Fliegende Blätter (74.1881 (Nr. 1849-1874))

Lieder eines fahrenden Schülers.

Von Karl Sticlcr.

L cb ewohl.

Fährmann mit dem weißen Haare,
Fährmann mit dem morschen Fuß:
Nimm den letzten der Denare,

Nimm ihn mit dem letzten Gruß!

Lenk' des Einbaum's braunes Steuer
Noch an Frauenwörth vorbei;

Um die Insel streift ein Freier ^
War' nur die Gefreite frei!

Und dann laß die Wogen spülen
Um des Schiffes alten Baum;
Maiwind, hilf die Stirn' mir kühlen.
Denn zergangen ist mein Traum.

Aber, >venn sie drüben fragen.

Wem du Rcis'geleit gewährt.

Magst du wohl den Frauen sagen:
Einem, der nicht wiederkehrt.

Edelbert, von: Rhein geboren — —
Einem, der sich selbst vergaß.

Statt die Frau, die er verloren.

Ohne daß er sie besaß!

Trinklie d.

Bon allen Brünnlein, die da sprießen.
Lieb' ich zumeist zur Abendrast
Die Brünnlein, die im Keller fließen.
Die man in blanke Becher faßt.

Nicht silbern, golden strömt ihr Quell,
Erdduft und Sonnenduft liegt drinnen;
lind Jedem wird die Seele hell.

Dem sie durch's Leibesdunkel rinnen!

(Schluß.)

D'rum, Propst von Baumbnrg, sei gepriesen!
Ich weiß zwar, daß es von ihm heißt.

Bei denen, die sein Naß genießen:

Sein Wein sei stärker als sein Geist.

Doch wär' gehörnt selbst sein Geschlecht,
Des Schädels Thor gedeckt mit Eisen —
Wer solchen Wein mit Schülern zecht.

Der zählt mir trotzdem zu den Weisen!

Erntegang.

Wo am Feldweg Rosen hangen, -
Hab' ich mich zur Rast gestellt;
Erntebittgang kommt gegangen,

„Unser Herr" zieht über Feld.

Aus dem Dorf die Glocken klingen,

Rothe Fähnlein sch' ich weh'n;

Fluren wogen, Kinder singen,

Barhaupt all' die Männer geh'».

All' die Hcil'gen hör' ich nennen.

Die ich einst genannt als Kind,

Daß mich schier die Angen brennen,

Wär' der Frühwind nicht so lind!

Selig der, der pflügen lernte
Seiner Väter griines Feld!

Ohne Saat und ohne Ernte
Fahr' ich wandernd durch die Welt!

„kroäs88ö mundo.“

Die Menschheit ist ein weiter Baum
Mit tausend Zweigen;