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122

Er bringt

„Was denn?"

„Mein Mann ist soeben abgereist!"

„Ja, warum nicht gar! . . . Wohin denn?"

„In die Stadt."

„In die Stadt! Was thnt er denn dort?"

„Er ist mit dem Major gereist."

„Mit dem Major? Ist der schon wieder in die Stadt!
Ja, was will denn der dort?! ..."

„Er bringt jetzt seine Frau her!"

Die Schmiedin mußte sich rasch auf einen Sessel setzen,
der zum Glücke neben dem Fenster stand, so überwältigend
wirkte diese Nachricht auch auf sie. In gleicher Weise übte sie
mehr oder minder heftig ihren Eindruck auf die Grünecker und
Grüneckerinnen aus, welche sich nach und nach vor dem Hanse
des Schmiedes um die Schullehrerin versammelten. Es muß
hier erinnert werden, daß außer dem Schullehrer, der nun
abwesend war. Niemand, auch nicht seine eigene Gattin, eine
Ahnung davon hatte, daß der Major in der Hauptstadt geheirathet
habe. Wenn cs also hieß: „der Major bringe seine Frau!" so
konnte Niemand sonst gemeint sein, als seine — verstorbene!!,. . .

„Das ist ein schöner Zug vom Major!" sagte endlich die
Schullehrerin. „Gewiß hat ihn mein Mann auf diesen braven
Gedanken gebracht!"

„Jetzt geht mir ein Licht auf!" rief nun der erste Gemeinde-
rath, der Ochsenwirth Bcsensticler. „Der Major wird den
Leichnam seiner Gattin in der Gruft beisetzen, die er unter
seinem Gartenthurm erbaute. Aber der Major hat meines
Wissens weder die Erlaubniß dazu, noch ist die Gruft kirchlich
geweiht!"

„Der Major hat sich so eklatant als Wohlthäter der
Gemeinde erwiesen," nahm nun der Schmied in seiner Eigen-
schaft als Bürgermeister das Wort, „daß ich glaube, wir thäten
ivohl daran, ihm keine Schwierigkeiten zu machen, um so weniger,
als der edle Drang seines betrübten Gattenherzens uns Alle
mit Rührung erfüllen muß."

„Ja, der Herr Bürgermeister hat Recht! Der Major ist
ein Ehrenmann! Das beweist jetzt seine Handlung vollkommen!
Es wäre gar nicht schön, wenn wir ihm nicht unsere volle
Theilnahmc bewiesen! Es muß etwas geschehen, um von unserer
Seite dieß zu bethätigen!"

Also unterstützten in lebhaftem Durcheinander die Honora-
tiorenfrauen ihren Bürgermeister. Die Frauen hatten somit den
Ton angestimmt, in welchem ihre Männer nun die Musik zu
machen hatten. Noch am selben Tage wurde daher eine Gemeinde-
rathsitznng einbcrufen. Auf der Tagesordnung stand:

„Feierliche Beisetzung der Frau Majorin. Besprechung
über die Art der Theilnahmc von Seite der Gemeinde
und Bevölkerung von Grüneck."

In dieser Sitzung wurde mm einstimmig beschlossen, den
Lcichenconduct der Frau Majorin in Trauerkleidern am Markt-
Platzc zu erwarten, die Gemeindekapclle einen Trauerchor an-
stimme» zu lasten, worauf sich der Knabenchor hinter dem
Leichenwagen, ein Grabeslied singend, anzuschließen habe. Beim
Herabnehmen des Sarges vom Wagen haben weiß gekleidete

seine Fra».

Mädchen Todtenkränze auf denselben zu legen, und die vier
Gemeinderäthe tragen dann die edle Verstorbene auf eigenen
Schultern durch den Park zur Gruft. —

Zum Glücke erhielt die Schullehrerin am folgenden Morgen
einen Brief von ihrem Manne, worin er ihr meldete, daß er
nach den Anordnungen des Majors mit ihm und dessen Frau
am selben Abend 8 Uhr in Grüneck eintrcffcn werde. Für
diese Stunde war daher Alles ans dem Marktplatz versammelt,
wie es in dem Beschlüsse des Gemeinderathcs lag. Da man
sich aus Vorsicht um eine Stunde früher eingefunden hatte, so
benützte man die noch übrige Frist, um so zu sagen eine Probe
der folgenden Ccremonie abzuhalten. So stellte sich Alles in
Reih' und Glied, die weißen Mädchen mit den Kränzen voran,
hinter ihnen die Gemeinderäthe, den Bürgermeister an der Spitze,
dann die anderen Honoratioren, Herren und Frauen. Die
Capelle stimmte den Traucrmarsch an, darauf die Knaben den
Grabesgcsang. Eine allgemeine Rührung bemächtigte sich der
Versammelten.

„Es wird wirklich ergreifend nusfallen!" sagte befriedigt
der Bürgermeister.

Da meldete ein ausgestellter Posten zu Pferd, der Metzgcr-
knccht Jakob, der verhängten Zügels einhersprengte, daß der
„Leichenwagen", mit vier Pferden bespannt, in sonderbarer Eile
herankomme. Man stellte sich in Position. Aber statt des

Leichenwagens erschien des Majors vierspännige Kalesche, aus
deren Bock der Schullehrer saß.

„Der Leichenwagen wird folgen!" meinte der Bürgermeister.

„Da wir eigentlich den Major ehren lvollen", fuhr er fort,
als der Wagen nur mehr 10 Schritte entfernt war, „so sollen
die Musiker loslassen!"

Diese ließen sogleich die Posaunen in markerschütternden
Accordcn ertönen. Der Major befahl dem Kutscher zu halten.

„Ein Leichenbegängniß?" rief er zum Schullehrer hinaus.
„Warten lvir bis cs vorbei ist, und erkundigen Sie sich, Herr
Schullehrer, wer denn so feierlich begraben Ivird."

Der Schullehrer sprang vom Bocke, und wandte sich
sogleich an den Herrn Bürgermeister.

„Ich bitte, Herr Bürgermeister, lvcr ist denn gestorben?"

Erstaunt sah der Gefragte den Fragenden an. Dann
besann er sich, und sagte vertraulich dem Schullehrer in's Ohr:
„Wir wollen dem Herrn Major unsere aufrichtige Theilnahmc
beweisen!"

Nun >var das Erstaunen an dem Schullehrer.

„Aber Herr Bürgermeister!" lvagtc er zu bemerken, „das
war ja ein — Trauermarsch!"

„Ja, sollte ich etwa „ Schnadcrhüp fcl" aufspielen
lassen?" entgcgnete Pikirt der Bürgermeister. Der Schullehrer
war nahe daran, zu glauben, beim Bürgermeister rapple cs.

„Sagen Sie mir lieber," wandte sich dieser weiter a»
den Schullehrer, „wo sich denn die Leiche eigentlich befindet?

„Die Leiche?" stotterte der Schullehrer. „Was für eine . . -
Leiche?"

„Nun, der Leichnam der Frau Majorin!" brummte der
Bürgermeister.
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