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Ja" und

Nein".

„Diese Person ist die Baronin Florestine de la Haussage."

Theils Empörung, theils lautes Gelächter waren der Erfolg
dieser pathetischen Erklärung des Marschalls.

„Das ist nicht wahr!" ries die Marquise Viroflay erregt
dazwischen, „der Vicomte kannte, die Baronin bis vor acht Wochen
gar nicht und lernte sie erst kennen, als er ihr einen Brief von
mir nach Trouville brachte."

„Das ist Alles in seiner Ordnung", meinte der Marschall,
ohne seine süße Miene zn verlieren, „wenigstens glaubte es der
Vicomte auch bis vor wenigen Stunden, und die Baronin hat
jeden Versuch, ihm diesen Glauben zu nehmen, unterlassen.
Mein Nesse kannte einmal vor langer Zeit in Biarritz eine
Demoiselle de Grandson und wurde von ihr beleidigt in einer
Weise, wie sie ein Mann nie vergeben oder vergessen darf —
wie, mag Ihnen Frau de la Haussage erzählen. Darauf lernte
der Vicomte vor acht Wochen eine Adniiralin de la Haussage
in Trouville kennen, er wußte, daß sie vor ihrer Vermählung
denselben Namen getragen, er sah auf dem Klingelschild ihrer
Villa und aus ihren Visitenkarten, daß sie eine geborene de la
Haussage war. Er verliebte sich in sie, verlobte sich mit ihr
wie schnell, wissen Sie selbst am besten — und erst am Altar
erfuhr er, daß er im Begriff war, seine Todtfeindin, jene
Mademoiselle de Grandson, zu heiratheu."

„Das wäre ja ein vollendeter Roman", meinte Madame
de Viroflay erregt; „weshalb hat sich denn der Vicomte nicht
früher nach den Verhältnissen meiner Schwägerin erkundigt? Es
mußte ihni doch nicht gleichgiltig sein. Wen er zur Vicomtesse
de Thianges machte."

„Verzeihen Sie, Frau Marquise", cntgegnete der Marschall
galant, „der Name de la Haussage, den auch Sie vor Ihrer
Vermahlung getragen haben, bürgte für Alles. Außerdem denkt
ein junger Mann, wenn er so von einer glühenden Liebe ein-
genommen ist, nicht an irgend etivas Anderes, als an seine
Leidenschaft

„Die sich so schnell abkühlen konnte, daß der Vicomte eben
dieselbe so glühend geliebte Frau auf die schimpflichste Weise
beleidigte", rief der Marquis zürnend.

„Mein Neffe ist bereit, der Frau Admiralin jedwede Ge-
nugthuung zu geben."

„Es gibt nur eine Genugthuung", meinte Viroflay.

„Auf diese würde Victurnian aber nie eingehen."

„Aber er würde sich mit uns gewiß gern im Bois de
Boulogne treffen?!" rief erhitzt ein jüngerer de la Haussage,
erhielt jedoch dafür einen verweisenden Blick von Viroflay.

„Was versteht der Vicomte überhaupt unter Genugthuung?"

„Nun eine Erklärung — " — „Aha, eine Annonce im
„Figaro" ?" fuhr Viroflay schneidend auf.

„Streiten Sic nicht, meine Herren", fiel in diesem Augen-
blick die melodische Stimme der Admiralin ein. Sie >var un-
bemerkt zurückgekehrt und lehnte bleich, noch immer im Braut-
kleide, an der Thüre, schöner noch als sonst immer.

„Die Baronin", ertönte es ringsum.

Langsam schritt Florestine auf den Abgesandten ihres
Bräutigams zu und sagte freundlich aber bestimmt:

„Mein Herr Marschall, ich erinnere mich der Scene, die
der Vicomte zum Vorwände eines Bruches mit mir nimmt, recht
gut, obwohl ich damals erst zehn oder eilf Jahre alt war, kann
derselben aber unmöglich eine so weitgehende Bedeutung beilegen,
denn, ivcnn ich den Vicomte auch beleidigte, so war ich doch
der zuerst beleidigte Thcil. Hören Sie selbst, meine Herrschaften:
Auf einem Kinderballe, den meine Mutter 1869 in Biarritz
arraugirt hatte, forderte mich Herr von Thianges, der wenig
älter war als ich, zu einer Quadrille auf, vergaß es jedoch und
tanzte mit seiner Cousine Adelaide, wofür, ihn in's Gesicht zu
schlagen, ich mich hinreißen ließ. Ich war eben eine kleine
wilde Creatur ltitb finde mein Benehmen sicher recht unartig,
aber ich war ein Kind und hätte nie einen Mann für so kleinlich
gehalten, daß er so etwas nachzutragcn im Stande wäre. Sie,
mein Herr Marschall, sagten vorhin, meine Beleidigung lväre
derartig gewesen, daß sie ein Mann weder vergeben noch ver-
gessen dürfte — ein Mann? Ja, aber Herr von Thianges
lvar damals ein Kind wie ich, und Knabengedüchtnisse pflegen
sonst nicht so weitreichend zu sein. Ich habe für eine solche
Denkweise nur eine Bezeichnung, sie ist in meinen Augen ein-
fach kindisch. Dach genug davon. Was nun die Kränkung
anbetrifft, die ich heute erlitten habe, so könnte sie der Vicomte
durch Nichts wieder gut machen, wenn ich sie ihm nicht freiwillig
vergäbe. Ich würde daher auch nie daran denken, eine Genug-
thunng zu fordern, wenn ich es nicht der hier anwesenden, sehr
ehrenwerthen Versammlung, dem Andenken meines Gemahls und
meiner Familie schuldig wäre."

Die Familie nickte beistimmend mit dem Kopf.

„Ich fordere daher", fuhr Florestine, indem sie einen Blick
über die erwartungsvollen Mienen der Ihrigen gleiten ließ,
„daß morgen um dieselbe Zeit, wie heute, die Trauceremonie
in derselben Weise noch einmal stattfindet, daß der Vicomte
von Thianges auf die bewußte Frage mit „Ja" antwortet, und
es mir überläßt, die Ehre, seine Gemahlin zu werden, durch
ein lautes „Nein" zurückzuweisen."

Viroflay runzelte die Stirne, seine Gattin lächelte da-
gegen triumphirend, und auch den jüngeren Herren gefiel der
Plan. Der Marschall nahm den gemachten Vorschlag i»i
Namen seines Neffen an und verbürgte sich für des Vicomte's
Einwilligung. -

Sofort wurden sämmtlichc Verwandte und Bekannte, die
Zeugen der ersten verunglückten Trauung gewesen, zu der zweiten
eingeladen; auch der Priester erhielt die Nachricht, daß sich das
Mißverständniß gelöst und das Brautpaar versöhnt habe.

Als die Sonne am nächsten Tage durch die gemalten Rund-
bogenfenster des Palais de la Haussage schien, erblickte sie bic-
selbe exquisite Gesellschaft, dieselben strahlenden Brillanten, zum
Theil sogar dieselben Toiletten, nur die Gesichter hatten sich
ein wenig verändert, sie drückten die größte Spannung ans,
und man sah ihnen an, daß es sich hier um mehr als eine
gewöhnliche Trauung handelte.

Als Viroflay seine Schwägerin abholte, sagte er: „Mir
gefüllt eine solche Eomödie, wie wir sie Vorhaben, sehr wenig,
aber Sie werden freilich eine glänzende Genugthuung erhalten."
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