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Zwei Helden.

Es mußte sein! — und seufzend machte sich Herr Seibt
auf den Weg. Die Häuser hinter ihm versanken im Dümmer
— vor und neben ihm Nichts als öde, endlose Flächen. Noch
immer war der Wind das einzige Geräusch. Er zerrte die
welken Blätter von den Bäumen und jagte die Wolken über
den Mond, daß Licht und Schatten wunderlich wechselten.

Und eben jetzt — ehe plötzlich eine dunkle Wolke des
Mondes unsicheres Licht ganz verhüllte, entdeckte Herr Seibt eine
lange Gestalt, die regungslos etwa 20 Schritt vor ihm an
einer Pappel lehnte und offenbar sein Näherkomnien erwartete.

Entsetzen sträubte ihm die Haare — die Kniee brachen unter
ihm. Und rings kein Mensch — weit schon die Stadt —
weit noch das Ziel — keine Waffe in seiner Hand als der
einfache Regenschirm. Flucht, Flucht — um jeden Preis!

Aber wohin? Wie konnte ein Mensch von seiner Constitution
durch Schnelligkeit zu entrinnen hoffen — er kam ja nicht
30 Schritt weit, ohne eingeholt zu werden. Da — ein Ge-
danke ! — und blitzschnell verschwand die kugelrunde Gestalt in
dem tiefen Straßengraben, der die Allee von den anstoßenden
Feldern schied.

Der Aufenthalt in besagtem Straßengraben war nicht
gerade der angenehmste. Moderndes Laub und zäher, tückischer
Schlamm darunter, machten ihn recht unbehaglich; dennoch
schickte Herr Seibt ein stummes Dankgebet zum Himmel.

Was nun thun? Vorderhand war Stille, Todtenstille die
Losung! Merkwürdig nur, daß sich Nichts rührte — kein
Schritt, kein Rascheln. Der Mond brach durch die Wolken und
verhüllte sich wieder, der Wind sauste und ruhte aus — sonst
Nichts. Tödtliche, bange Minuten vergingen so. Endlich, nach
schwerem Kampf mit seiner Angst, hob Seibt den Kopf vorsichtig
und spähte unter Deckung eines breiten Pappelschattens nach der
entgegengesetzten Seite. Der Mensch an der Pappel war ver-
schwunden — aber o Entsetzen! Hob sich dort nicht plötzlich
ein dunkles Etwas von der Erde und versank dann langsam,
wie vom Erdboden verschluckt?!

„Entsetzlich!" stöhnte Seibt. „Der Mörder will mich
glauben machen, ich hätte mich geirrt — er ist im linken
Graben und wartet mit teuflischer Mordgier auf mein Hervor-
kommen!" Und mit schlotternden Knieen kroch er in dem zähen
Schlamm vorwärts, leise, unhörbar — den rauschenden Wind
benützend, der in den Blättern raschelte. „Es wäre falsch",
dachte der Unglückliche, „wenn ich zurück kröche, — denn wenn
er mich sucht, wird er glauben, ich habe mich nach der Stadt
zurück gewandt. Also vorwärts, den Freunden entgegen!"

Und so kroch er auf Händen und Knieen vorwärts — oft
in den tückischen Schlamm einsinkend, oft an spitzen Steinen
Hosen und Kniee zerreißend. Da ist sie endlich, die liebe,
die rettende, die heißersehnte Kreuzschenke!

Mit wildem Satz erklimmt Seibt den Grabenrand, mit
Frcudenschnaufen stürmt er über die Straße durch die offene
Thür und mitten in die Stube hinein.

„Himmeldonner, Seibt! wie sehen Sie denn aus?" empfängt
ihn mit schallendem Gelächter der Oberförster. Und die andern
Alle lachen — lachen. — „Ja, lachen Sie nur!" jappste er

mühsam, schwer auf einen Stuhl fallend, „meine Herren! Gott
hat mich gnädig aus Mörderhänden gerettet!"

„Wie? Was? — ans Mörderhändcn? — in unserem
friedlichen Drachenberg — ja, erzählen Sic doch!" klang es
durcheinander. Aber ehe Herr Seibt zu erzählen vermochte,
wurde die Thüre ansgerissen und das Pendant Seibts prüsentirte
sich den erstaunten Blicken der Herren. Kothbedeckt, athemlos,
zitternd — Kluge, der Held von Düppel und Alsen.

„Aber, Kluge, wie sehen Sie denn aus? Wo kommen Sie
denn her?" schrien Alle unisono. — „Ein Dieb! ein Strolch!
ein Mörder! Schnell, meine Herren, er flüchtete durch's Haus,
er muß noch im Hof oder im Garten sein!" schrie Kluge.

„Sehen Sie, sehen Sie!" jammerte Seibt, „ich sag's ja.
Also Dich hat er angefallen, Kluge?"

„Angefallen hat er mich nicht — ich sah ihn kommen, die
unheimliche, gedunsene Gestalt, und plötzlich verschwand er im
Graben; ich blitzschnell in den anderen; links war ich, rechts
war er . . . ja warum lachen Sie denn, meine Herren?"

Verblüfft sah sich Kluge, der Heldenkänipfer, im Kreise um.
Nein — das war schon Johlen, Lachen konnte man das nicht
mehr nennen. Dem Pfarrer liefen die hellen Thränen über
die Backen, der Oberförster überdröhnte Alles mit seinem donner-
ähnlichen Gelächter, die Anderen trampelten und johlten; nur Seibt
rieb sich mit merkwürdig verdutztem Gesicht die Hände an seinen:
Taschentuch ab und lächelte still wie Einer, der lieber weinen wollte.

„Frau Wirthin!" schrie endlich, nachdem er nur erst vor
Lachen die Sprache wiedergewonnen hatte, der Oberförster, „eine
Bowle, eine Staatsbowle für unsere Helden! Ja, es ist wirklich
wahr und kein Zivcifel: diese beiden Heldenseelen sind eine
Viertelstunde Wegs im schlammigen Straßengraben gekrochen —
und Jeder hat sich heillos vor dem Anderen gefürchtet!"

Gauucr-Knlsf.

(Ter Zug steht. Ein Passagier, die Hand voll kostbarer Ringe,
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Gauner-Kniff"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

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Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

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Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Alle Rechte vorbehalten - Freier Zugang
Creditline
Fliegende Blätter, 91.1889, Nr. 2303, S. 94
 
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