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Erkämpft.

liches Gesichtchen trübe — um die Lippen zuckte es wehmüthig
und aus den Augen sprach ein stiller Schmerz. Das Mädchen
■ blieb so eine Minute lang stehen und beobachtete den alten
Mann, — endlich ging es leisen Schrittes zu ihm hin.

„Ich danke Dir, daß Du so schnell gekommen bist," rief
I der alte Herr, als ihm eine feine, weiße Hand, die sich auf
seine Schulter legte, anzcigtc, daß das junge Mädchen bei ihm
stehe. Einen Augenblick schien es, als wolle der Anblick der
reizenden Erscheinung seine trüben Züge erhellen, dann wurden
sie aber nur noch trauriger. „Ich habe heute ernst mit Dir zu
reden, mein Töchterchen — wird mir mein munteres Wald-
vöglein geduldig zuhören?"

„O wie gern, mein Herzensväterchen," rief das „Wald-
vöglein", indem es die zarten Arme, welche blendend weiß aus
dem bequemen Hauskleidchen hervorlugten, um den Hals des
Alten schlang — „wie gern! Ich Hab' schon seit Wochen bemerkt,
daß Du nicht mehr so fröhlich bist, wie früher, Papa —
ich habe Dich schon oft beobachtet, wenn Du so still in
Deinem Sorgenstuhl saßest, wie eben jetzt; ich getraute mir nie
zu fragen, was Dich bedrücke — nicht wahr, jetzt sagst Du es
mir? Sprich immer nur getrost ernst mit mir, vielleicht kommt
so der trübe Ernst von Deinem Gesicht mit fort, dem er gar
nicht so gut steht, wie das gütige Lächeln, welches Du früher
für Dein Töchterchen hattest!" Dabei schaute die Kleine mit
, freundlich-bittenden Augen in das Gesicht des Alten. „Bist Du
vielleicht böse auf mich; habe ich Dich gekränkt, daß Du so
; traurig bist, mein Väterchen?" fuhr sie mit schmeichelnder
Stimme fort.

„Wie dürfte ich böse auf Dich sein," rief der alte Herr mit
herzlicher Stimme, indem seine Mienen sich auf einen Augen-
blick erhellten, „seitdem Deine gute Mutter tobt ist, bist Du ja
mein ganzes, mein einziges Glück — wirst Dn auch das Glück
meines ferneren Lebens begründen?" setzte er leise hinzu.

„Papa, kannst Du noch fragen? Ich will immer bei
Dir bleiben, ich will Dich pflegen. Dich lieb haben — und
wenn ich einmal eine Hausfrau werde," — dies sagte das
liebliche Mädchen mit wichtig-lächelndem Gesicht, wurde aber
purpurroth dabei — „wenn ich einmal eine Hausfrau werde,
so nehme ich Dich mit in das Hans meines gestrengen Herrn
Gemahls als bestes Heirathsgut!"

Der Alte zuckte wie schmerzlich berührt auf bei den letzten
Worten. „Denkst Du noch viel an Vetter Kuno?" sagte er
mit fast rauher Stimme.

„Warum nicht, Papa! Du weißt, ich liebe ihn, ich liebe
ihn fast so, wie Dich!"

„Du liebst ihn fast so wie mich?" fragte der alte Herr,
indem er das kleine Wörtchen „fast" scharf betonte.

„Du weißt, Papa, daß ich der seligen Mutter noch ans
ihrem Sterbelager versprochen habe. Dich mehr zu lieben, als
alle Menschen, weil Du der beste von allen seist. Ich liebe
Dich auch mehr als Alle, selbst mehr als Kuno — er ist aber
nach Dir sicher der beste und edelste Mann. Jede Nacht träume
ich von ihm, jede Stunde denke ich an ihn — mir ist cs, als thäte
ich Alles, was ich thue, für ihn; — und er liebt mich ja auch

so sehr! Ich hab's in seinen Augen gelesen, Papa," setzte sie
erröthend hinzu, „wenn sein Mund es mir auch noch nicht ge-
sagt hat —gewiß, er liebt mich! Und sich, mein Väterchen,
Du weißt nicht, wie glücklich ich war, als ich Dir vor einem
halben Jahr zum ersten Mal gestand, wie es in meinem Herzen
aussieht, und Du mir erlaubtest, meinen Kuno zu lieben und immer
an ihn zu denken! Ich habe ja der Mama versprochen, Deinem
Rathe in Allem zu folgen — wie unglücklich wäre ich geworden,
hättest Du mir verboten ihn lieb zu haben!"

Der Alte hatte bei diesen Worten seine Augen mit der
Hand bedeckt — seine Brust arbeitete heftig — er wurde bleich
— besorgt und erschreckt sah ihn das zarte Mädchen an — da
sagte er plötzlich dumpf: „Und doch muß ich Dir jetzt verbieten,
ihn ferner zu lieben!"

„Vater!" schrie das junge Mädchen erbleichend. Sie hatte
an der Stimme des Alten gehört, daß er mit jenen Worten nicht
gescherzt. „Vater," hauchte sie fast tonlos, „Du kannst mein
Unglück nicht wollen! Wann ich aufhöre, Kuno zu lieben, höre
ich auch auf zu leben! Ich liebe ihn ja mehr, als Alles auf
der Welt!"

„Aber nicht mehr als mich! Sagtest Du nicht vorhin so?
Hattest Du nicht Deiner Mutter versprochen, mich mehr als
Alles zu lieben?" Der alte Mann wurde hart, der Widerstand
seiner Tochter gab ihm Kraft, auch ihren Worten zu widerstehen.
„Wenn Du Kuno noch ferner liebst, so machst Du mich un-
glücklich — nun wühle! Ich, der „alte, stolze Gerichtspräsident von
Walter", wie mich die Leute nennen, ich habe noch Niemand um
etwas gebeten — Dich, meine Tochter, flehe ich an" — hier
wurde die Stimme des Alten weicher — „entsage mir zu Liebe
Kuno! Höre mich au: Du kennst den unglücklichen Ausgang des
Processes, der vor meinem Richterstuhl durch einen Fehler,
den ich beging, dem Grafen von Marwitz, dem entschiedenen
Günstling unseres Fürsten, nebenbei dem Vorgesetzten Kuno's,
verloren ging. Der Graf hat appellirt und wird sein Recht
bekommen. Der Fürst ist aber so entrüstet über meine Nach-
lässigkeit, daß er mich entlassen will. Du weißt, daß ich daun
verloren bin. Mir ist mein Amt an das Herz gewachsen —
vor mir lag bis jetzt eine glänzende Zukunft, die höchsten Staffeln
waren für mich erreichbar — jetzt muß ich alle meine Hoffnungen
aufgebcu. Du weißt, Bertha, wir sind tief verschuldet — ver-
liere ich mein Amt, so wird unser geringes Vermögen kaum
ausreichen, mich meinen Gläubigern als ehrlichen Mann zu
zeigen. Ich bin dann arm, ohne Stellung, verachtet — mit
einem Wort: ein elender Bettler. Nur Du kannst mir helfen!"

„Ich, Vater?" frng Bertha, welche unwillkürlich aufmerksam
geworden war.

„Ja, Du! Höre weiter: Während ich so bis jetzt mich
am Rande des Abgrunds sah, hat mich ein Brief des Grafen
Marwitz, den ich heute Früh erhielt, neue Hoffnung fassen
lassen, und diese Hoffnung beruht auf Dir. Marwitz schrieb
mir, er bcdaure von Herzen das Unglück, welches über mich
seinetwegen hereinzubrechen drohe, er bcdaure es um so mehr,
weil er mich immer hochgeachtet, weil er sogar seit letztem
Sommer inniges Jntcrcssc an meinem Wähle nehme. Im letzten
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