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Wie cs dem Oberstlieutenant Kreuzschi

Da kam mir eines Tages ein vortrefflicher Gedanke.

„Kreuzschnabel", sagte ich zu mir, „so geht das auf keinen
Fall. Du mußt dich mehr auf den Anschauungs-Unterricht
legen. Gehe in den Saal der Topographen und siehe zu, wie
da gearbeitet wird. Und dann gucke dir die Instrumente an.
In denen allein steckt die richtige topographische und trigono-
metrische Weisheit. Und schließlich versuchst du es einmal
selbst mit einer topographischen Aufnahme." Gesagt, gethan!
Ich kultivirte den Anschauungs-Unterricht nach Herzenslust und
die topographischen Instrumente interessirten mich mit jedem
Tage mehr. Nun hätte ich für mein Leben gern so ein Ding
in meiner Bude gehabt, einestheils zum Studium, dann aber
auch, um Jedermann kund zu thun, daß da ein Offizier vom
großen Generalstabe Hause.

Zur Erfüllung dieses Wunsches war nun leider eine Aus-
sicht nicht vorhanden, denn die topographischen Instrumente
werden nicht verborgt, wie die Bücher und Karten. „Solltest
du nicht so ein Ding zu Kauf kriegen?" dachte ich, und
richtig führt mich mein Weg eines Tages an einem Laden
vorüber, in dessen Schaufenster einer jener Gegenstände meiner
geheimen Sehnsucht steht. Ich hinein. „Meister", sage ich,
auf das Instrument deutend, „gebt mir doch einmal das Ding
da her, das sich inmitten Eures übrigen Krimskramses aus-
nimmt , wie ein Feldherr unter einem Hausen Trainsoldaten.
Vielleicht kaufe ich's." Der Verkäufer nimmt es heraus, stellt
es vor mich hin und nennt den Preis. Es war ein Ivahrcs
Prachtexemplar und ich konnte mich nicht satt daran sehen.
„Weiß der Kukuk", sagte ich nachdenkend, „das Ding sieht
mir so complicirt aus, so eigentümlich. „Schon richtig, Herr
Oberstlieutenant," belehrt mich der Verkäufer, „es ist die aller-
neueste Construktiou. Sie werden dieselbe noch nirgends anders
vorgefunden haben. Ich habe sie zuerst, . . alte Freundschaft
mit dem Verfertiger. Er heißt Gunze, tüchtiger Mcchanikus.
Das Patent aber hat sein Meister, der Schlaukops, nachgesucht."

— „Kunze"! rief ich, den Namen falsch verstehend und den
Schlußsatz überhörend, während mir gleichzeitig der Verfasser
eines Lehrbuches über Geometrie einfiel, der diesen Namen führte.
„Kreuzschnabel, den kennst du ja! Das Buch, woraus du noch
heute früh gepaukt hast, ist das nicht von ihm? Donnerwetter!
Sieh aber Einer au, was cs für gescheidte Leute giebt. Dieser
Kunze! . . schreibt Lehrbücher über Geometrie und baut auch
gleich die Instrumente dazn. Und so bescheiden dabei . . .
so in aller Stille . . . ohne Aufhebens davon zu machen! Ver-
fluchter Kerl, der Kunze! Du würdest es anders machen an
seiner Stelle, Kreuzschnabel!"

Natürlich wurde ich nun sofort mit dem Verkäufer einig,
und nachdem ich mit ihm vereinbart hatte, daß er mir inner-
halb zweier Stunden das Instrument in meine Wohnung
sende, machte ich mich vergnügt aus den Heimweg.

Unterwegs dachte ich über meine Acquisition nach und
ein wunderbar schöner Traum überkam mich dabei. „Alle
Wetter, Kreuzschnabel", sagte ich zu mir selbst, „es wäre doch
famos, wenn sie die neueste Construktiou des topographischen
Apparates im Generalstabe noch nicht kennten und dir bliebe

nabel im großen Generalstabe erging.

es nun Vorbehalten, den großen Gcneralstab darauf aufmerksam
zu machen und Ruhm und Ehre einzuheimsen. Und warum
sollte es nicht sein? Auch der große Generalstab ist nicht un-
fehlbar. Unter den vieler: Verbesserungen und Erfindungen der
Neuzeit kann auch ihm leicht Etwas entgehen, besonders bei
solchen stillen Kunze's. Und welche Ehre für dich, wenn es an
maßgebender Stelle hieße: „Kein Anderer, als unser wackerer
Kreuzschnabel hat die neueste Erfindung des berühmten Geo-
meters Kunze der topographischen Abtheilung zugänglich gemacht
u. s. w. u. s. w."

Ich war so begeistert von dieser Vorstellung, daß ich drei
Stunden lang in der Irre herumlief, ohne es zu merken. Als
ich dann zu Hause eintraf, sah ich das neueste Geisteswerk des
berühmten Kunze auf meinem Schreibtisch stehen, ein leuchtender
Stern inmitten der Oedc meiner Junggesellenwohnung.

Ich betrachtete es von allen Seiten und immer mehr befestigte
sich dabei die Ueberzeugung in mir, daß diese neueste Con-
struktion dem Generalstabe noch nicht bekannt sei, sowie daß
sie wesentlich zur Erleichterung der topographischen Aufnahmen
beitragen müsse.

Als alter Praktikus beschloß ich indessen, zunächst meinen
Freund Kauz über die Sache zu hören. Mein Bursche mußte
ihn: eine Einladung zum Frühstück überbringen, und als er am
Vormittag des folgenden Tages erschien, führte ich ihn in
mein Arbeitszimmer mit den Worten:

„Kauz, ich habe ein interessantes Problem für Dich!
Sieh Dir einmal das Ding hier an! Kennst Du's? Hahaha!
Ich sehe es Dir an. Du kennst es nicht .... Was wirst
Du nun sagen, wenn ich Dir die Mittheilung mache, daß dicß
die neueste Erfindung des berühmten Geometers und Technikers
Kunze auf dein Gebiete der topographischen Aufnahmen ist? Ja.,
glotze nur. Du alter Duckmäuser! Da sagt Ihr nun immer
so kurzab: „Der Kreuzschnabel — der Kreuzschnabel!" Ich

sage Euch, Kinder, Ihr kennt den Kreuzschnabel noch lange
nicht! —"

„Kerl!" rief der Kauz, indem er mich ganz eigenthümlich
ansah, „ich glaube, es ist irgendwo an Deiner Hirnmaschinerie
eine Schraube losgegangen. Dies ist ja eine — Jnhallir-
Ma sch ine."

Ich hatte plötzlich das Gefühl, als erhielte ich von einem
unsichtbaren Dampfhammer einen Schlag in das Genick.
Eine Jnhallir-Maschine, wie sic die Aerzte den Kehlkopfskranken
zur Einführung von Medikamenten verschreiben, — die Ent-
täuschung war eine fürchterliche! — Allein, wann hätte je der
Kreuzschnabel die Geistesgegenwart verloren?

Meine ganze Selbstbeherrschung aufbietend, um die Gri-
inasfe zu unterdrücken, welche mein Gesicht entstellen wollte, rief
ich in affectirter Erregtheit: „Richtig! Es ist. wie ich's mir
gedacht hatte! Er kennt das Ding in der That. Also auch
schon 'mal in der Lage gewesen, hm?"

„In welcher Lage?" knurrte Kauz.

„Halslcidend gewesen, alter Schwede," wisperte ich. „Na,
friß mich nur nicht gleich! Ich weiß ja, eingestehen thut man
so etwas nicht gern. Wollte aber doch dahinter kommen, und
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