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Für das Photo
es zum Vorschein, uM besichtigt zu werden. Papa betrachtet
es als eine Art Chronik. Die bevorzugtesten Herren des Ge-
schäftes haben sämmtlich dazu ihre Porträts geliefert. Papa
ist außerordentlich erfreut, wenn sie ihn damit beschenken. Als
eine Erinnerung für das Leben, wie er sich auszudrücken pflegt."
„Da muß man wohl erst längere Zeit im Geschäft gewesen
sein", meinte Schmidt, „um die Ehre zu haben, in das Albuin
ausgenommen zu werden!"
„Oh ganz und gar nicht", erwiderte sie nachdrücklich.,
„Papa besitzt großen Scharfblick und weiß gleich im ersten
Moment zu unterscheiden, wer des Vorzugs würdig ist."
Schmidt knöpfte langsam seinen Frack zu, obgleich ihn eben
eine ziemlich starke Hitze überflog. Wenn ich doch auch mein
Bildniß ihr aubieten könnte, ging ihm durch den Sinn; aber
cs wäre zu unbescheiden. Seine Schüchternheit wurde durch
das freundliche Entgegenkommen Sclma's sogleich gehoben.
„Haben Sic sich schon photographircn laßen?" fragte sic,
und ein süßes Lächeln bezauberte ihn.
„Gewiß, erst im vorigen Jahre. Aber meine Freunde
behaupteten, daß die Aufnahme keine gute gewesen sei. Wenn
Sic selbst entscheiden wollten — ich glaube, daß ich in meiner
Brieftasche. — "
Während er die Hand zur Seitentasche des Frackes erhob,
unterbrach sie ihn sehr entschieden: „Lassen Sie nur! Nichts
kann mich mehr ärgern, als ein schlechtes Porträt. Nein, man
muß die Person vor sich sehen, als ob sie lebte. Ich empfehle
Ihnen den Photographen, bei dem ich arbeiten lasse."
„Ich werde sicherlich in den nächsten Tagen zu ihm gehen",
antwortete er crröthcud.
Dort war jedenfalls eine Photgraphic von ihr zu haben.
Er lvar stolz darauf, daß er den leisen Wink augenblicklich ver-
standen hatte.
„Und sic händigen mir dann für Papa —", sic sprach
den Satz nicht aus, sondern neigte ein wenig wie bittend den Kopf.
„Mit großem Vergnügen", cntgegnctc er eifrig. „Es ist
mir eine sehr hohe Ehre."
„Aber bald, ich verreise in einigen Wochen."
„Der Photograph muß sic mir spätestens in acht Tagen
liefern", sagte er sehr bestimmt. „Ich werde darauf dringen."
„Es ist wirklich liebenswürdig von Ihnen."
Eben trat Herr Findius in die Veranda, und seine Tochter
beeilte sich, ihm davon Kcnntniß zu geben, daß Herr Schniidt
ihr ein ähnliches Porträt — sic betonte das Beiwort zicnilich
stark — für das Album zugcsichcrt habe. Findius schüttelte
ihm die Hand und erklärte, daß er dicß als einen großen
Beweis der Anhänglichkeit an sein Haus betrachte. Und Schmidt
versicherte, daß er noch nie sich wohlcr bcsiindcn habe, als unter
seiner Leitung, und wagte dabei dem Fräulein einen innigen
Blick zuzuwerfen, die jedoch gerade nach der andern Seite ging,
um von den sich empfehlenden Gästen Abschied zu nehmen.
Natürlich ließ sich Schmidt schon am folgenden Mittag
photographircn. Ein Porträt von Fräulein Findius konnte er
aber nicht erlangen, da die Platte an sic abgelicfert worden
war. Pünktlich nach acht Tagen machte er sich sodam, aus den
graphie-Album.
Weg zur Villa, um die in Seidcnpapier cingeschlagene Photo-
graphie abzuliefern. Der Wagen stand vor der Thürc,
aber Fräulein Findius, die eben mit der Mutter auszufahreu
beabsichtigte, nahm noch rasch seine Gabe entgegen und verglich
seine Züge prüfend mit dem Bildniß.
„Recht ähnlich", sagte sie. „Sic haben Wort gehalten,
Herr Schmidt, ich danke Ihnen."
Sie grüßte etwas förmlich und verließ das Zimmer.
Schmidt folgte ihr langsam und hatte Gelegenheit, den kleinen
Fuß zu bewundern, der leicht den Wagcutritt berührte.
Gegen den Kassircr hatte er völliges Stillschweigen in
Betreff seines Erlebnisses bewahrt; wozu, dachte er, braucht dieser
zu wissen, daß ich vom Chef und seiner Tochter bevorzugt
werde? Ucbrigcns hatte dieser auch keinerlei Neugierde an den
Tag gelegt, über den Verlauf des Mittagessens Näheres zu erfahren.
