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Fliegende Blätter — 70.1879 (Nr. 1745-1770)

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Nr. 1761
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https://doi.org/10.11588/diglit.4941#0135
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hieß Baltin, der andere Nikcl; sie waren aber höchstens ein
Jahr im Alter unterschieden. Der Vater war ein wohlhabender
Meister, hatte ein ansgebreitet Gewerk. Nun hatte er aus
demselben zwei gemacht, damit beide Söhne Meister werden
»nd heirathen könnten. Nach des Vaters Tode thaten sich die
Brüder wieder zusammen und besorgten beide Gewerke gemein-
sam. Der Baltin hatte Meister Sugenschmidt's Tochter, der Nikcl
die Hermcngild geheirathet — die war des Meister Hcntschel's
Kind. — Nun war dazumal kein gut Wetter zwischen dem
Rath und den Zünften; es war das allerorten so; in allen
Nachbarstädten hatten die Zechen ein scharf Auge aus den Rath,
der Rathskür und anderer Sachen wegen. Auch bei uns gab's
allerlei zu klagen, und die Zünfte, vornehmlich die Tuchmacher,
hielten Rath zusammen, wie Mancherlei abzustellen sei, >vas
ihnen ilicht gefallen wollte. Wie iveit sie gegangen, und >vas
sie vorhatten, weiß ich nicht; die Sache wurde bald dem Rathe
heimlich angezeigt; der schritt ein, cs wurden eine Menge ver-
strickt und eingethürmt. Manche waren geflüchtet, unter denen
war auch der Meister Baltin.

Man hat lange nicht gewußt, iver dem Rathe die Sache
gesteckt — das heißt: im Volke und unter den Zünften wußte
wan's nicht; jetzt ist's kein Geheimnis; mehr. Jedermann tveiß
es, es spricht aber kein Mensch mehr davon, 's ist längst Gras
d'rüber gewachsen, aber es war kein Anderer gewesen, als der
Meister Nikel selbst!"

Ruhig hatte der Landstreicher zngehört, als ginge ihn die
Sache nichts an — jetzt aber fuhr er auf, mit einem Male
war alle Ruhe, aller Gleichmuth aus Blick und Miene ver-
schwunden; mit weit aufgerisscnen Augen — wie Einer, der
etwas Unerhörtes vernimmt — starrte er den Erzählenden an.

Rasch aber hatte er sich besonnen . es war nur ein Augen-

I blick gewesen — er senkte den Kopf und saß wieder gleich-
' wüthig, wie zuvor. Dem Rathsschreiber aber war das Auf-
sahren seines Gegenübers nicht entgangen; die Bestürzung des
Einen strahlte, ein Schimmer Heller Freude, im Angesicht des
ändern wieder, und die frohe Gewißheit, daß er sich in dem
fremden nicht getauscht, spielte lächelnd um seinen Mund, als
er, sich zu ruhigem Weitererzählcn zwingend, fortfuhr:

„Also, der Meister Nikcl hatte cs dem ehrsamen Rathe
selbst angezeigt, daß es wunderlich zugehe unter den Zünften;
bvrher mochte er aber einige der Meister und auch seinen Bruder
gewarnt haben — die flohen dann aus der Stadt, der Meister
Nikel aber blieb. Die Sache mußte übrigens so schlimm nicht
gewesen sein, denn nachdem ein ehrsamer Rath Viele eingethürmt,
g>id war eine strenge Untersuchung gehalten worden, da kamen
sw Alle mit einer Geldbuße davon und ward ausgerufen, daß
bie Geflüchteten hcimkehren könnten; welcher sich binnen acht
Tagen stelle vor einem ehrsamen Rathe, und sei bereit, auf's
Rene Gehorsam und Treue zu geloben, der solle davonkommen
wit einer Geldbuße, wer aber wegbleibe, der solle in der Stadt
Rcht gcrathen.

Auch Meister Nikel war eingethürmt ivorden und mußte
sRne Buße zahlen, wie die Anderen; das war aber alles nur i
Kn„ Schein, damit es nicht kund tvürde, daß er der Angeber I

böse Tage.

gewesen, wenn er allein frei ausginge. Sie sind denn auch
Alle wieder hcimgekehrt, die geflüchtet waren, nur Meister Baltin
nicht, und man hat seitdem nichts mehr von ihm gehört. Sic
meinen in der Stadt, er möge wohl auf der Straße draußen
irgend unter Lotterbuben und Wegelagerer gefallen und erschlagen
worden sein."

Den Kopf in die Hand gestützt und vor sich niedcrsehend,
hörte der Andere zu, aber das abgeschabte Lederwamms hob und
senkte sich, als ob darunter die Brust unruhig auf und ab
woge. Dumpf und mit mühsam hervorgeprcßter Stimme fragte
er nun: „Aber, woher weiß man denn so gewiß, daß der
Nikel . . . ?" (Fortsetzung folgt.)

Väterliches Ehrgefühl.

Vater (zur Tochter): „Was?! Den Franzmathes, den
Lump, den schlechte Kerl, den Uhredieb witlschl Du heirathe?!
Du dancrscht mich! Awer dess sag' ich Dir: Der knmmt mir
nit in's Haus, eh' er sein' Schtrof' abg'sesse' hot!"

Am Grab des Jägers.

Es saß ein Fuchs auf des Jägers Grab,

Der zog empor seine Schnauz'

Und sprach: „Da senkten sic ihn hinab.

Den armen, den redlichen Kauz!

Und könnt' ich weinen, dann weint' ich sogar.

Er war ja so gut und so brav.

Und das Beste von Allem an ihm, das war:

Daß der Gute so selten ivas traf." chestlo.

M e i st e r N i k e l s

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"Am Grab des Jägers"
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Fliegende Blätter
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Aufbewahrungsort/Standort (GND)
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G 5442-2 Folio RES

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Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Ille, Eduard
Entstehungsort (GND)
München

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Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

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Thema/Bildinhalt

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Karikatur
Satirische Zeitschrift

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Fliegende Blätter, 70.1879, Nr. 1761, S. 131

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