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„In" und

„Ich werde Victurnian noch einmal sehen", entgegnete
Florestine einfach und neigte traurig den Kopf. „Gott weiß,
wie schwer mir dieser Faschingsaufzug wird. Aber kommen Sie.
man wird die glückliche Braut bereits erwarten."

Der Vicomte blickte, als er zuin Altar schritt, seufzend zu
ihr herüber und fand, daß sic noch nie so schön gewesen war.
wie heute, daß er sie wahnsinnig liebte und ebenso wahnsinnig
haßte, daß er der unglücklichste Mensch von der Wett, aber in
diesem Punkte unzurechnungsfähig wäre. Die Admiralin dagegen
dachte, als sie Victurnian verstohlen betrachtete, daß er gar
nicht bei Sinnen gewesen sein mußte, wie er gestern mit dem
einen kleinen Wort eine ganze Zukunft voll Glück und Seligkeit
zertrümmerte, sie fühlte, daß sie ohne ihn nur noch ein Schattcn-
leben führen werde.

Heute war die Rede des Priesters weniger, erbaulich; er
sprach sehr eindringlich von der Heiligkeit der Ehe, und theiltc
gar empfindliche und verständliche Seitcnhicbc aus auf jene Leute,
die es nicht so genau damit zu nehmen pflegten. Florestine
weinte nicht, sie dachte in ihrer schmerzlichen Aufregung nicht
einmal an ihren seligen Admiral.

Der Vicomte antwortete mit einem lauten „Ja" auf die
bewußte Frage. Als der Baronin dann die ihrige vvrgelegt
wurde, wandte sie sich halb um und begegnete mit einem ernsten
Blick den Augen Victurnians. sie stockte und vermochte es nicht,
sich von dem schönen blassen Gesicht des Vicomtes abzuwenden;
darüber vergaß sie vielleicht die Abmachung mit dem Marschall —
kurz, sic sagte so laut, daß Jeder im Saale cs hören konnte: „Ja!"

Jetzt wäre Victurnian beinahe in Ohnmacht gefallen, das
hatte er sich nicht träumen lassen. O diese Teufelin! Welche
Falle hatte sie ihm gestellt! Doch nein, es wäre Verläumdung,
wollte man behaupten, daß der Vicomte das gedacht hätte; er
dachte nämlich anfänglich gar nichts, er war nur erstarrt über
dieses „Ja" und den dadurch herbeigeführten Ausgang, ganz
wie die Gäste und die beiderseitigen Familien. Und in dieser
Erstarrung .ließ er es sich ruhig gefallen, daß der Priester ihm
einen Ring an den Finger steckte und seine Hand mit der
Ftorestinens vereinigte und segnete.

Als er wieder Herr seiner selbst geworden, war Florestine
de Grandson sein angetrautes Weib; ihre kleine linke Hand
ruhte bebend nies seinem rechten Arm. und ihre blauen Augen
blickten wie flehend und von aufqnellenden Thränen verschleiert,
zu ihm empor. Wie bestrickend schön waren diese Augen!

Er wußte im Augenblick nicht, sollte er vor Glück oder vor
Schreck außer sich sein, er wußte nicht, ivie ihm geschehen war.
und dankte auf die Glückwünsche wie im Traume.

Als die große Gratulationscour beendet war. flüsterte
Florestine dein Marquis Viroflay die Bitte zu, sie zu vertreten,
zog ihren Gemahl hastig aus dem Saale, durchschritt mit ihm,
ohne ein Wort zu sagen, den langen Korridor und führte ihn
nach ihrem Boudoir.

„Wir sind allein", sagte sie da. vor ihm stehen bleibend,
athmete tief auf und sah ihn mit leidenschaftlich flammenden
Augen an.

Er antwortete nicht.— „Victurnian!" flüsterte sie zitternd.

„Nein".

„Florestine!" entgegnete er.

Sie streckte beide Hände aus, und er ergriff sie mechanisch.

„Ist Ihr Haß denn wirklich stärker als Ihre Liebe?" fragte
sie erregt.

Der Vicomte erröthete und sah schweigend nieder; er begann
sich seines kindischen Benehmens zu schämen.

„Victurnian". begann die junge Frau mit weicher Stimme,
„Sic halten mich für falsch und schlecht und glauben jetzt ein
Recht zu haben, mich zu verurtheilcn. weit ich Ihr Vertrauen
mißbrauchte, weil ich Sie verriet!). da Sie sich mir ahnungs-
los i» die Hand gegeben hatten. So wahr mir Gott helfen
möge in meiner letzten Stunde, ich betrat den Saal mit dem
festen Entschluß. „Nein" zu sage». Ich wollte auf Sie ver-
zichten. so heiß und innig ich Sic auch liebte. Ja. Victurnian,
ich liebe Dich!" fuhr sie mit plötzlich hervorbrechender Leiden-
schaft fort „unaussprechlich, grenzenlos; als ich Dich ansah.
krampfte sich mir das Herz zusammen; ich erblickte plötzlich
einen Abgrund, und eine innere Stimme rief mir zu. daß ich
sterben müßte, wenn ich mit Dir nicht leben dürfte. Lasst mich
Dir dienen. Du sollst Deinen Haß über meiner großen Liebe
vergessen!"

Sic war vor ihm iir's Knie gesunken und streckte flehend
ihre kleinen weißen Hände zu ihm empor. Schnell beugte er

sich voll Schreck und Scham zu ihr hernieder, hob sie auf und

g*
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"'Ja' und 'Nein'"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Schlittgen, Hermann
Entstehungsdatum (normiert)
1882 - 1882
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Alle Rechte vorbehalten - Freier Zugang
Creditline
Fliegende Blätter, 78.1883, Nr. 1961, S. 067
 
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