187
Wie es dem Oberstlieutenant Kreuzschnabel im großen Generalstabe erging.
„Ja, so isUs, Box. Aber Euer alter braver Hauptmann
ist jetzt -Oberstlieutenant im großen Generalstabe und zur Auf-
nahme der Gegend hierher beordert. Und Euer Haus soll in
die große Generalstabskarte mitsammt dem Garten, dem Hof
und dem Hühnervolk, das in Eurem Misthaufen scharrt. Sagt
mal, Box! Hat Euer Gasthaus schon einen Namen?"
„Ei doch, Herr Oberstlieutenant. Zuiu goldenen Häring
soll's heißen."
„Das ist kein Name, Box. Der goldene Häring zieht
nicht. Es klingt zu nüchtern. Salzlake muß es heißen."
„Gewiß, Herr Oberstlieutenant. Ich habe nichts dagegen.
Und wenn mein Haus in die große Generalstabskarte soll —"
„Nur unter dieser Bedingung, Box!"
„Dann laß ich noch heute eine mächtige Salzlake auf das
Schild pinseln und die Sache ist gemacht."
„Gut, Box, und nun laßt anspannen und schickt Euren
Hausknecht flugs nach Heringsdorf. Er soll dort Erkundigungen
einziehen, ob nicht ein Geometer aus Swinemünde eingetroffen
ist, und soll dann den Kerl mit allem, was er bei sich hat,
hieher bringen. Ich bezahle Alles. Die Ausnahme muß noch
heute erfolgen. Das Wetter ist günstig."
Box versprach. Alles aufs Beste auszurichten. Er habe
einen überaus pfiffigen Hausknecht, der Beim Train gedient
habe und auf den man sich verlassen könne, und in der That
sah ich kaum 10 Minuten später den Train-Rcservemann in
voller Karriere davon jagen.
Mit einer gewissen behaglichen Selbstzufriedenheit sah ich
nun dem Kommenden entgegen. Wenn Alles so glückte, wie
ich's hoffte, dann bekam der Gcncralstab seine Salzlake und
ich meinen Triumph.
Es war beinahe Mittag, als der Wagen meines ehemaligen
Compagnie-Angehörigen ivicder in den Hof hineinrollte. Der
Hausknecht hatte den Geometer richtig erwischt und mit Sack
und Pack aufgeladen. Ich las dem jungen Manne meinen
Auftrag aus dem Notizbuche vor, und sein kurzes vcrständniß-
iuniges Kopfnicken sagte mir, daß er vollständig inne hatte,
um was es sich handelte. Er ging sofort an's Werk, baute
seine Maschinerie auf und arbeitete mit einem Eifer und einer
Schnelligkeit, die mir den Beweis lieferten, daß er ein Meister
in seinem Berufe sei. Nun hätte ich zwar für mein Leben
gern gezeigt, daß ich das Ganze leite oder doch wenigstens
Etivas davon verstehe, schon der Leute wegen, die uns zusahen.
Wenn ich aber Miene machte, mich einzumischen, sah der
Arbeitende mich immer so eigenthümlich an, daß ich mir un-
willkürlich dachte: „Sei still, Kreuzschnabel! Der streut dir
keinen Saud und wenn du donnerst, wie ein Löwe."
Inzwischen hatten die Häringsfischer und Dünenfritzen in
der Gegend spitz gekriegt, daß im goldenen Häring sich ein
Ereigniß von hochbedeutsamer Wichtigkeit vollziehe. Sie kamen
in Schaaren herbei und sahen zu, wie der junge Feldmesser
seines Amtes waltete. Der Box aber ließ sie nicht lange in
Ungewißheit. Er ging von Einem zum Andern und sagte,
indem er sich gewaltig in die Brust warf:
„Das ist mein früherer Hauptmann, der Oberstlieutenant
Kreuzschnabel vom großen Generalstabe. Der nimmt uns
ab .... Alle miteinander. Wir kommen Alle in die große
Generalstabskarte, Alle miteinander."
Da konnte sich eine alte wettergebräunte Theerjacke vor
Begeisterung nicht länger halten. Der Mann war seiner Zeit
Bombardier gewesen und behauptete, den Rummel zu kennen.
„Stopp!" rief er, indem er den Lackhut in die Luft wirbelte,
„unser Oberstlieutenant Kreuzschnabel soll leben! . . vivat
Hurra—a—a—ah! Hurra—a—a—ah! Hurra—a—a—ah!"
Und nun gröhlte Alles, was eine Kehle hatte, das übliche:
„Hoch soll er leben" u. s. w. und die Meereswogen brüllten
den Baß dazu.
In so urgemüthlicher Weise vollzog sich die topographische
Aufnahme von Salzlake. —
Es war ein prachtvolles Bild, das mein gediegener Mit-
arbeiter zu Papier gebracht hatte. Das Wirthshaus meines
ehemaligen Untergebenen war im Plan als „Salzlake" vor-
getragen. Ich machte mit Rothstift einen dicken Strich darunter,
zahlte den: Geometer ein anständiges Honorar, nahm Abschied
von Box und trat ohne Verzug die Rückreise nach Stvine-
müude au. _ (Fortsetzung folgt.)
11 neigen n ützig.
Schriftsteller: „Ich plündere wohl die alten Klassiker
aus, allein ich behalte nichts für mich, — ich lasse Alles wieder
unter die Leute kommen!"_
Ein guter Freund.
Präsident (zuiu Angeklagten, der seinen besten Freund er-
schlagen): „Was haben Sie noch zu Ihrer Bertheidigung an-
zuführen?"— Angeklagter: „Herr Präsident, es war innner
der Wunsch meines Freundes, einmal eines plötzlichen Todes
zu sterben!" __
24 *
Wie es dem Oberstlieutenant Kreuzschnabel im großen Generalstabe erging.
„Ja, so isUs, Box. Aber Euer alter braver Hauptmann
ist jetzt -Oberstlieutenant im großen Generalstabe und zur Auf-
nahme der Gegend hierher beordert. Und Euer Haus soll in
die große Generalstabskarte mitsammt dem Garten, dem Hof
und dem Hühnervolk, das in Eurem Misthaufen scharrt. Sagt
mal, Box! Hat Euer Gasthaus schon einen Namen?"
„Ei doch, Herr Oberstlieutenant. Zuiu goldenen Häring
soll's heißen."
„Das ist kein Name, Box. Der goldene Häring zieht
nicht. Es klingt zu nüchtern. Salzlake muß es heißen."
„Gewiß, Herr Oberstlieutenant. Ich habe nichts dagegen.
Und wenn mein Haus in die große Generalstabskarte soll —"
„Nur unter dieser Bedingung, Box!"
„Dann laß ich noch heute eine mächtige Salzlake auf das
Schild pinseln und die Sache ist gemacht."
„Gut, Box, und nun laßt anspannen und schickt Euren
Hausknecht flugs nach Heringsdorf. Er soll dort Erkundigungen
einziehen, ob nicht ein Geometer aus Swinemünde eingetroffen
ist, und soll dann den Kerl mit allem, was er bei sich hat,
hieher bringen. Ich bezahle Alles. Die Ausnahme muß noch
heute erfolgen. Das Wetter ist günstig."
Box versprach. Alles aufs Beste auszurichten. Er habe
einen überaus pfiffigen Hausknecht, der Beim Train gedient
habe und auf den man sich verlassen könne, und in der That
sah ich kaum 10 Minuten später den Train-Rcservemann in
voller Karriere davon jagen.
Mit einer gewissen behaglichen Selbstzufriedenheit sah ich
nun dem Kommenden entgegen. Wenn Alles so glückte, wie
ich's hoffte, dann bekam der Gcncralstab seine Salzlake und
ich meinen Triumph.
Es war beinahe Mittag, als der Wagen meines ehemaligen
Compagnie-Angehörigen ivicder in den Hof hineinrollte. Der
Hausknecht hatte den Geometer richtig erwischt und mit Sack
und Pack aufgeladen. Ich las dem jungen Manne meinen
Auftrag aus dem Notizbuche vor, und sein kurzes vcrständniß-
iuniges Kopfnicken sagte mir, daß er vollständig inne hatte,
um was es sich handelte. Er ging sofort an's Werk, baute
seine Maschinerie auf und arbeitete mit einem Eifer und einer
Schnelligkeit, die mir den Beweis lieferten, daß er ein Meister
in seinem Berufe sei. Nun hätte ich zwar für mein Leben
gern gezeigt, daß ich das Ganze leite oder doch wenigstens
Etivas davon verstehe, schon der Leute wegen, die uns zusahen.
Wenn ich aber Miene machte, mich einzumischen, sah der
Arbeitende mich immer so eigenthümlich an, daß ich mir un-
willkürlich dachte: „Sei still, Kreuzschnabel! Der streut dir
keinen Saud und wenn du donnerst, wie ein Löwe."
Inzwischen hatten die Häringsfischer und Dünenfritzen in
der Gegend spitz gekriegt, daß im goldenen Häring sich ein
Ereigniß von hochbedeutsamer Wichtigkeit vollziehe. Sie kamen
in Schaaren herbei und sahen zu, wie der junge Feldmesser
seines Amtes waltete. Der Box aber ließ sie nicht lange in
Ungewißheit. Er ging von Einem zum Andern und sagte,
indem er sich gewaltig in die Brust warf:
„Das ist mein früherer Hauptmann, der Oberstlieutenant
Kreuzschnabel vom großen Generalstabe. Der nimmt uns
ab .... Alle miteinander. Wir kommen Alle in die große
Generalstabskarte, Alle miteinander."
Da konnte sich eine alte wettergebräunte Theerjacke vor
Begeisterung nicht länger halten. Der Mann war seiner Zeit
Bombardier gewesen und behauptete, den Rummel zu kennen.
„Stopp!" rief er, indem er den Lackhut in die Luft wirbelte,
„unser Oberstlieutenant Kreuzschnabel soll leben! . . vivat
Hurra—a—a—ah! Hurra—a—a—ah! Hurra—a—a—ah!"
Und nun gröhlte Alles, was eine Kehle hatte, das übliche:
„Hoch soll er leben" u. s. w. und die Meereswogen brüllten
den Baß dazu.
In so urgemüthlicher Weise vollzog sich die topographische
Aufnahme von Salzlake. —
Es war ein prachtvolles Bild, das mein gediegener Mit-
arbeiter zu Papier gebracht hatte. Das Wirthshaus meines
ehemaligen Untergebenen war im Plan als „Salzlake" vor-
getragen. Ich machte mit Rothstift einen dicken Strich darunter,
zahlte den: Geometer ein anständiges Honorar, nahm Abschied
von Box und trat ohne Verzug die Rückreise nach Stvine-
müude au. _ (Fortsetzung folgt.)
11 neigen n ützig.
Schriftsteller: „Ich plündere wohl die alten Klassiker
aus, allein ich behalte nichts für mich, — ich lasse Alles wieder
unter die Leute kommen!"_
Ein guter Freund.
Präsident (zuiu Angeklagten, der seinen besten Freund er-
schlagen): „Was haben Sie noch zu Ihrer Bertheidigung an-
zuführen?"— Angeklagter: „Herr Präsident, es war innner
der Wunsch meines Freundes, einmal eines plötzlichen Todes
zu sterben!" __
24 *
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Wie es dem Oberstlieutenant Kreuzschnabel im großen Generalstabe erging"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1883
Entstehungsdatum (normiert)
1878 - 1888
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 78.1883, Nr. 1976, S. 187
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg