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186

Wie es dem Oberstlieutenant Kreuzschnabel im großen Generalstabe erging.

„Postmeisterchen, das weiß ich besser. Machen Sic keine
Flausen. Sind wohl noch neu im Amt? Erst hierher ver-
setzt? .. . He! Na bitte, ziehen Sie mal das Ortschafts-
Verzeichnis; zu Rathe!"

„Will ich sehr gern thun, Herr Oberst", sagte der Beamte,
indem er das Buch vom Sims nahm und darin blätterte,
„allein ich weis; es im Voraus, Salzlake steht nicht d'rin.
Da sind wir schon ■— Sal . . . Sal . . . Bedauere un-
endlich, Herr Oberst! Wir haben einen Salzberg und eine
Salzburg, einen Salzbrunnen, ein Salzgitter, ein Salzufcle,
eine Salzzunge und einen Salzschlirf. Wir haben sogar einen
Salzwedel und ein Salzkotten, aber. . . eine Salzlake? Nein,
die haben wir nicht."

„Ich danke Ihnen, Herr Postmeister. Ihr Ortschafts-
verzeichniß ist falsch. Ich als Offizier vom Generalstabe muß
das wissen. Salzlake liegt bei Heringsdorf. Und da eine
Postverbindung dorthin nicht existirt, tverde ich zu Fuß hinaus
gehen."

„Glückliche Reise, Herr Oberst! —"

Ich trat die glückliche Reise an. Man braucht bekanntlich
nur in westlicher Richtung am Strande entlang zu gehen und
kommt dann nach Heringsdorf, man weiß nicht wie. Eine
halbe Stunde lang war ich rüstig fortgeschritten, als ich einen
vierschrötigen Kerl in Lederhosen, blauer Tuchjacke und derben
Krempstiefeln gewahrte. Er trug kleine Ringe in den Ohren
und paffte aus einer kurzen Pfeife.

„Aha!" sagte ich, „da ist ein Eingeborener. Wenn Keiner
Bescheid weiß hier herum . . . der weiß es sicherlich. Heda,
Landsmann!"

Der Landsmann blieb stehen, wandte den Kopf nach mir
und rief: „Hä?"

„Sagt mal, Landsmann, gicbt cs hier irgendwo nicht
einen Ort, der Salzlake heißt?"

„Ei joa! bat fallt woll gäben."

„Na, das freut mich. Und da seid Ihr wohl so gut und
sagt mir, wo ungefähr es liegt? Ich bin nämlich vom großen
Gencralstabe und foll's aufnehmen."

Der Landsmann that in tief nachdenklicher Haltung drei
mächtige Züge aus seiner Pfeife, nickte dann mit dem Kops
und deutete mit dem Stumpf seiner Pfeife auf das Meer
hinaus. „Kieken's moal doahen", ries er, „wat is dat?"

„Das ist die See!" rief ich, einigermaßen verblüfft.

„Nä, dat is Salzlake!" rief der Schlingel mit polizei-
widriger Entschiedenheit. „Dat käuen's upnehmen. Ick segg'
Ihnen, wenn's dat upnoamen hcbbcn, dann weten's, wat's
npnaamen heben!"

Sprnch's und -schlug sich seitwärts in die Dünen.

Eine Minute lang stand ich, wie vom Donner gerührt.
Ich horchte unwillkürlich auf das Brausen der Meereswogen,
die schäumend auf den Strand rollten und es war mir, als
töne eine dumpfe höhnische Stimme aus ihnen herüber:

„O, Kreuzschnabel, was bist du für ein altes Rhinoceros,
daß du dich dermassen aus das Glatteis konntest dirigircn
lassen? Der Postmeister in Swinemünde hat Recht. Es giebt

keinen Ort, der Salzlake heißt. Deine Kameraden, die pfiffigen
und kniffigen Kerle aus dem ff haben dich cingeseift, das;
dir die Salzlake eimerweise aus den Augen sickern soll. Das
ist Alles!" —

Ich schritt weiter, den Strand entlang. Die famose Salz-
lake blieb immer zu meiner Rechten, meine verzwickte Lage
aber mir unausgesetzt vor Augen. Was war zu thun? Zurück
gehen und offen eingestehen, das; die Salzlake wahrscheinlich
im Monde liege? Nimmermehr. Es wäre zu dumm gewesen.

„Wartet Kerle! Vielleicht zähle ich's Euch doch noch heim!"
rief ich. „Nur tapfer! Ihr kennt den Kreuzschnabel noch lange
nicht!"

Ich hatte das unbestimmte Gefühl, daß mir eine Idee
kommen werde, und begann nachzudenken.

Ich war mittlerweile in die Nähe eines Fischerdorfes ge-
kommen. Hinter demselben zog sich ein prächtiger Buchenwald
hin. Ich spazierte in demselben umher und sah bald eine Art
Gehöft vor mir liegen. Es war ein zweistöckiges Gebäude,
anscheinend erst kürzlich vollendet, mit bedeutendem Hofraum
und dahinter liegendem Garten.

Die Feyster standen offen. Sie waren ohne alle Dekoration,
aber etwas wie Biergeruch drang aus ihnen in's Freie, und
ein dunkelglänzendes Büffet, eine Art Pyramide von ver-
führerisch schimmernden Gläsern und Flaschen luden zum Hütten-
bau ein.

Ich zog mein Notizbuch hervor und studirte sorgfältig den
Auftrag, welchen der Leiter des Kommando's mir dictirt hatte.
Wenn mich nicht Alles täuschte, so lag hier ein Paar Tausend
Schritte seitwärts die Dünenstrecke, welche ich vermessen sollte.

Ich beschloß, in dem Gasthause zu übernachten und trat
ein. Küche und Keller ließen nichts zu wünschen übrig. In
einem reinlichen Zimmer, dessen Fenster auf das Meer hinaus
gingen, konnte ich das Mühlrad zum Stillstehen bringen, und
als ich nach einem gesunden Schlafe erwachte, war auch die
Idee da.

Ich kleidete mich an. „Hör' einmal, mein Kind!" sagte
ich zu der drallen Pomeranze, welche mir den Kaffee brachte,
„schicke mir einmal des „Hauses redlichen Hüter" her."

„Der Karo liegt an der Kette, Herr!" antwortete das
Mädchen.

„Dummes Ding! Ich meine den Herrn und nicht den
Hund."

Das Mädchen ging hinaus, und wenige Minuten später
trat der Wirth ein, ein rüstiger Mann in den Dreißigern,
und, wie ich zu meiner Freude ersah, ein alter Bekannter.

„Herr meines Lebens, Herr Haupt— Oberstlicutenant
wollt' ich sagen. Wie in aller Welt komme ich zu dieser
Ehre? Hätt' ich mir gestern Abend so 'was träumen lassen,
als man mir sagte, ein hoher Offizier sei bei uns eingekehrt!
War auf dem Felde, Herr Oberstlicutenant, und könnt' Sic
nicht willkommen heißen gestern Abend. War schon zu spät.
Nein, das hätt' ich bei meiner Seele nicht gedacht. Unser
alter braver Hauptmann Kreuzschnabel unter meinem schlichten
Dache."
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