Es konnte keinen unverdrosseneren Arbeiter für das Bank-
haus geben als Schmidt, jedoch der Chef, welcher täglich einmal
nach der Kasse heruuterkam, pflegte ihn mcistcnthcils nicht zu
beachten, sondern verhandelte mit dem älteren Kassircr; cs schic»,
als ob er gänzlich vergessen habe, daß Schmidt an seiner Tafel
gesessen und einen Beweis seines Vertrauens erhalte» habe.
Schmidt wartete ruhig. Selma war mit ihrer Mutter zu
Verwandten gereist, und erst nach zwei Monaten kehrten sie
zurück. Sein Herz schlug rascher, als er zum ersten Male wieder
auf seiner gewöhnlichen abendlichen Wanderung das Zimmer der
Tochter hell erleuchtet sah. Er hoffte, daß jetzt bald eine Ein-
ladung erfolgen werde. Aber Woche auf Woche verstrich, ohne
daß diese Hoffnung in Erfüllung ging, und trotz seiner viel-
fachen Bemühungen wollte cs ihm auch nicht gelingen, ihr zu
begegnen. Nur einmal war sic im Wagen an ihm vorübcr-
gefahrcn; er hatte ehrerbietig gegrüßt, aber sein Gruß war nur
mit einem leichten Kopfnicken erwidert worden. Offenbar hatte
sie ihn nicht erkannt.
Es war an einem Sonnabend, und die Kassa sollte eben
geschlossen werden, als der Kassircr ihn frug, ob er für morgen
zum Chef cingcladcn sei,
Schmidt verneinte einigermaßen betrübt.
„So, so", antwortete jener. „Ich bin ausnahmsweise
ciugcladen worden. Es soll dort morgen ein besonderes Fest
stattfinden, wie man munkelt. Waren Sic schon zweimal bei ihm?"
„Nein, erst einmal."
„Dann müssen Sie es nicht klug angefangcn haben,"
meinte der Kassircr, „haben Sie Ihre Photographie denn schon
abgelicfert?"
„Wissen Sic davon?" Schmidt machte sehr verwunderte
Augen.
„Nun ja, zu diesem Zweck waren Sic ja eben bei ihm
cingcladcn, daß Sic dazu aufgcfordcrt würden. Ein Dienst ist
des anderen werth."
„Also blos dcßhalb, um meine Photographie verlangen zu
können?"
„Nur dcßhalb. Hätten Sic bis jetzt gezögert sic hcrzu-
gcbcn, würden Sic wahrscheinlich morgen ebenfalls beim Chef
cffcn, um von der Tochter hieran erinnert zu werden."
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Für das Photo
es zum Vorschein, uM besichtigt zu werden. Papa betrachtet
es als eine Art Chronik. Die bevorzugtesten Herren des Ge-
schäftes haben sämmtlich dazu ihre Porträts geliefert. Papa
ist außerordentlich erfreut, wenn sie ihn damit beschenken. Als
eine Erinnerung für das Leben, wie er sich auszudrücken pflegt."
„Da muß man wohl erst längere Zeit im Geschäft gewesen
sein", meinte Schmidt, „um die Ehre zu haben, in das Albuin
ausgenommen zu werden!"
„Oh ganz und gar nicht", erwiderte sie nachdrücklich.,
„Papa besitzt großen Scharfblick und weiß gleich im ersten
Moment zu unterscheiden, wer des Vorzugs würdig ist."
Schmidt knöpfte langsam seinen Frack zu, obgleich ihn eben
eine ziemlich starke Hitze überflog. Wenn ich doch auch mein
Bildniß ihr aubieten könnte, ging ihm durch den Sinn; aber
cs wäre zu unbescheiden. Seine Schüchternheit wurde durch
das freundliche Entgegenkommen Sclma's sogleich gehoben.
„Haben Sic sich schon photographircn laßen?" fragte sic,
und ein süßes Lächeln bezauberte ihn.
„Gewiß, erst im vorigen Jahre. Aber meine Freunde
behaupteten, daß die Aufnahme keine gute gewesen sei. Wenn
Sic selbst entscheiden wollten — ich glaube, daß ich in meiner
Brieftasche. — "
Während er die Hand zur Seitentasche des Frackes erhob,
unterbrach sie ihn sehr entschieden: „Lassen Sie nur! Nichts
kann mich mehr ärgern, als ein schlechtes Porträt. Nein, man
muß die Person vor sich sehen, als ob sie lebte. Ich empfehle
Ihnen den Photographen, bei dem ich arbeiten lasse."
„Ich werde sicherlich in den nächsten Tagen zu ihm gehen",
antwortete er crröthcud.
Dort war jedenfalls eine Photgraphic von ihr zu haben.
Er lvar stolz darauf, daß er den leisen Wink augenblicklich ver-
standen hatte.
„Und sic händigen mir dann für Papa —", sic sprach
den Satz nicht aus, sondern neigte ein wenig wie bittend den Kopf.
„Mit großem Vergnügen", cntgegnctc er eifrig. „Es ist
mir eine sehr hohe Ehre."
