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Ein bedenkliches Ansinnen.

Ihr Bier ist heute vortrefflich!" bemerkte der Gast,
nachdem er das vor ihn hingestcllte Glas in einem durstigen
Zuge bis zur Hälfte geleert hatte. „Wo ist denn Ihr Mann?"
fragte er darauf.

„Der ist zur Stadt hinübergefahren," gab die Frau zur
Antwort; „wird wohl erst spät wieder heimkommen."

„So! und wir wären also ganz allein!" Der junge
Gelehrte sprach dies gedehnt und halblaut und ließ dabei einen
so seltsam fragenden Blick zu der hübschen Frau hinüberschweifen,

: daß sich diese sichtlich beunruhigt fühlte. Dann stierte er, das
Auge auf das Glas geheftet vor sich hin und ein schwerwiegender
Entschluß schien sich in ihm zur Klarheit durchzukämpfen.

„Die Stunde will ergriffen sein!" sprach er vor sich hin,
eben laut genug für die gespannt aufmerkcnde Frau; „sie eilt
> vorüber und kehrt nie zurück."

„Meine liebe Frau Wirthin," fuhr er mit leiser schüchterner
Stimme und ohne aufzuschaucn fort, „cs sind vierzehn Tage, seit ich
Ihr Haus durch ein glückliches Ungefähr entdeckte und seitdem
bin ich täglich zu Ihnen herausgekommen."

„Ich weiß es," sagte die Frau, mechanisch in denselben
Ton verfallend.

„Und wissen Sic auch, was mich so oft hierher treibt?"

„Wie sollt' ich denn das wissen, Herr Doktor?" versetzte
die Wirthin, indem sie verstohlen und mit banger Erwartung
zu dem Gaste hinübersah.

„Freilich," stieß dieser mit bitterem Lachen hervor, „freilich,
wie sollten Sie das auch wissen!"

Die junge Frau wurde immer ängstlicher.

„Was haben Sie nur, Herr Doktor?" fragte sie.

„Nichts," antwortete derselbe schroff und wild, „gar nichts,
als daß — Ihr Bier vortrefflich ist!" Er ergriff das Glas,
leerte es hastig und stellte es geräuschvoll wieder auf den Tisch.

Die Frau schien sich recht wohl für das Benehmen des
neben ihr sitzenden Mannes eine bestiinnite Erklärung geben zu
können. Der junge Gelehrte war, wie er auch gesagt, täglich zu
ihr gekommen, bald allein, bald mit einigen seiner Freunde, und
Allen ein gern gesehener Gast geworden, weil er ein reges Leben
| um sich her zu verbreiten wußte, allezeit auf Scherz und Ernst'

| mit gleicher Bereitwilligkeit cinzugehen, und mit Jedem seine
! eig'ne Sprache zu reden. Gegen sic hatte er nun freilich die
Schranken gebührlicher Zurückhaltung nie überschritten, aber es
doch auch an einer gewissen Auszeichnung nicht fehlen lassen. Ja,
sie hatte längst bemerkt, glaubte es bemerkt zu haben, daß sic cs
eigentlich sei, um derentwillen er den ivcitcn Weg aus der Stadt
so oft unternahm. Was Anderes hätte ihn auch bewegen

sollen, ihre einfach dörfliche Wirthschaft aufzusuchen? vielleicht
das Bedürfniß eines Spazierganges? Gewiß nicht! Sie hatte
das wohl bemerkt und wenn sie auch nicht den geringsten
Zweifel hegte, daß sic ihrem Manne treu sei, so war sic doch
über weibliche Eitelkeit nicht so gänzlich erhaben, um sich nicht
dadurch ein wenig geschmeichelt zu fühlen. Seine oft barocken
Einfülle zogen sie an und fast ebenso seine ernste Unterhaltung,
i und verstand sie auch nicht Alles, was er vorbrachte, sic hörte
j ihm doch gerne zu.

Jetzt >var sie zum ersten Male ganz allein mit dem
jungen stattlichen redegewaltigen Mann und der Vulkan drohte
sich im nächsten Augenblicke zu entladen; — und was dann?
Sie ahnte, was in seiner Seele vorging, eine flammende Röthe
überflog ihr Gesicht, sie fühlte es und fühlte auch, daß es
keineswegs nur die Gluth der Entrüstung sei. Aber ihr Frauen-
stolz suchte dies Bewußtsein mit einem Schleier zu bedecken und
hinwegzuleugnen: sic ärgerte sich über sich selbst. O wenn doch
jetzt ihr Mann unerwartet heimkäme, oder eine Anzahl Gäste
den Garten belebte! Ein Seufzer entrang sich ihrer Brust.
Da fühlte sie den Druck einer warmen lveichcn Hand, ivelche

die ihrige gefaßt hielt; ein ausdrucksvolles Augenpaar war
flehend aitf sic gerichtet und suchte in ihre eignen schauend bis
in ihr Innerstes einzudringen.

„Wollen Sie mir eine Bitte gewähren, meine liebe Frau?"
fragte eine milde einschmeichelnde Stimme, „eine bescheidene
Bitte?"

„Was soll ich thun?" fragte sic entgegen und machte
einen sanften Versuch, ihre Hand aus der seinigcn zu ziehen-

„Nein, so nicht!" tönte cs drängend zurück, „so nicht!
Sic müssen mir versprechen, meinen Wunsch zu erfüllen, bevor
er über meine Lippe» geht!"

„Aber, Herr Doktor," entgcgnetc die junge Wirthin unsicher,
„was verlangen Sic doch von mir? lvie kan» ich das!"

„Können!" versetzte dieser leidenschaftlich, „das ist keine
Frage: Unmögliches werd' ich doch als vernünftiger Man» nicht
von Ihnen fordern. Mir däucht auch, Sie müßten cs ahnen,
welch ein Verlangen mein Herz bewegt."

„Ja, ich ahne," sagte sie zögernd, „was Sie erbitten
wollen; ich — befürchte cs und eben dcßhalb kann ich Ihnen
das Versprechen nicht geben."

i
Bildbeschreibung

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Titel/Objekt
"Ein bedenkliches Ansinnen"
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Fliegende Blätter
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Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Wagner, Erdmann
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Bank <Möbel>
Bierkrug
Gaststätte <Motiv>
Wortspiel
Gelehrter <Motiv>
Missverständnis <Motiv>
Tisch <Motiv>
Gastwirtin
Gespräch <Motiv>
Karikatur
Stricken
Garten <Motiv>
Wolle <Motiv>
Handgeste
Satirische Zeitschrift
Thema/Bildinhalt (normiert)
Heimliche Liebe

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Künstler/Urheber (GND)
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Digitales Bild
Rechtsstatus
Alle Rechte vorbehalten - Freier Zugang
Creditline
Fliegende Blätter, 62.1875, Nr. 1549, S. 98
 
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