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178 Ein Abenteuer

meiner Liebe — dem postillon d’amour, wie der Franzose sagt —
bis an den Eispol folgen würde. Sie würden —"

„Bitte, bitte, mein gnädiges Fräulein," fiel der Doctor
ihr in's Wort; „ein Mann von Adel fragt nicht nach äußeren
Schätzen, und ein Herz, wie das Ihrige, findet auch so seine»
Weg hinter die schwedischen Gardinen."

Adelgunde rang die Hände und mit einem Alles durch-
j bohrenden Gefühle rief sie: „Entweder aut oder aut, — Sie
verstehen mich doch, Herr Doktor, das heißt: entweder gehe ich
mit Ihnen oder mit Keinem nach Schweden; denn ich —
ich —"

„Ich liebe Sic," vollendete l)r. von Ballenstädt den Satz,
„ich sehe jetzt ein, daß die Liebe das ganze Leben ist."

Ein wirkliches Gefühl der Liebe begann seine Brust zu
durchglühen, zärtlich legte Adelgunde ihre Rechte in die seine
und im nächsten Momente hielten sich die Beglückten innig um-
schlungen. Der Miniaturpudel, in der Meinung seiner Herrin
oder ihm geschehe ein Unrecht, stimmte ein infernalisches Geheul
an, als wollte er nun seiner Gebieterin zurufen: „Du sollst
keine anderen Götter haben neben mir". Aber Adelgunde hörte
nicht auf sein Wehklagen, sie hatte einen andern Gott gefunden
und schien entschlossen, ihm bis an das Ende der Welt zu
folgen.

Doktor von Ballenstädt schmiegte sich kosend an seine
Adelgunde an, drückte einen Kuß auf ihre Rosenlippen; doch im
nächsten Augenblicke fuhr er erschreckt zurück — der Bart
seiner Holden hatte die zarte Haut seiner Oberlippe gestochen
und mit dem Gedanken „Keine Rose ohne Dornen" setzte er
seine Kußprocedur auf dem abgetragenen Handschuh Adelgundens
fort. — Die Herzen zweier Sprößlinge der edelsten Geschlechter
unseres Jahrhunderts hatten sich einander bis in den Tod
ergeben. —

Jetzt war es Fräulein von Bieberhauscn, welche das
Wort zuerst ergriff und mit der Emphase einer Jungfrau von
Orleans rief: „in ckrinitato rodur! nicht wahr, Dn Sonne
meines Herzens: die Liebe ist des Menschen Himmelreich? — I
Aber ich weiß noch nicht einmal Deinen Taufnamen."

„Ein Wolfgang ist cs, der Dein Herz besitzt, Du holdes
Täubchen," erwiderte dieser.

„Wolfgang! Wolfgang! o das ist entzückend, so heißt
mein Licblingsdichtcr Goethe auch. Doch nun. noch eine Bitte,
liebstes Wolfgängchen, mach' mir doch eine Liebeserklärung auf
Schwedisch!" —

Der so Gebetene war im ersten Augenblicke consternirt,

! dann aber leuchtete sein Auge auf, er wandte sich einen Moment
von seiner Geliebten ab, holte aus der Tasche seines Rockes
eine Schachtel mit schwedischen Zündhölzchen hervor, heftete
auf dieselbe einen durchdringenden Blick und lag im nächsten
Momente schon dem Engel seines Herzens zu Füßen. Mit dem
J Pathos, wie er eigentlich nur einem Don Carlos seiner Mutter
gegenüber gestattet ist, deklamirte er unter zärtlichem Angenver-
drehen :

„Säkerhets- tändstickor — utan svafvel och fosfor —
Tända endast mot lädans plan!

im Postwag en.

Während noch ein glühender Kuß den theuren Wolfgang
für seine so herzergreifend vorgebrachte Liebeserklärung belohnte,
ertönte draußen eine Männerstimme: „He, he, Schwager, halten
Sic mal eben still!" Und der Postwagen hielt vor dem Schul-
hause des Gutes Lenkendorf; ein kleiner, dicker Herr, mit einer
Brille bewaffnet und einem riesenhaften Calabreser bedeckt,
öffnete die Wagenthür und hatte in wenigen Sekunden Platz
genommen. — Wolfgaug und Adelgunde waren auffällig bleich
geworden und hatten in demselben Augenblicke, als der neue
Passagier sich setzte, wie auf Commando ihre Köpfe zu verschiedenen
Seiten des Wagens hinausgesteckt.

Mit immer größerer Cerberuswuth hieb der pausbackige j
Postillon die hinkenden Braunen; der kleine dicke Herr, in dem
man ans den ersten Blick einen Candidaten erkennen konnte,
hatte mit dem Schnupftuch seine Brille vom Thau befreit »nd >
betrachtete nun seine Umgebung.

„Eigenthümliche Reisegesellschaft," rcflcktirtc er, „stecken
da schon über eine Viertelstunde die Köpfe zum Fenster hinaus,
als ob hier neapolitanische Naturschönheiten zu bewundern ivärcn; j
möchte doch wissen, was die da draußen zu sehen haben." "
Plötzlich zog unser Freund seinen Kopf zurück, und mit dem
Ausdrucke der Verwunderung rief der kleine, mit der Brille
belvaffucte und einem Calabreser bedeckte Herr: „Aber §err
Brinckmann, was —"

„Pst!" unterbrach ihn der Gefragte, den Zeigefinger aus
den Mund legend, „kein Wort, oder —"

In diesem Momente zog auch Adelgunde sich in lm-
Jnncre des Wagens zurück, während sofort wieder der Kops
ihres Geliebten zum Fenster hinaus flog. — Der kleine He"
erstaunte jetzt noch mehr, aber die schöne Verlobte ließ ihA
keine Zeit zum Reden, sondern flüsterte mit ängstlicher Stimme -
„Um des Himmelswillcn, verrathen Sic mich nicht, He"
Stegclniann, in Ihrer Hand liegt das Glück meiner Zukunft-
Ich habe mich soeben mit jenem Herrn, einem Dr. von
Ballenstädt aus Schlvcde», verlobt, aber —"

Mochte es nun dem zarten Wolfgang draußen zu l(llt
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Ein Abenteuer im Postwagen"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Herr <Motiv>
Verlieben
Dame <Motiv>
Verlöbnis <Motiv>
Karikatur
Liebe <Motiv>
Postkutsche <Motiv>
Handgeste
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Digitales Bild
Rechtsstatus
Alle Rechte vorbehalten - Freier Zugang
Creditline
Fliegende Blätter, 62.1875, Nr. 1559, S. 178
 
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