„Aber bald, ich verreise in einigen Wochen."
„Der Photograph muß sic mir spätestens in acht Tagen
liefern", sagte er sehr bestimmt. „Ich werde darauf dringen."
„Es ist wirklich liebenswürdig von Ihnen."
Eben trat Herr Findius in die Veranda, und seine Tochter
beeilte sich, ihm davon Kcnntniß zu geben, daß Herr Schniidt
ihr ein ähnliches Porträt — sic betonte das Beiwort zicnilich
stark — für das Album zugcsichcrt habe. Findius schüttelte
ihm die Hand und erklärte, daß er dicß als einen großen
Beweis der Anhänglichkeit an sein Haus betrachte. Und Schmidt
versicherte, daß er noch nie sich wohlcr bcsiindcn habe, als unter
seiner Leitung, und wagte dabei dem Fräulein einen innigen
Blick zuzuwerfen, die jedoch gerade nach der andern Seite ging,
um von den sich empfehlenden Gästen Abschied zu nehmen.
Natürlich ließ sich Schmidt schon am folgenden Mittag
photographircn. Ein Porträt von Fräulein Findius konnte er
aber nicht erlangen, da die Platte an sic abgelicfert worden
war. Pünktlich nach acht Tagen machte er sich sodam, aus den
graphie-Album.
Weg zur Villa, um die in Seidcnpapier cingeschlagene Photo-
graphie abzuliefern. Der Wagen stand vor der Thürc,
aber Fräulein Findius, die eben mit der Mutter auszufahreu
beabsichtigte, nahm noch rasch seine Gabe entgegen und verglich
seine Züge prüfend mit dem Bildniß.
„Recht ähnlich", sagte sie. „Sic haben Wort gehalten,
Herr Schmidt, ich danke Ihnen."
Sie grüßte etwas förmlich und verließ das Zimmer.
Schmidt folgte ihr langsam und hatte Gelegenheit, den kleinen
Fuß zu bewundern, der leicht den Wagcutritt berührte.
Gegen den Kassircr hatte er völliges Stillschweigen in
Betreff seines Erlebnisses bewahrt; wozu, dachte er, braucht dieser
zu wissen, daß ich vom Chef und seiner Tochter bevorzugt
werde? Ucbrigcns hatte dieser auch keinerlei Neugierde an den
Tag gelegt, über den Verlauf des Mittagessens Näheres zu erfahren.
Es konnte keinen unverdrosseneren Arbeiter für das Bank-
haus geben als Schmidt, jedoch der Chef, welcher täglich einmal
nach der Kasse heruuterkam, pflegte ihn mcistcnthcils nicht zu
beachten, sondern verhandelte mit dem älteren Kassircr; cs schic»,
als ob er gänzlich vergessen habe, daß Schmidt an seiner Tafel
gesessen und einen Beweis seines Vertrauens erhalte» habe.
Schmidt wartete ruhig. Selma war mit ihrer Mutter zu
Verwandten gereist, und erst nach zwei Monaten kehrten sie
zurück. Sein Herz schlug rascher, als er zum ersten Male wieder
auf seiner gewöhnlichen abendlichen Wanderung das Zimmer der
Tochter hell erleuchtet sah. Er hoffte, daß jetzt bald eine Ein-
ladung erfolgen werde. Aber Woche auf Woche verstrich, ohne
daß diese Hoffnung in Erfüllung ging, und trotz seiner viel-
fachen Bemühungen wollte cs ihm auch nicht gelingen, ihr zu
begegnen. Nur einmal war sic im Wagen an ihm vorübcr-
gefahrcn; er hatte ehrerbietig gegrüßt, aber sein Gruß war nur
mit einem leichten Kopfnicken erwidert worden. Offenbar hatte
sie ihn nicht erkannt.
Es war an einem Sonnabend, und die Kassa sollte eben
geschlossen werden, als der Kassircr ihn frug, ob er für morgen
zum Chef cingcladcn sei,
Schmidt verneinte einigermaßen betrübt.
„So, so", antwortete jener. „Ich bin ausnahmsweise
ciugcladen worden. Es soll dort morgen ein besonderes Fest
stattfinden, wie man munkelt. Waren Sic schon zweimal bei ihm?"
„Nein, erst einmal."
„Dann müssen Sie es nicht klug angefangcn haben,"
meinte der Kassircr, „haben Sie Ihre Photographie denn schon
abgelicfert?"
„Wissen Sic davon?" Schmidt machte sehr verwunderte
Augen.
„Nun ja, zu diesem Zweck waren Sic ja eben bei ihm
cingcladcn, daß Sic dazu aufgcfordcrt würden. Ein Dienst ist
des anderen werth."
„Also blos dcßhalb, um meine Photographie verlangen zu
können?"
„Nur dcßhalb. Hätten Sic bis jetzt gezögert sic hcrzu-
gcbcn, würden Sic wahrscheinlich morgen ebenfalls beim Chef
cffcn, um von der Tochter hieran erinnert zu werden."
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