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Der Spiegelbrunnen.

donnerte den Stauphofer an: Ob ihm denn gar nichts einfalle,
da er der Natur so wohl kundig sei?

Der Doktor Stanphofer aber sagte voll Zorn: „Was
meint Ihr denn? Wann Einer aller Dinge gelahrt ist, allwissend
ist er doch nicht!"

Donnerte der Bürgermeister: „Was nutzt uns dann all
Euer Wissen, wenn Ihr uns nur die Gefahr verkünden könnt,
aber helfen nicht? Da kann Einer leicht berühmt sein!"

Rief der Stanphofer: „Wie und was?! Ihr wollt mir
mein' gerechten Ruhm streitig machen! Da mach' ich Euch
Euere Weisheit streitig, Herr Bürgermeister! Ihr seht wohl auch
viel, was nit recht, und könnt nicht fürkehren, und zumeist bei
Euch selbst im Haus!"

Donnerte der Bürgermeister: „Was meint Ihr da?"

Und der Stanphofer voll Zorn: „Wir wissen schon!

Euere Frau ist schlimm wie ein Basiliska, das habt Ihr mehr
erkannt, denn Euch lieb, und könnt ihr dennoch nit Herr werden,
Ihr hochwaltcnder Herr in der Stadt, und daheim seid Ihr zu
tiefst in der Sklaverei drin!"

Donnerte der Bürgermeister: „Was und wie?! Ich war'
in der Sklaverei drin?" Und gerieth dermaßen in Zorn, daß
er dem Stanphofer in die Haare griff und der Stauphofer ihm;
und war da alsbald ein großes Gefecht inzwischen Beeden,
großer Aufruhr unter den sämmtlichen Rathsherrn, auch im
Volk großes Staunen, da man alles das sah, bis Männiglich
erzürnte, daß der Stauphofer, der doch wirklich nicht zu rathen
wisse, den Bürgermeister bis znm Kampf gebracht habe. Fielen
demnach Ihrer mehrere über den her, rissen ihn zurück, die
Weibsen zogen auch an sei'm Wamms, und obwohl er rief,
er sei beleidigt worden und habe nicht angefangen, half ihm
das doch nicht. Vielmehr rief ihm Alles zu, er wisse nichts, riß
und drängte stets mehr, bis der Stauphofer sah, da sei seine
! Sache verloren, sich in die Schäfflergasse hineinmachte, voll
Grimm und-Zorn davoncilte und in der Windenmachcrgasse in
sein Losament hinaufstürzte. Da rannte er voll Grimm auf
und ab, der Verachtung seines Wissens eingedenk und wie er
gezerrt und gerissen worden sei. Und mit dem kam er an seinen
Spiegel und sah voll Entsetzen und Unmuth, wie er am Gewand
zerarbeitet uud in den Haaren zerrauft sei, daß er schier wie
eine Fledermaus aussah oder aber wer weiß was. Mit einem
Mal aber rief er:

„Halt, jetzt Hab' ich's!"

Auf dies riß er den Spiegel von der Wand, nahm ihn
unter den Arm, rannte seines Weges zurück durch die Schäfflcr-
gasse und rief: „Platz da! Der Stauphofer weiß ein Remc-
dium", — und drängte sich bis zu Bürgermeister und Rath.

Sagte der Bürgermeister: „Was wollt Ihr? Habt Ihr zuerst
nichts gewußt, wißt Ihr hinterher wohl auch nichts!"

Donnerte der Stanphofer: „Schlag' der Blitz in Eueren
| Mund und Euch alle Worte bis in Lung' und Leber! Ich
weiß schon, weßhalb Ihr so falsch und rachegicrig seid —
das ist, weil ich Euere Knechtschaft verrieth. Laßt nach in
Euerem Zorn, also laß' ich nach in dem meinen, und so wahr
ich der hochgelahrt, aller Natur kundige Doktor Stanphofer

bin und Ihr im Regiment hiesiger Stadt grundweiser Bürger-
meister, also wahr glaub' ich, daß mein Rath gut sei!"

Sagte der Bürgermeister: „Wann Ihr meine Weisheit
hochachtet, will ich Euere Gelahrtheit desgleichen respektiren und
verseh' mich, daß Ihr jetzt Etwas wißt, wann Ihr auch vorher
nichts gewußt habt. Ruckt also heraus mit dem, was Ihr
meint, und Ihr Alle schweigt!"

Drauf erzählte der Stanphofer, wie er über sich selbst er-
schrocken sei, als er in den Spiegel geschaut habe, und sagte dann:

„Das steht fest ex lüstoria uaturao reale, scripta atgue
traäitionalo: Wer einem Basiliska in das Aug' schaut oder
aber überhaupt dessen, als lang der lebt, ansichtig wird, der
hat nicht mehr Zeit zu Reu' und Leid, sondern aber ist ans dem
Platze todt. Frag' ich, könnte das nicht auch sein, wann sich
das gottverfluchte Thier da unten selbst säh', also wohl wie ich
der Doktor Stauphofer mich gesehen Hab' und schier vor Schreck
und Zorn umfiel? Ist demnach mein Rath, wir richten es so,
daß der Gesell da drunten sein Ebenbild erschau' — dann
kann es sein, daß er vor Schrecken stirbt. Sei cs dann, daß
es ihm vor Erstaunen das Herz abdrnckt — oder aber vor
Wuth ihn gleich ganz zerreißt."

Sagte der Bürgermeister: „Das laßt sich hören, und
wollte Gott, daß des Stauphofers Rath von Erfolg wär',
denn da wären wir der Plage los und die Anderen weit aus
desgleichen. Habt Ihr etwa» den Spiegel gleich mitgebracht?
Recht so, und fragt sich nur, wer ihn oberm Brunnen hält —
wird aber Keiner wollen von wegen des giftigen Dunstwerks.
Also sag' ich, wird cs am besten so sein: Wir binden den
Spiegel an vier lange Stangen. Wann dann der Spiegel
dran ist, greifen ihrer Viere vom Rath von vier Seiten zu
und halten den Spiegel über den Brunnen, ich aber greife zur
fünften. Wann dann die Viere von vier Seiten den Spiegel
halten, und ich an die fünfte Stange gegriffen habe, gcb' ich
ein Zeichen. Das ist, daß ich mit dem Fuß stampfe und
rufe: „Jetzt gilt's!" — Alsdann erhebt Ihr sammt und sonders
vom Rath und das Volk, Manns' und Weibsen, ein groß'
Geschrei und Heidenlärmen all mit der Stimm' und Gerassel
auf Bottiche und Kessel. Da wird dann der Gesell, wann er
schlaft, allsogleich aufwachen und hcraufschaucn, denkend, alle
Wetter, was ist das — oder aber daß er schon wach ist,
dann geht es mit der Sache noch viel schneller und ehender!"

Als der Bürgermeister das gesagt hatte, waren Rath und
Volk ganz einverstanden und sagten: „Er ist halt doch der
Weiseste, da beißt die Maus keinen Faden ab, und von der
Bürgermeisterin nit zu verantworten, daß sic ihn so plagt."
Und hörte sie das in die eigenen Ohren. Denn vorerst hatte sic die
Furcht abgchalten, jetzt aber die Neugierde dennoch hcrangctrie-
ben. Sagte der Bürgermeister: „Bist Du auch gekommen?
Also wohl, mein süßes Leben, wir seind gerad' in der besten
Arbeit, und gelingt das Eine, fügt's etwa» Gott, daß das
Andere auch gelinge."

Auf mehr ließ er sich nicht ein, bezeigte sich aber ganz
freundlich gegen sie, bis dann der Spiegel an den fünf Stan-
gen daherkam. Die waren von den leichtesten nicht, so daß
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