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Lindenblüh und Kornroth.

sich zu entfernen. Herr Karl Kornroth, durch den bisherigen
Erfolg crmuthigt, wandte sich an Eleonoren's Mutter: „Darf
ich so frei sein und Ihre Tochter nach Hause begleiten?"

„O, ich bitte, es soll mich freuen," sagte erleichtert die
Mutter.

„Dann darf ich wohl, gnädige Frau, so frei sein, Ihnen
meinen Schutz anzubieten?" fragte Amadäus.

„O ich bitte," sagte die Mutter, die jetzt noch bedeutend
triumphirendcr auf die Tochter blickte. Und so gingen die
beiden glücklichen Paare zum Burgring. Vor dem Hause
empfahlen sich die Herren, nachdem sie ihren Besuch versprochen,
und suchten ihre Wohnung auf.

„Nun, Amadäus, was sagte ich, sagte ich nicht gleich, sie
werde den Gesetzteren wählen?" fragte am Heimweg der Vater.

„Wie? Du sahst doch, daß sic mich, den Jüngeren, wählte!"

„Wie? Du scheinst nicht bei Sinnen," sagte der Vater,
„habe ich sie nicht nach Hause begleitet?"

„Wer Du?" fragte der Sohn.

„Ja ich," antwortete der Vater.

..Du? Ich bin doch mit ihr Arm in Arm gegangen,"
sagte der Sohn.

„Du? Wen meinst Du denn eigentlich?" fragte der

Vater.

„Nun die Frau Lindcnblüh."

„Ha—ha —ha die Frau Lindcnblüh, ich liebe ja das
Fräulein!"

„Was? Das Fräulein? Dann brauchen wir ja nicht
mehr aufeinander eifersüchtig zu sein — ich liebe die Mutter,"
sagte der Sohn, als sic gerade in ihrer Wohnung anlangtcn.
Vater und Sohn küßten sich aus Freude über die gemachte
Entdeckung, und wenn sic in das Haus am Burgring hätten
schauen können, so hätten sie gesehen, daß sich eben auch die
beiden Damen küßten, weil auch sie nicht Grund hatten aus-
einander eifersüchtig zu sein. Alle Vier schliefen die Nacht
glückselig durch die Liebe; die Sonne weckte sie alle Vier, alle
Vier wachten auf, kleideten sich an und — frühstückten.
Natürlich! Denn sie hatten nebst dem liebcsdurstigen Herzen
auch einen hungrigen Magen. Es wurde 12 Uhr. Vater
und Sohn gingen zusammen zu den beiden Damen, um sich
zu erkundigen, wie sic geschlafen hätten. Der Vater beschäftigte
sich natürlich zumeist mit der Tochter, der Sohn natürlich
zumeist mit der Mutter. Von heute ab wurden die Besuche
der beiden Herren immer häufiger, bis es endlich so weit kam,
daß der Vater um die Hand der Tochter, der Sohn um die
Hand der Mutter bat. Beiderseits wurde sie zugesagt. Schon
nach den ersten vier Wochen des Brautstandes war eines
schönen Sonntages diese eigcnthümliche Doppelhochzeit. Nach
der Trauung fand ein kleines Diner im Hause der Bräute
statt, wobei man bald in die animirteste Stimmung kam.

„Vater," sagte Amadeus, „weißt Du was? Ich muß
jetzt mehr Rcspcct vor mir als vor Dir haben; denn Du bist
nur mein Vater, aber ich — ich bin mein Großvater." Alles
erstaunte, ob dieser Rede. Man munkelte vom zu Kopf gestiegenen
Champagner und sonst dergleichen, selbst der Vater sprach:

„Du scheinst schon ein wenig zu viel getrunken zu haben,
cs wäre angczcigt, daß Du zu Bette gingest."

„Ihr irrt Euch, wenn Ihr denkt, daß aus mir der Wein
spräche, ich will, was ich gesagt, beweisen."

„Beweisen?" tönt es von allen Seiten, „so beweisen Sie!"

„Nun hört: Ich bin doch Eleonoren's Vater; denn ich
bin der Mann ihrer Mutter, mithin ist Eleonore meine Tochter-
Mein Vater ist aber der Mann meiner Tochter, mithin ist er
mein Schwiegersohn. Wenn ich nun einen Schivicgersohn habe,
so ist der Sohn meines Schtvicgcrsohn's mein Enkel, oder ich
bin sein Großvater. Nun bin ich aber der Sohn meines
Schwiegersohnes; denn mein Vater ist mein Schwiegersohn, also
bin ich mein eigener Großvater."

„Bravo! Bravo!" scholl es tausendtönig.

„Du siehst nun, Vater, daß ich vor mir mehr Respcct
haben muß als vor Dir; denn Du bist wie gesagt nur mein
Vater, ich aber mein Großvater."

„Bravo! Bravo!" erscholl's wiederum.

„Bitte, bitte, meine Herren, gestatten Sic mir auch einige
Worte", sagte der Vater. „Ich will wohl nicht in Abrede
stellen, daß Amadeus sein Großvater ist, aber bezüglich des
Rcspectcs bin ich nicht seiner Ansicht. Denn er ist tvic gesagt,
meine Herren, er ist nur sein Großvater, ich erlaube mir aber,
wenn Sic es gestatten, sein Urgroßvater zu sein."

„Wie? Was? Urgroßvater? Er? Beweisen! beweisen!"
hört man von allen Seiten rufen, „er soll beweisen!"

„Ich will es auch beweisen, wenn mir die Herren dero
hochgeneigtes -Ohr auf einige Augenblicke zu leihen gewillt sind.
Mein Sohn Amadeus hat nachgewiesen, daß er sein eigener
Großvater ist. Gut! Er ist aber, wie Sie, meine Herren,
wissen, mein Sohn; es ist also, da er sein Großvater ist, sein [
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Lindenblüh und Kornroth"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Bechstein, Ludwig
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Tochter <Motiv>
Verwandtschaftsbezeichnung
Witwe <Motiv>
Wortspiel
Verwandtschaft <Motiv>
Braut
Sohn <Motiv>
Witwer <Motiv>
Bräutigam
Karikatur
Hochzeit <Motiv>
Liebe <Motiv>
Handgeste
Rede <Motiv>
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Alle Rechte vorbehalten - Freier Zugang
Creditline
Fliegende Blätter, 62.1875, Nr. 1542, S. 42
 
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