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Auch eine Kritik.
Ein junger Dichter liest einer Versammlung von Kritikern seine neueste
Tragödie vor, die aber sehr kühl ausgenommen wird. Nach der Vorlesung
sucht ein Freund den Dichter mit einigen wohlwollenden Phrasen zu trösten.
„Ach was!" ruft der unglückliche Dramatiker, „schöne Kritiker, die ich da ge-
habt habe! Und gerade Sie, mein Lieber, haben während des dritten Aktes
vollständig geschlafen!"
„Ich gebe es gerne zu, mein Freund, aber — Schlafen ist auch
eine Kritik!"
Der verkannte Schwammerling.
Professor der Botanik (kurzsichtig): „Ach, hier bemerke ich ein pracht-
volles Exemplar eines Pilzes; er gehört, wie mir scheint, nicht in die Spccics
der giftigen, sondern der
Logisch.
Ein Commis, welcher bei seinem Chef schon stark in Vorschuß steht,
so daß er bereits auf drei Monate im Voraus den Gehalt hat, wendet sich
im Juli abermals um einen solchen au den Chef, indem er als Grund die
Anschaffung eines neuen Sommeranzuges augibt. Chef: „Woßu brauchen Se
e' neuen Sommeranzug — Se leben doch schon im September!"
Gehemmte Minne.
(Eine kurze aber traurige Rittergeschichte.)
Den Ritter Kunzen liebt sie sehr,
Den Burgherrn auf dem Krähenbraud,
Der tief in ihrem Herzen stand.
Was muß da vorgefallen sein,
Daß er nicht kommt zum Stelldichein?
That eines Feindes Frevelmund
Ihm Schimpf und blut'ge Fehde kund?
Hat's eine and're Maid dein Mann,
Der ihr so theuer, angethan? —
D'rum ringt das Fräulein Kunigund
Vom Wolkenstein die Hände wund.
Was schaut der Kunz vom Krähenbraud
Fuchsteufelswild hinein in's Land?
Warum am Fenster wüthet er,
Was sinnt und flucht und brütet er?
Ha, er soll jetzt zuin Wolkenstein
Zu minniglichem Stelldichein.
Um alle Welt, was ist gescheh'n,
Was hält ihn ab, dorthin zu geh'n?
So wißt, des Ritter's einzig Paar
Bon Stiefeln just bei'm Schuster war;
Der bringt, vergessend Ehr' und Pflicht,
Zur rechten Zeit die Stiefel nicht. —
D'rum schaut der Kunz vom Krähenbrand
Fuchsteufelswild hinein in's Land.
Redaction: I. Schneider in München. — Verlag von Braun & Schneider in München.
Kgl. Hof-Buchdruckerei von E. Mühlthalcr in München.
Hiezu eine Beilage.
Auch eine Kritik.
Ein junger Dichter liest einer Versammlung von Kritikern seine neueste
Tragödie vor, die aber sehr kühl ausgenommen wird. Nach der Vorlesung
sucht ein Freund den Dichter mit einigen wohlwollenden Phrasen zu trösten.
„Ach was!" ruft der unglückliche Dramatiker, „schöne Kritiker, die ich da ge-
habt habe! Und gerade Sie, mein Lieber, haben während des dritten Aktes
vollständig geschlafen!"
„Ich gebe es gerne zu, mein Freund, aber — Schlafen ist auch
eine Kritik!"
Der verkannte Schwammerling.
Professor der Botanik (kurzsichtig): „Ach, hier bemerke ich ein pracht-
volles Exemplar eines Pilzes; er gehört, wie mir scheint, nicht in die Spccics
der giftigen, sondern der
Logisch.
Ein Commis, welcher bei seinem Chef schon stark in Vorschuß steht,
so daß er bereits auf drei Monate im Voraus den Gehalt hat, wendet sich
im Juli abermals um einen solchen au den Chef, indem er als Grund die
Anschaffung eines neuen Sommeranzuges augibt. Chef: „Woßu brauchen Se
e' neuen Sommeranzug — Se leben doch schon im September!"
Gehemmte Minne.
(Eine kurze aber traurige Rittergeschichte.)
Den Ritter Kunzen liebt sie sehr,
Den Burgherrn auf dem Krähenbraud,
Der tief in ihrem Herzen stand.
Was muß da vorgefallen sein,
Daß er nicht kommt zum Stelldichein?
That eines Feindes Frevelmund
Ihm Schimpf und blut'ge Fehde kund?
Hat's eine and're Maid dein Mann,
Der ihr so theuer, angethan? —
D'rum ringt das Fräulein Kunigund
Vom Wolkenstein die Hände wund.
Was schaut der Kunz vom Krähenbraud
Fuchsteufelswild hinein in's Land?
Warum am Fenster wüthet er,
Was sinnt und flucht und brütet er?
Ha, er soll jetzt zuin Wolkenstein
Zu minniglichem Stelldichein.
Um alle Welt, was ist gescheh'n,
Was hält ihn ab, dorthin zu geh'n?
So wißt, des Ritter's einzig Paar
Bon Stiefeln just bei'm Schuster war;
Der bringt, vergessend Ehr' und Pflicht,
Zur rechten Zeit die Stiefel nicht. —
D'rum schaut der Kunz vom Krähenbrand
Fuchsteufelswild hinein in's Land.
Redaction: I. Schneider in München. — Verlag von Braun & Schneider in München.
Kgl. Hof-Buchdruckerei von E. Mühlthalcr in München.
Hiezu eine Beilage.
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Der verkannte Schwammerling" "Gehemmte Minne. Eine kurze aber traurige Rittergeschichte"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 91.1889, Nr. 2296, S. 36
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg