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Erkämpft.
Sommer habe er bei seinem Aufenthalte hier Dich kennen, Dich
lieben gelernt!"
„O, mein Gott," rief das unglückliche Mädchen, „um
Alles in der Welt, mein Vater, verkaufe mich nicht!" Sie sank
flehend zu den Füßen ihres Vaters nieder.
„Höre weiter, ich bitte Dich — bei dem Andenken an
Deine Mutter, höre mich geduldig an!" Bertha schwieg, und
er drückte sanft ihr Haupt an seine Brust, dann fuhr er mit
zitternder Stimme fort: „Das Loos an seiner Seite würde für
Dich kein trauriges sein. Er ist reich, gebildet, mächtig, ein
schöner, liebenswürdiger Mann und, was noch mehr ist in
meinen Augen — er ist ein gemüthreicher und ehrlicher Mann,
er meint cs treu mit Dir, er wird Dich innig lieben!"
„Aber ich kann diese Liebe nie erwidern, Vater, ich kann
es nicht — in meinem Herzen wohnt das Bild Kuno's und
nichts wird es daraus verdrängen können!"
„Bedenke, Kind," erwiderte der Alte, „mein Glück ist an
Deine Heirath mit Marwitz geknüpft — sein Wort ist beim
Fürsten mächtig genug. Alles vergessen zu machen. Entsage
Deiner Liebe zu Kuno — um meinetwillen, um Deinen Vater
glücklich zu machen!"
Tiefe Stille war in dem großen Zimmer nach den letzten
Worten des alten Walter eingetreten. Die Sonne war längst
hinter den Bergen verschwunden und die einbrcchende Nacht
breitete düstere Schatten über die Gegenstände im Gemache.
Man hörte nur die hastigen Athemzüge Berthas, über deren
braunes Haar die Hand des Vaters wie tröstend, aber zitternd
vor Aufregung, leise hinglitt. Er wollte ihr Ruhe lassen, sich
zu sammeln.
Endlich brach sic das Schweigen. „Bedenke, Vater, was
Du thnst, ehe Du mich zwingst. Dir zu gehorchen," sprach sie
mit unsicherer Stimme. „Was ist daran gelegen, ob Du Ver-
mögen und Amt verlierst — bleibt Dir doch meine und Kuno's
Liebe. Er ist zwar unvermögend, aber in zwei Jahren wird er
Hauptmann sein und kann mich dann heimführen. Durch unsre
Liebe, die erhöht ist durch das Opfer, welches Du uns gebracht,
wirst Du auf's Nene glücklich werden!" Mit diesen Worten
schmiegte sic sich bittend an die Brust des Alten.
„Vergißt Du, Kind, daß Marwitz Obrist in demselben
Regimcnte ist, in welchem Kuno Walter dient? Glaubst Du,
er werde nicht seine ganze Macht gebrauchen, um Kuno, wenn
dieser erst Dein Bräutigam ist, zu schaden? Er ist stolz —
sehr stolz; er wird es Dir, er wird es Kuno nie verzeihen,
wenn Du meinem Rathc nicht folgst — wenn Du ihn, den
mächtigen Marwitz, zurückweisest. Laß Dich überreden, mein
Kind! Willst Du, daß Kuno Deinetwegen aus seiner Carriere,
in der er sich bis jetzt so sehr auszeichnetc, in der er, der
tapfre Soldat, bei den unruhigen Zeiten, die wir jetzt
haben, gewiß noch die höchsten Ehren ernten würde, heraus-
gerissen werde. Ich bitte Dich um Kuno's willen, wenn Du
kein Erbarmen mit Deinem alten Vater hast, thu', wie ich Dir
sage. Wohl weiß ich, das Opfer ist groß, welches' Du
bringst, aber Du rettest dadurch Deinen unglücklichen Vater und'
erhältst Kuno auf der Bahn der Ehre — oder 'glaubst Du, daß
!
Du schwaches Mädchen ihm genug Ersatz bieten könntest für das,
was er durch Dich einbüßen würde! Bitterkeit und Erkaltung
würde und müßte später bei ihm eintreten!"
Das unglückliche Mädchen barg ihr Gesicht weinend in
seinen Schooß und ihr Schluchzen schnitt tief ein in seine Seele;
endlich ermannte sie sich. Sic stand ans, ging langsam gegen
die Thür, als wolle sie die Einsamkeit anfsuchen und mit den
wildesten Stürmen in der Brust allein sein. Da wandte sie
sich noch einmal um; ihre Blicke trafen zufällig das Bild ihrer
Mutter, welches, über dem Schreibtische hing — sic trafen den
alten Mann, ihren Vater, der sie flehend und mit gramdurchfnrchten
Zügen ansah. „Ich gehorche Dir, mein Vater!" rief sic, eilte
auf ihn zu, küßte ihn und weinte laut an seinem Halse. Der
Alte legte seine Hand segnend auf ihr Haupt — doch ehe er
Worte finden konnte, entwand sie sich ihm und entfloh durch
die Thür. Der Gerichtspräsident stand auf, klingelte und be-
fahl Licht. Noch an demselben Abend schrieb er an Marwitz.
Eine Stunde später kam seine Tochter zu ihm herein, um mit
ihm zu Tisch zu gehen. Sie war noch blässer als sonst; ihre
gerötheten Augen blickten entschlossen aber traurig in die seinen,
als er Bertha wehmüthig lächelnd in die Arme schloß.
Ein Abend hatte genügt, aus dem fröhlichen unbefangenen
Kinde ein ganz anderes Wesen zu schassen. „Danke mir nicht,
mein Vater," sagte sie, „und erwähne nie wieder, was heute
hier vorgefallcn — ich will suchen, glücklich zu werden in Deinem
Glücke! _ (Schluß folgt.)
Heikle Frage.
Sohn: „Du, Papa, an dem Haus da steht Or. Bitter-
wasser, praktischer Arzt; — gibt es denn auch unprakt-
ische Ae rzte?"
Klugheitsregel.
Um die Forellen zu berücken,
Auf daß sie werden sein Gewinn,
Wirft täuschend nachgeahmtc Mücken
Der Fischer auf das Wasser hin;
Läßt auf dem glatten Spiegel schnelle
Sie Hüpfen, tanzen schillernd bunt;
Tief drunten liegt ein alter Geselle
Behäbig auf dem kiesigen Grund;
Er schaut empor zum muntern Reigen:
„Das wäre kein so übler Fall!"
Er läßt sich sachte aufwärts steigen:
„Besch'n wir uns die Sach' einmal."
Und wie der Angler späht beklommen
Nach seinem Opfer des Betrugs, —
Ach — in die Höhe kaum gekommen,
Kehrt es schon wieder abwärts flugs.
„Zum Teufel fahre meinetwegen! —
Weil er allein hier weit und breit,
So nimmt der. Schuft zum Ueberlegen
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Erkämpft.
Sommer habe er bei seinem Aufenthalte hier Dich kennen, Dich
lieben gelernt!"
„O, mein Gott," rief das unglückliche Mädchen, „um
Alles in der Welt, mein Vater, verkaufe mich nicht!" Sie sank
flehend zu den Füßen ihres Vaters nieder.
„Höre weiter, ich bitte Dich — bei dem Andenken an
Deine Mutter, höre mich geduldig an!" Bertha schwieg, und
er drückte sanft ihr Haupt an seine Brust, dann fuhr er mit
zitternder Stimme fort: „Das Loos an seiner Seite würde für
Dich kein trauriges sein. Er ist reich, gebildet, mächtig, ein
schöner, liebenswürdiger Mann und, was noch mehr ist in
meinen Augen — er ist ein gemüthreicher und ehrlicher Mann,
er meint cs treu mit Dir, er wird Dich innig lieben!"
„Aber ich kann diese Liebe nie erwidern, Vater, ich kann
es nicht — in meinem Herzen wohnt das Bild Kuno's und
nichts wird es daraus verdrängen können!"
„Bedenke, Kind," erwiderte der Alte, „mein Glück ist an
Deine Heirath mit Marwitz geknüpft — sein Wort ist beim
Fürsten mächtig genug. Alles vergessen zu machen. Entsage
Deiner Liebe zu Kuno — um meinetwillen, um Deinen Vater
glücklich zu machen!"
Tiefe Stille war in dem großen Zimmer nach den letzten
Worten des alten Walter eingetreten. Die Sonne war längst
hinter den Bergen verschwunden und die einbrcchende Nacht
breitete düstere Schatten über die Gegenstände im Gemache.
Man hörte nur die hastigen Athemzüge Berthas, über deren
braunes Haar die Hand des Vaters wie tröstend, aber zitternd
vor Aufregung, leise hinglitt. Er wollte ihr Ruhe lassen, sich
zu sammeln.
Endlich brach sic das Schweigen. „Bedenke, Vater, was
Du thnst, ehe Du mich zwingst. Dir zu gehorchen," sprach sie
mit unsicherer Stimme. „Was ist daran gelegen, ob Du Ver-
mögen und Amt verlierst — bleibt Dir doch meine und Kuno's
Liebe. Er ist zwar unvermögend, aber in zwei Jahren wird er
Hauptmann sein und kann mich dann heimführen. Durch unsre
Liebe, die erhöht ist durch das Opfer, welches Du uns gebracht,
wirst Du auf's Nene glücklich werden!" Mit diesen Worten
schmiegte sic sich bittend an die Brust des Alten.
„Vergißt Du, Kind, daß Marwitz Obrist in demselben
Regimcnte ist, in welchem Kuno Walter dient? Glaubst Du,
er werde nicht seine ganze Macht gebrauchen, um Kuno, wenn
dieser erst Dein Bräutigam ist, zu schaden? Er ist stolz —
sehr stolz; er wird es Dir, er wird es Kuno nie verzeihen,
wenn Du meinem Rathc nicht folgst — wenn Du ihn, den
mächtigen Marwitz, zurückweisest. Laß Dich überreden, mein
Kind! Willst Du, daß Kuno Deinetwegen aus seiner Carriere,
in der er sich bis jetzt so sehr auszeichnetc, in der er, der
tapfre Soldat, bei den unruhigen Zeiten, die wir jetzt
haben, gewiß noch die höchsten Ehren ernten würde, heraus-
gerissen werde. Ich bitte Dich um Kuno's willen, wenn Du
kein Erbarmen mit Deinem alten Vater hast, thu', wie ich Dir
sage. Wohl weiß ich, das Opfer ist groß, welches' Du
bringst, aber Du rettest dadurch Deinen unglücklichen Vater und'
erhältst Kuno auf der Bahn der Ehre — oder 'glaubst Du, daß
!
Du schwaches Mädchen ihm genug Ersatz bieten könntest für das,
was er durch Dich einbüßen würde! Bitterkeit und Erkaltung
würde und müßte später bei ihm eintreten!"
Das unglückliche Mädchen barg ihr Gesicht weinend in
seinen Schooß und ihr Schluchzen schnitt tief ein in seine Seele;
endlich ermannte sie sich. Sic stand ans, ging langsam gegen
die Thür, als wolle sie die Einsamkeit anfsuchen und mit den
wildesten Stürmen in der Brust allein sein. Da wandte sie
sich noch einmal um; ihre Blicke trafen zufällig das Bild ihrer
Mutter, welches, über dem Schreibtische hing — sic trafen den
alten Mann, ihren Vater, der sie flehend und mit gramdurchfnrchten
Zügen ansah. „Ich gehorche Dir, mein Vater!" rief sic, eilte
auf ihn zu, küßte ihn und weinte laut an seinem Halse. Der
Alte legte seine Hand segnend auf ihr Haupt — doch ehe er
Worte finden konnte, entwand sie sich ihm und entfloh durch
die Thür. Der Gerichtspräsident stand auf, klingelte und be-
fahl Licht. Noch an demselben Abend schrieb er an Marwitz.
Eine Stunde später kam seine Tochter zu ihm herein, um mit
ihm zu Tisch zu gehen. Sie war noch blässer als sonst; ihre
gerötheten Augen blickten entschlossen aber traurig in die seinen,
als er Bertha wehmüthig lächelnd in die Arme schloß.
Ein Abend hatte genügt, aus dem fröhlichen unbefangenen
Kinde ein ganz anderes Wesen zu schassen. „Danke mir nicht,
mein Vater," sagte sie, „und erwähne nie wieder, was heute
hier vorgefallcn — ich will suchen, glücklich zu werden in Deinem
Glücke! _ (Schluß folgt.)
Heikle Frage.
Sohn: „Du, Papa, an dem Haus da steht Or. Bitter-
wasser, praktischer Arzt; — gibt es denn auch unprakt-
ische Ae rzte?"
Klugheitsregel.
Um die Forellen zu berücken,
Auf daß sie werden sein Gewinn,
Wirft täuschend nachgeahmtc Mücken
Der Fischer auf das Wasser hin;
Läßt auf dem glatten Spiegel schnelle
Sie Hüpfen, tanzen schillernd bunt;
Tief drunten liegt ein alter Geselle
Behäbig auf dem kiesigen Grund;
Er schaut empor zum muntern Reigen:
„Das wäre kein so übler Fall!"
Er läßt sich sachte aufwärts steigen:
„Besch'n wir uns die Sach' einmal."
Und wie der Angler späht beklommen
Nach seinem Opfer des Betrugs, —
Ach — in die Höhe kaum gekommen,
Kehrt es schon wieder abwärts flugs.
„Zum Teufel fahre meinetwegen! —
Weil er allein hier weit und breit,
So nimmt der. Schuft zum Ueberlegen
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