirth werden will, muß zuvor Kellner
gewesen sein, mein Freund."
Werner blieb stehen, sein Blick ruhte forschend auf dem
jungen Manne, endlich brach er in ein heiseres Lachen aus.
„Was soll die Bemerkung?" spottete er. „Wer ein guter
Wirth werden will, der muß Geld haben."
„Es gibt Fälle, in denen Kellner die Töchter ihrer Wirthe
geheirathet haben."
„Das ist möglich."
„Könnte dieser Fall nicht auch bei Dir eintreten?"
„Du gehst um die Sache herum, wie die Katze um den
heißen Brei", sagte Werner rauh. „Greif' zu, Du wirst Dir
die Zunge nicht verbrennen! Franziska hat Dich unterrichtet,
sie hätte besser geschwiegen."

zeitreise. 123
„Diese Worte beweisen mir, daß Du mir kein Vertrauen
schenkst."
„Du irrst, sie können Dir nur beweisen, daß ich mit der
Vergangenheit gebrochen habe und nicht mehr an sie erinnert
sein will."
„Ob Deine Geliebte auch so spricht?"
„Gewiß, sie billigt ja die Handlungsweise ihres Vaters.
Die Weiber, mein Freund, sind alle keinen Schuß Pulver werth,
wären sie es, hätte ich mir eine Kugel durch's Gehirn gejagt.
Aber die bessere Einsicht hält mich zurück, diese Dummheit zu
begehen."
„Und für diese bessere Einsicht sollst Du Deiner Braut
Abbitte thun", sagte Franz lächelnd.
„Sei kein Narr?"
„Das sage ich Dir! Geh' zu dem Vater Deiner Geliebten,
sage ihm, Du seist bereit, der Bühne zu entsagen und sein Ober-
kellner zu werden, bis es ihn: gefalle, Dir den Gasthof zu
übertragen, bei welcher Gelegenheit ich mit »reinem Vermögen
für Dich eintreten würde, wenn die Geschwister Deiner Frau
ihr Erbtheil verlangten. Geh', Du wirst offene Arme finden,
aber sei politisch, und erzürne den alten Mann nicht, er ist die
beste Seele, nur Etwas hitzig."
Werner stierte den Freund an, als ob er die Nachricht er-
halten habe, er sei in der Lotterie mit dem Hauptgewinn heraus-
gekommeu.
„Das verstehe ich nicht", sagte er zögernd.
„Geh' nur, das Verständnis; wird schon kommen, der alte
Mann verlangt nur diese Erklärung, und seine Tochter erwartet
Dich sehr ungeduldig."
Mit diesen Worten wandte Franz dem Schauspieler rasch
den Rücken, um sich zu entfernen. Werner blickte ihm eine ge-
raume Weile nach, dann wandte auch er sich, um mit beflügelter
Eile den Sonnenschein zu Haschen, der so plötzlich sein strahlen-
des Licht in die düstre Nacht der Zukunft goß.
„Gut, nun hält mich nichts mehr zurück", murmelte
Franz, „so hat meine Reise doch einen guten Zweck gehabt, das
söhnt mich mit den vielen Unannehmlichkeiten aus."
Er zog den Ring vom Finger und betrachtete ihn lange;
ungern trennte er sich von ihm, aber es mußte sein, Elise ver-
langte es, und er wußte jetzt, wie trotzig und hartnäckig sie bei
ihren Vorsätzen beharrte.
Wenn sie nur noch hätte warten wollen, bis das Geld
aus der Heimath ankam! Aber nein, sofort wollte sie die Rück-
reise autreten, und wenn er ihr nicht die Mittel dazu verschaffte,
so war es möglich, daß sie ihren Schmuck verkaufte, und heim-
lich ihn verließ.
„Nichts zu handeln?"
Diese Worte schreckten ihn aus seinem Sinnen empor, er
blickte auf, vor ihm stand ein Sohn Israels, dessen Blick mit
begehrlichem Funkeln auf dem blitzenden Ringe ruhte.
„Ich zahle die höchsten Preise, ich bin ein ehrlicher Mann",
sagte der Jude.
„Wieviel gebt Ihr für den Ring?" fragte Franz mit
einem tiefen Seufzer.

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